Almost Independence Day

Flow gently, sweet Afton, among thy green braes
Flow gently, I’ll sing thee a song in thy praise
Robert Burns

Mit Blick auf den Volksentscheid über ein totales Rauchverbot in der Gastronomie des Bundeslandes Bayern am – ausgerechnet! – Unabhängigkeitstag des „Old Dominion“ (der ehemaligen Tabakskolonie Virginia vom britischen Mutterschiff und dem Commonwealth of Nations), am 4. Juli „diesen Jahres“ (sic), hat die Studienleiterin der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Martina Pötschke-Langer, einen inkonsequenten Nichtraucherschutz beklagt. Dabei sei die Zustimmung zu einem Rauchverbot in Gaststätten unter Rauchern von 26 auf 41 Prozent, unter Gelegenheitsrauchern von 53 auf 69 Prozent gestiegen. Sensationelle 69 Prozent!

Rausgekriegt haben will sie das durch eine Studie, deren Ergebnisse „am Dienstag dieser“ (sic) Woche in, wo sonst, Berlin vorgestellt wurde. Wieso eigentlich am Dienstag diesärr Woche, wieso nicht am Dienstag diesänn Woche? Weil es so heißt? Warum heißt es dann nicht: am 4. Juli diesöss Jahres? Weil das den Krebsforscherohren zu prollig klingt?

Der Käsdorfer Metropolitan wollte wissen, wie es denn eigentlich mit der Zustimmung der Nichtraucher zu Passivgrammatik, sprich der immer stickiger werdenden Verwendung falscher Grammatik in Presseverlautbarungen bestellt sei, und begab sich zum Stammtisch im Pilgrimhaus, an dem munter gequarzt wurde:

Germanisten-
fuzzi
(Ehemaliger Raucher, Nil):
Es erschließt sich mir nicht, es erschließt sich mir in keiner Weise, wie hier Tabakfeindschaft und Grammatikfeindschaft Hand in Hand gehen zu wollen scheinen, um schlußendlich zur Lebens- und Menschenfeindlichkeit sich zu vermählen. Es erschließt sich mir nicht.
Aber ich akzeptiere es natürlich. Solange keiner kommt, heißt das, und es mir zu erklären versucht.

Germanistenfuzzi ist Vorsitzender der Gesellschaft zur Mehrung und Förderung des Unerklärlichen (GMFU).

Gero
(ehemaliger Raucher, Kyriazi Frères):
Wir sind hier am Stammtisch, und ich wäre also berechtigt zu sagen ‚Rübe ab!‘, aber wer mich kennt, weiß, daß ich nicht zu vereinfachenden Parolen sondern zu differenzierender Aufarbeitung neige.
Es gibt meines Wissens keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen Dekapitation und Beherrschung grammatischer Feinheiten nahelegte, und ich persönlich glaube auch nicht an einen solchen Zusammenhang.
Wenn aber ein Doktorand eine solche Studie plant und technisch-/organisatorischer Unterstützung bedarf, kann er sich gern an unseren Verband wenden und bekommt alle Unterstützung, die er braucht.

Gero ist Geschäftsführender Vorstand im Verband königstreuer Fallbeilmanufakteure.

Quastel
(ehemaliger Raucher, Sweet Afton):
Früher, als die Welt noch zart und pastellfarben, ja jungfräulich war, als der liebe Gott noch auf Erden wandelte, als der Tabak noch 2 fuffzich kostete (Mark), als man die Nächte noch durchgemacht hat wie nichts, und, was mehr ist, die Nächte einem dies nicht übelnahmen, als es in den Schulen noch Kopfnoten gab und als man noch in aller Ruhe schwer erziehbar sein konnte, ohne daß sofort mit Psychologen nach einem geworfen wurde, als der Käfer noch schmale Blinker hatte und die Fahrkarten noch geknipst wurden, als ein „Eis zu dreißig“ noch dreißig Pfennig kostete anstatt 90 Cent, als die kleinen Franzosen noch mit einer Gitanes im Mundwinkel geboren wurden, kurzum, früher, als …

