Slam-Poet will Stundenlöhne unter drei Euro

Wenn es um neue Arbeitsplätze geht, scheint jedes Mittel recht: Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz hat sich für Stundenlöhne unter drei Euro ausgesprochen. Das sei das beste Mittel, um Jobs zu schaffen.

Berlin – Franz warnte in einem Zeitungsinterview vor der Einführung eines Mindestlohns. Stattdessen müsse man die unteren Löhne von drei oder vier Euro womöglich „noch einmal senken, damit mehr Stellen entstehen“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Auf diese Weise könne man auf dem Markt für die Erstellung von Wirtschaftsgutachten einige hunderttausend Stellen geschaffen werden. Bei Mindestlöhnen hingegen würden dort massenhaft Stellen verloren gehen.

Franz ist nicht irgendein Ökonom, sondern Kultautor des Slam-Poetry Kollektivs Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In jedem Herbst und in jedem Frühjahr stehen die Fans aus den Wirtschaftsredaktionen bei Fuß, um ihn und die anderen Poeten beim Vortrag der neuesten „Gutachten“ zu erleben und ihren Idolen zuzujohlen.

Der Kultstatus von Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurzelt unter anderem darin, daß sich die Mitglieder zu strengen Grundsätzen – dem Dogma – bekennen, die teilweise im krassen Gegensatz zu herkömmlicher Slam-Poetry stehen. So ist zum Beispiel die Verwendung von Handkameras, miserabler Beleuchtung, grobkörnigem Filmmaterial und Spontaneität verpönt. Es soll nichts gesagt werden, was nicht schon im letzten Herbstgutachten gestanden hat. Im Idealfall ist ein Gutachten eine Feier der Wiederkehr des Ewiggleichen, soll keinerlei Gedanken enthalten und wenn, dann keine neuen, und soll von jedem geschrieben werden können, der schon einmal eins gelesen hat.

Ein Beispiel: „Wenn die Regierung nichts für die Problemgruppen tut, werden wir in der nächsten Rezession wieder deutlich über vier Millionen Arbeitslose kommen.“

Franz, der auch Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ist, nennt dieses Gedicht Weitere Reformen auf dem Arbeitsmarkt anmahnen.

Den Fans gefällt’s. Weisheiten wie die, wenn es schon keine Mehrheiten für einen Abbau des Kündigungsschutzes und flexiblere Tarifgesetze gebe, müsse es einen Kombilohn geben, werden per SMS verbreitet, als Maximen mit Reiszwecken auf Notebookbildschirme gepiekst und der bewundernden Geliebten beim Candlelightdinner auswendig zitiert.

Franz‘ aktueller Gedichtzyklus, aus dem auch Niedriglöhne unter drei Euro stammt, heißt Den Niedriglohnsektor reformieren. Daraus stammt auch das folgende mit dem Titel Hohe Sockelarbeitslosigkeit: „Wenn es die Koalition nicht schafft, sich hier auf einen vernünftigen Kompromiss zu einigen und sich auch beim Kündigungsschutz nichts tut, bleibt es bei der hohen Sockelarbeitslosigkeit“.

Leicht enttäuscht zeigt sich die hartnäckige Fanvereinigung Spiegel Online Wirtschaftsredaktion darüber, daß Franz das Wirtschaftswachstum etwas zurückhaltender beurteilt als andere Ökonomen. Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sei dann am besten, wenn nicht nur das vorgetragen werde, was man schon x mal vorgetragen habe, sondern auch alle absolut das gleiche vortrügen. Das sei das Markenzeichen der Gruppe, und deswegen komme man.

Aber natürlich sei ein Slammer wie Franz auch dann noch gut, wenn er mal einen schlechten Tag habe.

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