Latexspielzeug

B. ist unpäßlich. So jedenfalls die offizielle Sprachregelung. Unter uns, und wenn Sie mich fragen: B. hat sich überfressen. Worüber sich keiner wundert. Ich wundere mich bloß, daß es erst heute passiert.

Bzw. gestern. Und deswegen hat B. auch seine Kolumne nicht rechtzeitig abgeliefert, und GPunkt mich gebeten, für ihn einzuspringen.

Großartig! Ich komme vom Coiffeur nach Hause, will noch ein paar Minuten die Beine hochlegen, bevor meine Damen zum jour kommen, und was finde ich vor? Das Haus in Aufruhr, GPunkt am Rande der Auflösung, und B. mit einem imbezilen Grinsen und unfähig, einem in verständlicher Sprache mitzuteilen, was eigentlich passiert ist.

Also alles wie immer? Könnte man sagen, wären wir nicht wie die Straßenköter in den Wagen genötigt und mit Blaulicht zum Arzt gefahren worden. Dort haben sie B. aufgemacht und einen blauen Latexball rausgeholt. Nicht, daß er ihn freiwillig hergegeben hätte, o nein, nicht mein B. Was ich dem Arzt auch so hätte sagen können, ach was red ich, was ich dem Arzt gesagt habe, aber wer hört schon auf die Ehefrau, jedenfalls gibt B. was er einmal in der Schnauze hat, nicht freiwillig wieder her, viel weniger das, was er bereits im Magen hat. Aber der Arzt wußte es natürlich besser. Setzt B. eine Spritze in den Rücken, und kurze Zeit später bricht der ihm die ganze Praxis voll. Interessant, was alles er am Morgen schon gefressen haben mußte, Rotwurst z.B., von der ich überhaupt nicht wußte, daß wir sie haben. Bzw. hatten, denn wenn ich die Mengen bedenke, die der Arzt mit seinen Wisch- und Wegtüchern vom Boden aufsammelte und in den Abfalleimer tat, konnte nicht gut mehr welche übrig sein.

Aber der Ball war nicht dabei. Ich sagte, das hätte ich ja gleich gesagt, aber GPunkt sagte ziemlich ungalant, ich sollte die Schnauze halten, was er sich noch nie erlaubt hat, und was ich seinen angegriffenen Nerven zugute halte, denn ich möchte nicht hoffen, daß es sich noch einmal wiederholt. Ich bitte doch auch in Streßsituationen um contenance einer Dame gegenüber.

Sie haben B. dann nach nebenan geschafft, und ich hatte Zeit, zu versuchen, an den Mülleimer zu kommen, aber GPunkts Neue, die nicht mit nach nebenan gegangen war, gab mir zu verstehen, daß sie ein solches Verhalten von mir nicht erwartet hätte und auch nicht billigen könne, und so ließ ich es sein. Man will sich ja vor solch einem Landei keine Blöße geben. Außerdem war es einer dieser tückischen Mülleimer, die einen die Schnauze ohne weiteres reinschieben lassen, aber dann, beim Rausziehen, unerwartet und hinterhältig zuschnappen.

Es war übrigens nicht irgendein Ball, den B. verschlungen hatte, es war mein Ball!
B. hatte ihn nicht einmal dann hergeben wollen, als der Arzt ihn bereits geöffnet hatte, sondern hatte den Ball zusammengequetscht und das Quietschestimmenventil dergestalt gegen die Magenwand gepreßt, daß sich der Ball dort hatte festsaugen können. Das schönste aber war, daß ich den Ball nicht einmal wiederbekam.

Sie hatten B. in der Klinik behalten, und wir drei fuhren wieder nachhause. GPunkt hatte ein schlechtes Gewissen, weil er, wie er sagte, B. immer wieder gemahnt habe, er solle nicht so schlingen, sondern in Ruhe kauen, bevor er schlucke. Aber er habe damit natürlich nicht gemeint, daß B. alles, auf dem er herumkaue, auch schlucken solle. Jedenfalls habe es sich jetzt ausgekaut, und die Quietschbälle würden eingezogen.

Na wunderbar. Der ganze Tag im Eimer, jour fixe abgesagt, keine Rotwurst abgekriegt, und jetzt auch keinen Quietscheball mehr. Kann ich was dafür, daß B. solch ein Gierschlung ist? Mich hat Mama gelehrt, immer nur kleine Happen zu nehmen, die Wolfskralle abzuspreizen, nicht mit vollem Mund zu knurren, und mich überhaupt comme il faut zu benehmen, und auch beim Rumkauen auf einem Quietscheball nicht zu vergessen, was ich dem Namen #### schuldig bin. Und ich habe mich auch, darf ich mir schmeicheln, daran gehalten, auch dann, wenn niemand dabei war, der mein Verhalten hätte schelten können. Denn wie Mama immer sagte, undamenhaft bleibt undamenhaft auch dann, wenn niemand zusieht.

