Wie’s schaut hat der Bundespräsident, Krawattenmann, einen 1a-Redenschreiber, der, wenn nicht alles täuscht, an irgendeinem religionspädagogischen Institut entweder „Verbumfeite Metaphern I“ oder „Verbumfeite Metaphern II“, oder aber zumindest „Metaphern für evangelischen Landklerus“ belegt hat. Oder anbietet.
Denn am Freitagabend sagte Krawattenmann vor Zeugen, und zwar um seinen Zuhörern was zu bieten, oder die Zeit totzuschlagen, oder weil er sich vor der Stille fürchtete, es sei „jetzt“ die Zeit, da müsse man „Mauern in den Köpfen einreißen, Gräben zuschütten und Brücken bauen.“
Darauf muß man kommen. So muß einem die Sprache erst einmal zu Gebote stehen. Und dann muß man die drei Sprachbilder, die sich ja, sich selbst überlassen, mehr oder weniger aus dem Wege gehen würden – denn entweder baut man Brücken, dann kann man die Gräben unzugeschüttet lassen, oder man reißt Mauern ein, nimmt den Schutt und schüttet ihn in die Gräben, aber dann kann man sich die Brücke schenken – diese drei muß man ja auch erst mal in eine Reihe bringen.
Aber Krawattenmann hat es das Doppeltgemoppelte wohl angetan, Hosenträger und Gürtel, Fliege und Schlips, Brücken und, besser ist besser, zugeschüttete Gräben.
Als nächstes müssen dann noch die Zäune in den Herzen niedergetrampelt und die Gartentürchen ausgehängt werden. Und neben dem Törchen zimmern wir, besser ist besser, einen Überstieg.
Ganz zum Schluß reißen wir das Schild „Privat. Betreten verboten.“ aus der Erde und schmeißen es in den See.
Also erstens mal: Wenn da schon im Einleitungstext des citierten Artikels etwas von »Sülze aus Berlin« steht und man dann trotzdem weiterliest, darf man sich hinterher aber auch nicht beschweren, wenn einem von Bundespräsidenten dann tatsächlich Sülze serviert wird. Dann hat man das eben so gewollt. Und zweitens: So ein Präsident muß nicht irgendwie präsidieren, sondern präsidial. Er muß das Große und Ganze im Blick haben, ganz Deutschland also, oder allerwenigstens die Bundesrepublik. Also: Ein Mäuerchen hier einreißen, einen Graben ganz woanders zuschütten und dann vielleicht noch in Dresden die Feld- Wald- und Wiesenschlößchenbrücke bauen. Oder endlich mal die Merseburger Brücke, die der Goldschmied mit seiner jüngsten Tochter zerbrochen hat. So präsidiert man nämlich und da dürfte es germanistischerseits eigentlich nichts zu mäkeln geben.
Im nächsten Absatz wäre die Sülzdichte, derer man sich hätte annehmen können, mit dem Aufeinandertreffen von »Welt«, »Segen« und »Zufall« übrigens viel größer gewesen.
Mag sein.
Aber: ist Sülze nicht vergleichsweise nahrhaft? Verglichen mit leergedroschenem Stroh? Ohne daß ich die Bedeutung von Ballaststoffen für das Gelingen des Verdauungsvorganges kleinreden wollte.
Was immer Sie unter Sülzdichte genau verstehen – das Verhältnis von Sülze zu Bratkartoffeln und Remouladensoße auf dem Teller, oder die Konzentration von Restfleisch im Knochensud? – ich bin nicht der Meinung, daß man sich ihrer annehmen müßte. Der Sülzabsatz ist doch vergleichsweise originell, denn so häufig laufen einem Politiker, die noch Reste von „Segen“ zwischen den Zähnen haben, schließlich nicht über den Weg. Landklerus vielleicht, aber der hätte keinen „Zufall“ im Bart.
Ich weiß nicht, ob Großganzland, wie von Ihnen hübsch umrissen, in dieser Form überhaupt Platz in einem Präsidentenköpfchen fände, oder ob es dort nicht mit Bellevueschen Mauern, Schloßgräben und Zugbrücke schon voll genug ist; ich weiß auch nicht, ob Germanisten an dieser oder jener Präsidentenrede was zu mäkeln haben würden. Vermutlich, aber was geht uns das an?
Wir Bauingenieure jedenfalls, ob Hoch- ob Tief-, stehen den Vorschlägen unseres Präsidenten fest zur Seite und lassen’s uns nicht nehmen, Lob zu streuen, wo Lob am Platz ist.
Ich will ehrlich sein: Ich esse gar keine Sülze. Nie. Sie ist mir zutiefst suspekt, trotz ihrer scheinbaren Transparenz. Das mag daher rühren, daß meine erste Sülze sozialistische Schulspeisungssülze war. Frühkindliches Trauma, sozusagen. Entschuldigt alles. Sogar subjektlose Sätze. Prädikatlose gar. Ich kann mir deshalb auch keine fundierten Stellungnahmen zum Nährwert der Sülze erlauben, nur so theoretische, vom Elfenbeinturm des Sülzophobikers herunter.
Mir war nur eben aufgefallen, daß man dem Metaphernhäufchen seine präsidiale Würde zurückgeben könne, indem man es regional aufteilt: Auf daß auch das ganze Deutschland etwas von Mauern, Gräben und Brücken und deren Nicht- bzw. Vorhandensein habe.
Was den heurigen Landklerus angeht, so habe ich diesen freilich im Verdacht, doch mehr über Zufall als über Segen nachzudenken, während Politiker sich zufällig zunehmend mit Segen zu schmücken versuchen – verbal jedenfalls.
Es kann aber doch, halten zu Gnaden, nicht unsere Aufgabe sein, dem Präsidenten die präsidiale Würde hinterherzutragen. Der kleine Dötz, der mit dem nackten Finger auf den Kaiser zeigte, trug diesem ja auch nicht den Hermelinkragen hinterher, sondern machte ihn – freundlicherweise – auf einen Defekt in seiner Garderobe aufmerksam.
Das ist auch unser Theil.
Denn ob wir gleich wollten – wir kämen ja schon nicht an der Security vorbei. Und dann: wo kann er die Würde nicht überall liegengelassen haben! Ich für mein Teil bin nicht bereit, auch nicht für Geld, nach Mallorca zu fliegen.
So gesehen … dafür habe ich volles Verständnis. Vollstes. Na, sagen wir mal [ein stückweit zurückrudernd]: Volleres Verständnis zumindest. Mallorca ist schlimmer als Autobahn, und die geht ja bekanntlich schon gar nicht. Außerdem: Wer »Theil« schreibt (zumindest theilweise), hat ganz bestimmt kein solches an Mallorca.