Alle:
… Alles besser und schöner und größer und billiger war …
Quastel:
…, und als es auch noch mehr Geld gab, da mißgönnte einem niemand die verdiente Feierabendzigarette. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da saßen hier, bei Louis, im Eck, Mama, Papa, Oma und Opa, schafften zu viert eine Schachtel in der Stunde, daß man die Kinder zwischen ihnen kaum mehr sah, gaben denen Chips und Flips und Cola und Eis, und spielten mit ihnen Mensch ärgere dich nicht.
Das ist heute auch selten geworden.
Und immer wenn der Kleine – die Schwester war etwas größer – „Ende diesen Jahres“ sagte, gab es eine Maulschelle, mal vom Vater, mal vom Opa, und es hieß: Das machst du nicht noch mal.

Quastel ist 1. Vorsitzender des Vereins der Kulturpessimisten / Vereinigte Zukunftsgegner (VdK/VZ).

Tausend-
schönchen (ehemalige Raucherin, Ernte 23):

Ist Germanistenfuzzi dafür? Dagegen? Doch dafür? – Dann bin ich dagegen.

Tausendschönchen, aka Schönchen, aka Germanistenfuzzis neue Freundin, ist arbeitslose Gendermainstreamerin und Tagesmutter von Anna-Lena, Anna-Lena, Anna-Lena, Anna-Lena und Jakob.

Fahrgast
Radagast
(ehemaliger Raucher, Overstolz, Eckstein, Juno):
Im Prinzip ist es in den Zügen besser geworden, seitdem die Raucherabteile Schrägstrich -wagen abgeschafft sind. Das muß man zugeben, obwohl ich es nicht gerne zugebe, denn das heißt zugeben, daß sich unter der Ägide Mehdorns irgendwas zum Besseren gekehrt hat.
Es ist aber besser, und zwar, weil die Raucher jetzt nur noch einen Platz belegen. Früher hatten sie einen im Nichtraucher, wo sie sitzen wollten, und einen im Raucher, wo sie rauchen wollten. So daß man als Fahrgast weder hier noch da einen Platz bekam.
Wenn wir jetzt also anfingen, die Züge in Grammatiker und Nichtgrammatiker aufzuteilen, würden wir denselben Fehler noch einmal machen: die Grammatiker würden, so wie ich sie einschätze, wiederum zwei Plätze belegen, einen im Nichtgrammatiker, wo sie sitzen wollen, und einen im Grammatiker, wenn sie mal fünf Minuten unter ihresgleichen sein wollen.

Fahrgast Radagast wurde am Kamener Kreuz gezeugt, auf der B61 geboren und verbrachte seine prägenden Jahre auf den Autobahnen 43, 44, 45, 1 und 2. Fährt seitdem aus Überzeugung nur noch mit der Bahn.

Stilton
Sbrinz
(ehemaliger Raucher, Player’s No 6):
Ich möchte Germanistenfuzzis These vom Zusammenhang zwischen Rauchen und Grammatikskills stützen, aber folgenden Aspekt nicht übersehen wissen: wenn wir uns anschauen, wie in alten Schwarzweißfilmen, wofern sie im Zeitungsmilieu spielen, wie dort in den Redaktionen und in schwarzweiß gequalmt worden ist, und wie es im Gegensatz dazu bei uns in der Redaktion aussieht, dann sind wir, denke ich auf der sicheren Seite, wenn wir sagen, der Niedergang der Grammatikbeherrschung und das Aufkommen des Farbfilms bedingen einander oder sind durch ein gemeinsames Drittes bedingt: nämlich die Verachtung, die der Zigarette entgegengebracht wird.
In ähnlicher Weise sehe ich die Verbannung des Rauchens aus „Gast“-Häusern und die Zunahme sogenannter 3D-Filme miteinander verschränkt. Tatsächlich vermute ich auch hier einen Zusammenhang mit den Grammatikkenntnissen der nachrückenden Journalistengeneration und habe die allergrößte Sorge beim Gedanken an das, was uns da demnächst in die Redaktion gekübelt werden wird.