Soweit es mir möglich war, natürlich. Denn wenn ich meinen Damen beim jour durch GPunkt Reibeplätzchen servieren lasse, ist es nicht damit getan, die Konkurrenz mit spitzen Bemerkungen auf Distanz zu halten, sondern muß bisweilen zeigen, wozu man ein gepflegtes Gebiß hat. Das ist wohl das Erbe von Papa, der sich auch in den dunkleren Ecken von Hamburg auskannte, und mich, in jenen glücklichen Zeiten, bevor ich unter meinen Stand und in dieses elende Kaff geheiratet habe, heimlich und ohne Mama was davon zu sagen, überallhin mitgenommen hat. Ah, les neiges d’antan!

Ja, Papa war ein Raudi, und ich war stolz auf ihn. Leider hat B. so gar nichts von seinem Schwiegerpapa. Ein Pudel, Gott! Aber was heiratet man nicht alles, um der Mama eine gehorsame Tochter zu sein. Wenn er nur nicht weiß wäre! B. glaubt ja, daß es seine Schur ist, die mich gegen ihn einnimmt, und ich laß ihn auch in dem Glauben. Aber englische Schur ist ja nun nicht alles, man muß sie auch zu tragen verstehen! Und da hapert es doch nun bei meinem guten B. Und nicht nur bei ihm. Wenn man GPunkt in einen Maßanzug stecken würde, würde das ja auch keinen Gentleman aus ihm machen. Und was der wohl für eine Farbe wählen würde? Weinrot? Oker?

Immer noch besser als weiß. Meingott, auf weiß sieht man doch alles! Jedes fremde Haar! Nicht, daß mir das was ausmachen würde, wenn B. mit seinen Mädels rummacht, soll er doch, meingott, da war Papa noch ein ganz anderes Kaliber. Oder wenn eine meiner Damen, Cora oder Caro oder Kira, oder Kylie, Kennie oder Kaja oder die, na, gibt es das denn, ich komm jetzt nicht auf ihren Namen, also sowas, ach ja, Katy, glaubt, sie könne mir einen Tort tun, wenn sie sich mit B. abgibt.
Wie abgeschmackt! Aber man kann sich in der Provinz den Umgang halt nicht so aussuchen, wie man es von Hause her gewohnt ist.

Das gilt natürlich auch für Rüden. Nicht nur für Provinzrüden, sondern allgemein für Rüden. Es ist das gewisse je ne sais quoi, was ihnen abgeht, man hat es oder man hat es nicht, und B. hat es ganz definitiv nicht. Weißes Fell! Mein Farbberater sagt auch, ehe er einen Rüden berät, nimmt er sich lieber einen Strick, und berät den. Da kommt mehr bei raus. Und ich kann ihn gut verstehen. Sage ich, der Ball ist grau, sagt B., er ist blau. Die Frisbeescheibe, die eindeutig blau ist, ist für B. grün. Ich weiß nicht, ob er mir einfach nur widersprechen muß, oder ob er es wirklich nicht sieht. Beides wahrscheinlich.

Aber, wie schon gesagt, die fremden Haare auf seinem Fell stören mich nicht ihrer symbolischen Bedeutung wegen, sondern aus ästhetischen Gründen. Man muß sich ja schämen, wenn man mit ihm unterwegs ist. Man kann doch nicht immer auf der anderen Straßenseite laufen. Abgesehen davon ist er ja eine stadtbekannte Erscheinung – was ich nur rede, ’stadt‘-bekannt, schön wär’s ja. „Ein weißer Pudel? Kenn ich nicht. Nie gesehen. Hab ich nichts mit zu tun.“ Das nimmt einem doch keiner ab. Was die öffentliche Wahrnehmung angeht, könnte B. ebenso gut kariert sein. Und das neben meinem aristokratischen Pfeffer und meinem dezenten Salz!

Da ist Patrick schon was anderes. Ein Goldkettchentträger, sagt B. und meint es despektierlich.
Ach B.! Natürlich ist Patrick ein Goldkettchenträger, aber er ist auch der Goldkettchentyp! Das ist es, was B. nicht begreifen kann, was wahrscheinlich kein Rüde begreift: wem es steht, der kann auch Goldkettchen tragen. Wenn B. der Typ wäre, der mit links die Kunstakademie von Lahore bewacht und mit rechts in der Hängematte liegt, mit seinem Chef auf Bekassinenjagd geht und aus jeder Keilerei mit tadellos sitzender Frisur herauskommt, na schön, dann könnte er auch einen weißen Tropenanzug tragen. Ist er aber nicht. Sie sollten ihn nur mal sehen, wenn er sich mit Patrick im Klostergraben geprügelt hat, dann fällt es Ihnen schwer, auszumachen, wo der Graben anfängt und wo Ihr Gatte aufhört.

