vorm Weihnachtsbaum, mit offenen Mündern und großen leuchtenden Kulleraugen, stehen die SPD-Politiker um das hanseatische Kasperletheater herum, und fragen sich allen Ernstes, wer ihnen diese Bescherung beschert hat: das Christkind oder der Weihnachtsmann? Nikolaus? Mama und Papa?
Fest steht: sie hatten ihre Finger nicht im Spiel. Hätten sie’s, wäre die Bühne längst umgekippt und hätte den einen oder anderen mit in den Tod gerissen. Den Finger im Mund, Schnodder unter der Nase, stehen sie da und warten darauf, das ihr Verstand erfaßt, was sich da eigentlich gerade tut.
Eben hat der gelbe Kasper auf das grüne Krokodil eingehauen und gesagt, das Krokodil wolle doch nur die günstigen Umfragewerte ausnutzen und habe deswegen dem Schwarzen Teufel die Koalition aufgekündigt. Das sei böse von dem Krokodil, böse, böse, böse, denn einen sachlichen Grund gebe es dafür nicht, und der Schwarze Teufel steht in der rechten Ecke und ruft ins Publikum, er wolle nie wieder mit dem Krokodil koalieren, nie, nie, nie wieder, denn das Krokodil sei kein verläßlicher Vertragspartner.
Die SPD zieht den Schnodder hoch, vergeblich, denn die Nase läuft gleich wieder. „Du Papa,“ fragt die SPD, „wie heißt das, was der Kasper dem Krokodil da auf den Kopf haut?“
Pritsche heißt das, und klatsch! hat das Krokodil wieder eins hinter die Löffel bekommen („Du Papa, warum hat das Krokodil keine Ohren?“ – „Wer sagt das denn, daß das Krokodil keine Ohren hat?“). „Das ist für die Machttaktik,“ sagt der Kasper zum Krokodil, klatsch!, „Machttaktik ist böse, böse, böse! Böses Krokodil!“ Klatsch!
(„Du Papa, was ist das denn, Machttaktik?“ – „Das ist was ganz Böses. Das ist etwas, was der Kasper nie tut. Das tun nur Krokodile.“ – „Und Räuber?“ – „Und Räuber.“ – „Und Teufel?“ – „Und Teu-äh, nur die schwarzen Teufel. Die roten Teufel nicht.“)
Da kommt schon Schutzmann Scholz. „Halt, stehenbleiben, Polizei!“ ruft Schutzmann Scholz, „ich beschlagnahme dieses Reittier, um auf seinem Rücken in die Bürgerschaft zu reiten und mich zum Bürgerkönig wählen zu lassen.“
„Das ist kein Reittier,“ entgegnet der Schwarze Teufel, „sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern.“
Der Teufel, schimpft der Teufel weiter, sei ein zuverlässiger Vertragspartner, immer schon gewesen. Er sei einfach zu gut und zu ehrlich für diese Welt, denn immer wieder sei er der Gelackmeierte, trete in Vorleistung, und dann liefere der Vertragspartner nicht, eine Sauerei sei das.
Derweil hängt der Rote Teufel links über die Bühnenkante, lebhaft wie ein leerer Kartoffelsack.
Da kommt der Schneidige Oskar, sieht, wie Schutzmann Scholz das Krokodil beschlagnahmen will, sieht, wie der gelbe Kasper mit der Pritsche auf das Krokodil eindrischt, sieht, wie der Rote Teufel lebhaft wie ein leerer Kartoffelsack über der Bühnenkante hängt, und hört, wie der Schwarze Teufel die Kinder fragt, ob sie ihm alle helfen wollen, den Kasper zu fangen, um auf seinem Rücken in die Bürgerschaft zu reiten und sich zum Bürgerkönig wählen zu lassen. „Nein!“ rufen die Kinder, „geh weg, du bist der doofe Teufel, wir helfen dem Krokodil!“
Und das Krokodil grinst sich eins.
„Geh weg,“ sagt Schutzmann Scholz zum Schneidigen Oskar, als der ihn fragt, ob er ihm helfen soll, den Kasper von der Bühne zu werfen. „Geh weg! Ich beabsichtige, dieses Reittier zu beschlagnahmen, um auf seinem Rücken in die Bürgerschaft zu reiten, und mich zum Bürgerkönig …“
Klatsch! kriegt er eins mit der Pritsche.
„Das ist kein Reittier, das ist mein Koalitionspartner!“ brüllt der Schwarze Teufel nun, und alle Kinder brüllen ebenfalls. „Geh weg, du doofer Teufel, geh weg, du doofer Oskar! Wir helfen dem Krokodil!“
Und das Krokodil grinst sich eins, derweil der Rote Teufel links über den Bühnenrand hängt, lebhaft wie ein leerer Kartoffelsack.
Klatsch! kriegt der Schwarze Teufel eins mit der Pritsche. „Das ist fürs Koalieren mit dem Krokodil, du doofer schwarzer Teufel!“ sagt der Kasper, und Schutzmann Scholz ruft „Halt! Wer da? Stehenbleiben! Polizei!“ und der Schneidige Oskar geht zum Roten Teufel und fragt den, ob er ihm helfen soll, wieder auf die Beine zu kommen, aber der Rote Teufel hängt nach wie vor über die Bühnenkante, lebhaft wie ein leerer Kartoffelsack.
„Wenn du mir gegen den Schutzmann hilfst, koaliere ich mit dir,“ verspricht der Kasper dem Schwarzen Teufel, und haut ihm schnell noch eins mit der Pritsche zwischen die Hörner, bevor er vielleicht mit ihm koalieren muß und nicht mehr hauen darf. Dann haut er wieder das Krokodil. „Hör auf, das Krokodil zu hauen!“ rufen die Kinder, „Geh weg du doofer Kasper!“ Und das Krokodil grinst sich eins.