Stilton Sbrinz ist Chefkommentator beim Käsdorfer Metropolitan (KM) und darüberhinaus CAO, CEO, CIO, COO und CUO der Agentur Sbrinz.

Des längeren war schon zu beobachten gewesen, wie sich im Kopfe des Reporters eine Frage formulierte, und, als sie genügend formuliert war, ans Licht, oder richtiger, in den Dunst drängte. Die Frage nämlich, wo denn dieser ganze Rauch eigentlich herkomme, bislang habe er nur ehemalige Raucher zu interviewen bekommen. Den ausgestreckten Fingern der Interviewten folgend, stieß sein Blick schließlich
auf

Quastels
Nachbar
(Raucher, Selbstdreher, Bantam):

Der allerdings keine Antwort gab, sondern dem Jüngling wortlos Rauch ins Gesicht pustete.

Quastels Nachbar ist Krebsgeborener und gibt als solcher keine Interviews.

Der freundlichere Quastel übersetzte ihm die Geste: Sein, Quastels, Nachbar, habe den unbedingten, unbändigen Unabhängigkeitswillen seines Sternzeichens, und aus dieser Qualität folge alles weitere. Es sei also keine gegen den Jüngling persönlich, sondern eine gegen die Unverschämtheit des Schicksals höchstselber gerichtete Flegelhaftigkeit, wenn er einem Interviewer kein Interview gewähre, denn er lehne es ab, sich den Zeitpunkt vorschreiben zu lassen, zu dem er etwas über sich preisgebe. Lasse man ihn selbst darüber entscheiden, erzähle er einem aber alles – und mehr – als man wissen wolle, soviel – und mehr – wisse er, Quastel, aus eigener Erfahrung.

Teilweise leidvoller.

Und richtig, wenige Zigaretten später, hub der Nachbar an, seine Einstellung zu erläutern, und erläuterte, was das Zeug hielt. Wie er denn wohl dazu komme, sich von einem hergelaufenen Tierkreiszeichen seinen Charakter vorschreiben zu lassen? Unabhängigkeitsdrang, jawohlja, aber wenn ihm danach sei, sich von irgendjemandem was vorschreiben zu lassen, dann lasse er sich von dem auch was vorschreiben und sich von niemandem dreinreden. Es sei ihm aber nicht danach, sich von Nichtrauchern was vorschreiben zu lassen, und schon gar nicht lasse er sich was von nichtrauchenden Krebsforscherinnen vorschreiben. Krebsforscherin! Ausgerechnet. Er, als Krebs, brauche keine Forscherin. An ihm werde nicht rumgeforscht!

So weit komme ihm das noch. Aber keinen Deut besser als die sei ihm die Grammatik. Die habe er als Kind schon gefressen. Keinen Satz könne man bilden, ohne daß sie daneben stehe, und einem sage, daß man den Rücken gerade machen solle, die Gabel in die linke Hand nehmen, das Messer in die rechte, den Ellbogen vom Tisch, und aufhören mit den Füßen an die Stuhlbeine zu treten.

Die werde nur noch getoppt von hergelaufenen Grammatikschändern wie ihm hier – nanu, wo sei er denn? Der sei doch eben noch einer gewesen und habe gewollt, daß er rede? Und nun rede er, und der Typ habe was Besseres vor? Wo gebe es denn sowas? Egal, noch sei ja Publikum hier -, Grammatikschänder, Leute also, die sich benähmen, als hätte er, der Nachbar, damit, daß er das Internet ins Haus lasse, schon sein Einverständnis dazu gegeben, daß im Internet geschmatzt werde, die Suppe vom Löffel geschlüft, die Erbsen mit den Fingern auf die Gabel geschoben, das Messer im Kammgriff geführt, und während des Essens Benjamin Blümchen gehört werde.

Aber da war der junge Mann schon gegangen, weil er zum Redaktionsschluß mußte.

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