Papa – nein, genug von Papa. Nur soviel: von Papa könnten sich sowohl Patrick als auch B. ein paar Scheiben abschneiden. Wenn Papa mich mit auf den Fischmarkt mitnahm, und ein vorlauter Bengel steckte mir seine #### in den ####, und Papa nahm ihn und seine Kumpels nach allen Regeln der Kunst auseinander, dann sah man anschließend auf Papas Fell kein Stäubchen. Ein stattlicher Rüde, anthrazit und Silber, an manchen Stellen schwarz, eine Erscheinung.

Patrick – nun ja. Zwar glaubt B., daß ich Patrick seines Aussehens wegen zugetan wäre, und er soll das auch ruhig glauben, aber die Bedeutung des Aussehens von Rüden wird von Rüden ja grundsätzlich überschätzt. Er hat kein abstoßendes Äußeres, aber er ist auch keine Schönheit. Mal unter uns, solange B. in der Klinik ist: es ist der Geruch. Patrick läßt sich die Zirkumanaldrüsen nicht ausdrücken, und der strenge Geruch erinnert mich an Papa, der das auch nie tat. Papa sagte, er denke gar nicht daran, er sei ein Rüde und wolle auch wie Rüde riechen, und wem das nicht passe, der könne sich aus der Parfümerie einen Pudel holen. Woraufhin er zu längeren Schilderungen ansetzte, was der Betreffende mit diesem Pudel von ihm aus machen könnte, und Mama sich indigniert entfernte.

Bisweilen, wenn ihn der Hafer stach, stellte Papa – väterlicherseits ein Hohenlohe, mütterlicherseits von den Schillingsfürsts abstammend, er selbst aus dem Zwinger Weikersheim – sich Mamas jour-Damen mit dem Zwingernamen ‚Loddel v.d. Herbertstraße‘ vor. Dann blieb Mama nichts weiter übrig, als mit säuerlicher Miene zu sagen, daß er so heiße, habe sie bisher nicht gewußt, daß er sich so benehme, sei ihr allerdings aufgefallen. Und dann durfte sie zusehen, wie alle Damen mit unverhohlener Neugier Papas #### beschnupperten.

B. dagegen, eitel wie er ist, geht wöchentlich zur Maniküre, was ja gut und schön ist; Patricks Krallen sind dagegen ein Greuel, und wenn man von ihm #### wird, tut man gut daran, nicht auf seine Vorderpranken zu schauen, sondern ins Gebüsch oder auf die Klostermauer, oder wo immer es gerade passiert.
Nein, B. läßt sich, wenn die Maniküre ihn fragt, immer auch die glandulae circumanales entleeren, mit der Folge, daß er ungefähr so würzig riecht wie Knäckebrot – nichts gegen Knäckebrot als solches, ein durchaus akzeptabler Ersatz, wenn man GPunkt nicht zu Reibeplätzchen überreden kann. Verfeinert mit Schmalz, oder Kräuterquark, oder Mascarpone mit einem oder zwei Tropfen Honig, oder Ahornsirup – aber ich schweife ab.

Wenn in der nächsten Woche mein Damenkränzchen tatsächlich stattfinden kann und B. sich nicht wieder, sagen wir, von Patrick das Nackenfell über die Ohren ziehen läßt und zum Nähen in die Klinik gefahren werden muß – daß sich die Rüden aber auch immer hauen müssen! Gott hat sie so gemacht, sicher, und ich selbst wollte sie nicht anders haben, aber bitte nicht an dem einen Tag in der Woche, an dem ich mir mal Zeit für mich nehme!
Wie gesagt, nächste Woche werde ich Knäckebrot mit rügenwalder Teewurst servieren können. Die Wurst schuldet B. mir, weil er in einer überflüssigen Wette die hirnrissige Position vertreten mußte, ich würde den Herrn Oettinger einer rügenwalder Teewurst vorziehen. Das ist mein B.! Dafür setzt er einen Teller Honigpops mit Milch. Und es ist mal wieder so typisch Rüde zu denken, es komme – auch bei einem Alpha-Wolf – aufs Aussehen an. Dummheit! Was soll mir das Bild? Ich müßte an seinen #### schnuppern können.

Ich habe GPunkts Neue gefragt, ob sie sich GPunkt wegen seines Aussehens oder wegen des Geruchs seiner Analdrüsen ausgesucht hat, aber sie ist wohl doch etwas sehr vom Lande. Hat ihr bißchen Nase gekraust und gesagt, so weltgewandt wie ich sei sie nicht, und habe ihre Nase auch noch nicht in soviele Dinge gesteckt. Und es gebe Dinge, Mülleimer in Arztpraxen z.B., dahinein möge sie ihre Nase auch gar nicht stecken, da sei sie genierlich.

Ein Provinztrampel halt. Ach Gott, wo bin ich hier nur hingeraten?

Ein nettes Mädchen, bitte mich nicht falsch zu verstehen, aber doch niemand, den man zum jour bitten könnte.

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