Wulff im dritten Anlauf vereidigt

Berlin. – Erst im dritten Anlauf konnte heute der neue Bundespräsident Wulff vereidigt werden. Zur Überraschung vieler politischer Beobachter, die so etwas noch nie beobachtet hatten, konnte Wulff sich bei den beiden ersten Versuchen nicht für eine der beiden Eidesformeln entscheiden. Erst im dritten Anlauf, nach mehr als 9 Stunden, siegte die Vernunft, und Wulff entschloß sich, bei der Eidesformel nicht auf den Beistand Gottes zu verzichten.

Ein politischer Beobachter (Germanistenfuzzi) meinte dazu: „Sowas kann man selten beobachten. Im Zoo schon eher mal, aber nicht in freier Wildbahn.“

„Bei den meisten Politikern ist es ja so, daß sie sich im Alter von, na, sagen wir mal, so mit 15 für eine der beiden Eidesformeln entscheiden, und dann für den Rest des Lebens nicht mehr drüber nachdenken. Wann immer sie dann wo vereidigt werden sollen, muß man sie entweder bremsen, damit sie dem Vereidiger nicht vorzeitig ins Wort fallen, oder man muß ihnen soufflieren, weil sie sich die Formel eh nicht merken können.“

„Das ist wie mit anderen erblich bedingten Merkmalen und Defekten auch: ob Sie – ein Beispiel – 1,72 m groß werden oder 1,85 m, das können Sie irgendwann nicht mehr unmittelbar beeinflussen; wenn Sie mit Ende 14 schon bei 1,88 m sind, dann war’s das.“

„Oder die politische Überzeugung: genau das gleiche. Wenn sie mit 15 schon in der Schülerunion sind, dann war’s das auch. Dann wechseln sie nicht mit 51 zu den Grünen, sondern ziehen Ihren Stiefel durch.“

„Umso seltener das Schauspiel bei Wulff: daß einer, von dem wir alle angenommen haben, daß er gleich im ersten Anlauf und mit Applomb die religiöse Eidesformel wählen würde, und dem wir allenfalls zugetraut hätten, daß er sich auf zwei Götter beruft, weil das seiner Gürtel+Hosenträger-Mentalität entgegenkäme – daß der nun im biblischen Alter von Zweifeln gepackt wird, ob es richtig und dem Machterhalt von Angela Merkel zuträglich sei, die religiöse Formel zu sprechen, oder dies nicht zu tun, das hätte, denke ich, niemand erwartet.“

Nach dem ersten gescheiterten Anlauf war die Überraschung groß. Die anwesenden Bundestagsabgeordneten und Bundesratsmitglieder zogen sich in ihre jeweiligen Höhlen zurück, um zu beraten, ob man diesmal wieder so lange mit dem Essen warten müßte, oder ob man sich nicht zwischendurch Snacks kommen lassen könnte.

Nach dem zweiten gescheiterten Anlauf sah man blankes Entsetzen in den Gesichtern. Das Wochenende stand auf der Kippe, Flüge mußten gecancelt werden, Fahrkarten zurückgegeben, Skatrunden abgesagt, GattInnen benachrichtigt und Maitressen auf freie Slots umgebucht. Hektisches Treiben auf den Fluren, ein Twitterstau, eine geplatzte Twitterleitung und Tausende herrenlos herumirrender Tweets machten das Happening erst rund. Die Linke brachte eine dritte Eidesformel ins Spiel, ohne sagen zu können, was die denn für einen Wortlaut haben sollte, Gabriel sagte, mit Gauck wäre das nicht passiert, Angela Merkels Bleistiftmund verhärtete sich von B2 auf H3, Germanistenfuzzi fragte eine Kollegin vom Focus, ob sie nachher schon was vorhabe, ein Gerücht machte die Runde, Gott habe eine weitere Unterstützung Wulffs davon abhängig gemacht, daß dieses unwürdige Treiben da unten bald mal ein Ende habe, er, Gott, versage niemandem seine Hilfe, der ihn darum bitte, aber er trage sie ihm auch nicht hinterher, und die Kollegin vom Focus fragte, mit Blick auf die Uhr: wann nachher? Montag? Oder Dienstag?

Die Antrittsrede von Wulff mußte auf Samstag verschoben werden, das anschließend geplante Sommerfest – vorsichtshalber – auf den Sonntag.

Es wird Schlimmes befürchtet.

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