Das Ding

Durch die wiederholte Erwähnung des Namens Thomas Oppermann in unmittelbarer Nähe der Funktionsbezeichnung Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion, erweckt der Internetdienst Google News seit Monaten den Eindruck, es gäbe in Deutschland eine Partei SPD, und diese sei mit einer Fraktion im Bundestag vertreten.

Warum tut er das? Es ist dies nämlich nicht der Fall.

Die jüngeren unter uns erinnern sich noch daran, wie sie, als sie noch jünger waren und sich nicht für Politik interessierten und allem was irgendwie mit Uncoolsein, Schnarchsackfernsehen oder bedrucktem Papier zu tun hatten, aus dem Wege gingen – wie sie schon damals nichts von oder über eine SPD gehört haben. Tatsächlich gab es damals auch schon keine SPD mehr, von der zu hören sich gelohnt hätte, und wenn sie von ihr gehört hätten, würden sie auch ihr aus dem Wege gegangen sein.

Zurecht. Nur soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, die jüngeren unter uns hätten keinen Sprung an der Schüssel. Man kann der damaligen SPD aus dem Wege gegangen sein, und trotzdem einen Sprung an der Schüssel haben.

Und den haben sie. Allerdings folgt daraus noch lange nicht, daß die älteren unter uns etwa weniger angestoßene Schüsseln hätten. Es ist schließlich kein Zeichen von Intelligenz, wenn man statt Kaffee auch Kathreiner sagen kann, statt Hartz IV Sozialhilfe, statt Arbeitslosigkeit Vollbeschäftigung, statt Schröder Adenauer und statt SPD CDU. Es ist auch kein Verdienst. Das ergibt sich einfach so mit der Zeit. Wie es sich eines Tages auch ergibt, daß man Kukident nicht mehr im diskreten Versandhandel und in neutraler Verpackung erwirbt, sondern bei Rewe aufs Band packt und „scheiß drauf“ sagt.

Und es auch so meint. Wobei: nicht alles war früher besser. Ich entsinne mich deutlich, daß hier einer rumrannte, den sie Clement nannten. Es gab Zeiten, da man kein Fernsehgerät anschalten mochte, aus Angst, er könnte drinnen sein. Meist war er’s auch. Viele der älteren unter uns haben sich damals das Fernsehen abgewöhnt. Später war er dann wieder weg, aber wir schalten den Fernseher trotzdem nicht mehr ein. Im Alter wird man ja vorsichtig.

Zurecht. Bevor man dann komplett deppert wird, jede Umsicht fahren läßt und jeden wählt, der vor der Tür steht und sagt, er heißt Philipp Rösler, und ist ein guter Freund von einem seinem Enkelsohn, der nicht persönlich kommen kann. Und ob man die 10 000 Euro Kopfprämie parat hat oder ob er mit zur Sparkasse kommen soll?

Dabei hat man gar keine Enkel. Der mit den Enkeln, das war Willy Brandt. Und dem seine heißen, laut Wikipedia, Björn Engholm, Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder, laut Spiegel Joschka Fischer. Mmh.

Tja. Da kann man sich ja froh und glücklich schätzen, enkellos geblieben zu sein. Und Willy Brandt kann froh sein, daß er schon tot war, als eines grauen Tages Joschka Fischer an seiner Tür klingelte, sagte, er sei ein guter Kumpel von Gerd Schröder, und er wolle das Geld holen.

Also das war früher besser. Unsere Großväter hatten tadellose Enkel. Joschka Fischer hat damals übrigens kein Geld gekriegt, weil Willy Brandt, wie gesagt, schon tot war, aber einen Teil von dessen Wählern hat er sich schnappen können und ist damit in die Büsche. Einen weiteren Teil hat Oskar Lafontaine sich gegriffen. Rudolf und Björn haben ihren Anteil innerhalb kürzester Zeit durchgebracht, er dürfte als futsch gelten. Und Gerhard Schröder? Tja.

Mmh. Wie nennt man das, was er mit seinem Anteil gemacht hat?

