Angesichts der Dringlichkeit des Problems und der stündlich, ja viertelstündlich dringlicher werdenden Dringlichkeit, hat der Vorsitzende des Käsdorfer Donnerstagsstammtisches, Gero, alle Mitglieder zu einer außerordentlichen Dringlichkeitssitzung am Mittwochabend verdonnert. Und zwar, wie er betonte, wegen der Dringlichkeit.
Gero, der in der Vergangenheit nicht immer auf Seiten der FDP zu finden war, und schon gar nicht auf Seiten Guido Westerwelles, appelliert an seine Mannschaft: „Wir sollten jetzt, da die Zeiten für die FDP schlecht zu werden scheinen, zu ihr stehen. Sie darf auf keinen Fall ihren Parteichef fallen lassen. Auf keinen Fall! Niemand wechselt mitten im Fluß das Pferd. Jedenfalls nicht, solange das Pferd die tiefste Stelle noch nicht gefunden hat. Dazu hat man das Pferd schließlich. Damit man die Stelle vermeiden kann. Dazu muß man wissen, wo sie ist. Dazu braucht man das Pferd. Wenn man das weiß, kann man das Pferd immer noch wechseln.“
„Die FDP hätte ohne ihn bei der letzten Wahl nicht fast 15 Prozent erreicht,“ sagte Gero, und ergänzte: „Und jetzt nicht vier. Nicht zu reden von drei. Das werden wirklich harte, harte Zeiten für die FDP. Das schafft man nicht mal eben so mit links. Sie sollte nicht fahrlässig auf jemanden verzichten, der ihr dabei eine große Hilfe sein kann.“
„Der Käsdorfer Donnerstagsstammtisch steht ohne Wenn und Aber hinter Guido Westerwelle und daran wird sich auch nichts ändern“, sagte der Stammtischvorsitzende und lud zu 20 Uhr ins Pilgrimhaus. Er bat alle Mitglieder, „diese kleinen roten Nasen“ mitzubringen, „die man sich vors Gesicht schnallen kann“, und „diese Tröten, die sich beim Pusten so entrollen. Ach ja, und Luftschlangen, und Konfetti. Und Andi soll uns ein Spanferkel richten. Und Punsch. Die Mädels mit den Bauchläden und den weißen Schürzen sollen kommen und uns Cohibas anbieten. Alle heute Nacht geborenen neuen Käsdorfer sollen auf 18 Jahre zehntfrei sein. Die Feuerwehr soll kommen und uns aufspielen. Großes Schuhsohlenprozentzahlschnitzen – wer liegt am nächsten dran? Dem Sieger winkt ein Dünnbier.“
Gefragt, was denn diesen Sinneswandel bewirkt habe, er habe sich in der Vergangenheit doch eher abfällig über die FDP geäußert, wurde Gero ungewohnt pathetisch.
„Kameraden, Brüder im Geiste, Käsdorfer! Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen! Wir alle müssen Opfer bringen! O männliche Gelassenheit, fange Feuer! Es war die Maske! Ich schämte mich meiner Gene! Lang trug ich es in mir – einmal will es heraus: schwer trug, schwer trage ich an meinem Erbe – heut entäußere ich mich der Bürde mit Stolz: schon mein Vater war ein Liberaler, mein Großvater war einer!“
„Und ich habe auch keinen Ehrgeiz.“