„Hör auf, das Krokodil zu hauen!“ sagt nun auch der Schwarze Teufel, „ich will mit ihm koalieren.“
„Kommt nicht in Frage!“ sagt Schutzmann Scholz, „ich beabsichtige dieses Reittier zu beschlag…“
„Aber das Krokodil nicht mit dir, du dummer Teufel,“ sagt der Kasper, „werdet ihr Teufel eigentlich nie klug?“
„Dann hau weiter,“ sagt der Schwarze Teufel, „dann koaliere ich eben mit dem Roten Teufel.“
Aber der Rote Teufel hängt immer noch über der Bühnenkante, lebhaft wie ein leerer Kartoffelsack.
„Du wirst nicht weiterhauen, Kasper,“ sagt Schutzmann Scholz, deine Pritsche wird eingezogen, du …“
„Das sieht dir ähnlich, schimpft der Kasper, während er weiter auf das Krokodil eindrischt, „koalier doch gleich mit dem Schneidigen Oskar!“
„Du bist verhaftet, Kasper!“ sagt Schutzmann Scholz, und versucht, ihm die Pritsche wegzunehmen.
„Von mir aus auch das,“ sagt der Teufel, „das kommt auf die Zahlen am Wahltag an.“
„Und warum nicht mit mir?“ fragt der Kasper, der hinter dem Krokodil Deckung nimmt und von dort aus Streiche gegen Schutzmann Scholz führt.
„Warum nicht mit dir?“ fragt der Schwarze Teufel scheinheilig, denn er schleicht sich gerade von hinten an den Kasper heran, um ihm die Arme festzuhalten, damit Schutzmann Scholz ihm die Pritsche wegnehmen kann. „Ich will dir sagen, warum nicht mit dir!“
„Vorsicht, Kasper, hinter dir!“ brüllen die Kinder, und der Kasper dreht sich um, sieht den Teufel und fängt an, ihm die Pritsche überzuziehen. Schutzmann Scholz fällt auf die Nase. Die Kinder lachen und heulen zugleich: „Das gildet nicht, das gildet nicht, geh weg, du blöder Kasper, wir haben uns bloß vertan!“
„Weil du der doofe 4%-Kasper bist, darum nicht!“ sagt der Schwarze Teufel und kriegt mächtig Dresche mit der Pritsche.
Der Schneidige Oskar kommt herzu und fragt den Schutzmann Scholz, ob er ihm irgendwie behilflich sein kann. „Dazu wird es mit mir nicht kommen!“ sagt Schutzmann Scholz, und versucht, über das Krokodil zu krabbeln, und den Kasper von hinten in den Schwitzkasten zu nehmen.
Der schneidige Oskar klettert hinterdrein. „Zurück!“ sagt Schutzmann Scholz, „Sie behindern eine Amtsperson in Ausübung ihrer Amtsobliegenheiten. Ich fordere Sie auf, sich zu mäßigen.“
„Paß auf,“ sagt der Schneidige Oskar, „wir beide, und das Krokodil. Und der Rote Teufel tut auch noch mit.“
Da werden der Schwarze Teufel und der Kasper aufmerksam. „Brauchst du Hilfe?“ fragt der Schwarze Teufel den Schutzmann Scholz. „Sollen wir ihn vertrümmen?“ will der Kasper wissen. „Die Gendarmerie braucht keine Hilfe!“ erklärt Schutzmann Scholz. „Alle Anwesenden sind verhaftet! Alle bis auf das Krokodil! Das Krokodil ist beschlagnahmt. Und der Rote Teufel auch, den brauch ich als Satteldecke.“
Schwarzer Teufel, Kasper und Schneidiger Oskar sehen sich an. Der Kasper vergißt sogar, irgendwen mit seiner Pritsche zu hauen. Verhaftet? „Laßt uns mal die Kinder fragen,“ schlägt der Kasper vor, und ruft in die Menge: „Tri-tra-trullalla!“
„Hau ab, du blöder 4%-Kasper!“ antwortet die Menge.
„Wollt ihr dem Schwarzen Teufel und dem Schneidigen Oskar und mir gegen den Schutzmann Scholz und den Roten Teufel und das Krokodil helfen?“
„Nein!“ brüllt die Menge. „Wir helfen dem Krokodil. Hau ab, blöder Kasper, hau ab, blöder schwarzer Teufel, hau ab, blöder schneidiger Oskar!“
Der Kasper versucht, sich auf die Kinder zu stürzen und sie mit seiner Pritsche zu verhauen. Der Schwarze Teufel packt ihn am rechten, der Schneidige Oskar am linken Bein, und sie halten ihn, kopfüber nach unten hängend, am Bühnenrand fest.
„Und das nur, weil das Krokodil die größte Klappe von allen hat!“ faucht der Kasper, und schlägt mit der Pritsche nach den nächstsitzenden Kindern. „Und die meisten spitzen Zähne in der Klappe,“ ergänzt der Schwarze Teufel. „Und den dicksten Schwanz!“ grummelt der Schneidige Oskar eifersüchtig.
„Wir helfen dem Krokodil aber!“ grölen die Kinder. „Krokodil, Krokodil, Krokodil! Der Schutzmann Scholz soll auch abhauen. Und der Rote Teufel soll abhauen!“
Das Krokodil grinst sich eins. Am linken Rand der Bühne hängt der Rote Teufel über den Bühnenrand, lebhaft, wie ein leerer Kartoffelsack.
Selig steht die SPD, Schnotten im rechten Nasenloch und Weihnachtsleuchten im Auge.
„Du Papa, was war das nochmal: koalieren?“