Zunächst einmal umgab er sich mit nicht ganz hasenreinen Subjekten. Neben dem bereits erwähnten Clement gab es da noch einen Müntefering, und dieser Müntefering – mein lieber Scholli! Der und der Clement und noch ein gewisser Steinmeier richteten sich ein geheimes Labor ein, in dem sie mit allerlei neoliberalen Elixieren, Gerät, Feuer und Griechisch in drei Stufen (melanosis=Schwärzung, leukosis=Weißung und iosis=Rötung) aus unedlen Stoffen sozialdemokratische Politik machen wollten.

Das klappte aber nie. Zwar haute die Schwärzung noch tadellos hin, aber die Weißung nur in seltenen Fällen und die Rötung nie. Heraus kam meistens eine unansehnliche Paste von gotteslästerlicher Farbe, die den Schröderschen Wählern auf die Haut geschmiert wurde und zu schmerzhaften Verätzungen führte. Der Müntefering besah sich den Schaden und sagte, das müsse erst wirken. In ein paar Jahren sei das dann sozialdemokratisch. Schließlich, als die Wähler immer weiter wegliefen, weil zu den Schmerzen auch noch die Juckerei kam, schmierten sie die ganze Partei damit ein, in der Hoffnung, daß viel viel und noch mehr noch mehr helfe.

Das Ding, dessen Fraktionsgeschäfte heute von jenem Thomas Oppermann geführt werden, ist das Ergebnis dieser alchimistischen Verirrungen. Es sieht ein bißchen so aus wie etwas, das besser nicht wäre, wie das Ding, das in der alten Kirche von Providence im leeren Glockenturm entdeckt wurde. Es ist stark geschrumpft, hat verschrumpelte Haut mit nässenden Falten, ist von Pusteln bedeckt und hat rote, grüne, gelbe und schwarze Furunkel. Große Wunden an den Stellen, an denen sich Grüne und Linke ihre Wähler herausgebrochen haben, sind notdürftig mit borkigem Schorf überwachsen und teilweise offen, auf der anderen Seite wuchert ein Gabriel aus der Hüfte, gestikuliert und redet in einem Tempo, daß das Ding durch den Rückstoß beständig die Richtung wechselt. Hintendran baumelt Steinmeier und schlägt dem Ding bei jedem Schritt in die Hacken. Obendrauf sitzt Steinbrück, hält den Hut an der Krempe, schießt aus der Hüfte und sagt: Laßt der Linken ihre 10%! Holen wir uns die Stimmen da, wo sie zu holen sind: bei unseren Wählern. Schulbuben haben dem Ding mit Kreide Gaspipelinekonsortiumsaufsichtsratsvorsitzendentrainingslager auf die Bollen geschrieben.

Wohin immer es sich bewegt, der Schröder rollt ihm vor die Füße. Wenn Gabriel mal fünf Minuten nicht redet, kann es Stand fassen und den Schröder aus dem Weg kicken. Aber das kommt selten vor. Und dann: wo ist der Weg? Kickt man den Schröder nicht vielleicht gerade dahin, wo man selbst einst zu gehen gezwungen sein wird? Und dann über ihn stolpert?

Schlimmer aber als Gabriels Reden ist sein Schweigen. Dann scheint das Ding noch weiter einzufallen, bewegt sich kaum mehr, holt selten Luft. Als sei aller Lebensmut aus ihm gewichen, als habe es sich selbst im Stich gelassen.

Dann muß Oppermann zur Peitsche greifen. Doch soll man dieses alte Geripp noch vorwärts peitschen wollen? Mühsam geht es; an der Ecke ein Hund schnappt nach ihm, ein Esel keilt, eine Katze faucht. Auf dem Dach sitzt der Müntefering und kräht: bringt mir den Schelm her.

Was wurde aus der SPD? Wurde sie im März 1999 von einem Meteor erschlagen? Oder hat eine Kreatur der Großen Alten sie sich geschnappt, entführt und mit Sternenweisheit gefüttert? Die Meinungen der Gelehrten und Experten gehen auseinander.

Sieht man sich das Ding genauer an, ahnt man unter dem Grind noch die Inschrift Hier können Familien Kaffee kochen. 1932 hat Kurt Tucholsky ein solches Schild an der SPD angebracht.

Trotzdem. Wir vermuten darin eine gezielte Irreführung der Wähler.

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