Schill-Wähler geben Wahlempfehlung für SPD
In Hamburg, wo die Uhren anders gehen – halt, Moment, das war woanders, wo die Uhren anders gehen, in Hamburg ticken sie richtig, aber da regnet es immer, so war das – in Hamburg war es schon immer so, daß eine vergleichsweise hohe Konzentration von Witwen in den Blankeneser Elbvillen, eine nicht minder hohe Konzentration von Langeweile in den Witwen und eine extreme Eurodichte auf den korrespondierenden Bankkonten dafür sorgten, daß die einschlägigen Versandkataloge wie „Ist das eine gute Idee?“ oder „Ischa allns so praktisch!“, in denen lauter Sachen angeboten werden, auf die man von selber nicht käme, und die alle so praktisch sind, mit Fleiß s·tudiert werden, und daß aus deren Sortiment mit Eifer bes·tellt wird.
Alles, was so unerhört und neu ist, daß es niemand, den man kennt, in der Wohnung hat, wie etwa – naja, wie gesagt, von alleine kommt man auf sowas nicht – sowas wie – vielleicht mach ich erst mal weiter, wenn mir was einfällt, sag ich Bescheid – alles das scheint die Phantasie der Hanseatenmuttchen dermaßen zu fesseln, daß die Mahnung der Vernunft, dann werde man es wohl auch nicht brauchen, gegen den Verdacht, dann müsse es wohl etwas ganz besonders Feines sein, keine Chance hat.
Soweit so normal und nicht anders als überall anders auch. Und doch: eines ist anders dort in Hamburg. Wenn Sie und ich, wenn wir einen neuen Bundestag oder Landtag brauchen, bestellen wir die Abgeordneten ganz klassisch bei CDU und SPD, die Bessergestellten wohl auch bei der FDP, die Vegetarier bei den Grünen, und die Fünfprozentfraktile an den beiden Rändern bestellen halt das, was dort in der jeweiligen Saison zu haben ist.
Nicht so die Hamburger. Wenn Sie dort eine Partei auf den Markt bringen, die kein anderer hat, und von der kein anderer annimmt, daß er sie brauchen könnte, weil auch kein anderer zu sagen wüßte, wozu sie gut sein soll, dann kommen die Hamburger Muttchen, kucken durch ihr Lorgnon, und sagen: „Nein, ist das praktisch! Da kann man jetzt eine Partei bes·tellen, bei der kriegt man Recht und Ordnung. Das hat es ja früher nicht gegeben. Die wollen wir diesmal mal bes·tellen.“
Und dann bes·tellen sie die. Und dann geht es wie mit diesen praktischen Flaschen für Essig und Öl, die man in einem dieser praktischen Kataloge gefunden hat. Beides in derselben Flasche nämlich, und wenn Sie sie so drehen, kommt Öl raus, und wenn Sie sie so drehen, kommt Essig raus. Und das machen Sie zweimal, und dann stellen Sie sie in den Schrank, und holen sie nie wieder raus.
So geschehen mit der Schill-Partei. Bei der sollte eigentlich aus dem einen Flaschenhals Recht kommen, und aus dem anderen Ordnung, aber was raus kam, war heiße Luft aus dem einen Hals und was ganz widerliches aus dem anderen. Wenn man die von vorne ansah, sah sie aus wie ein Windhund, dem man, wenn das Schicksal einen zur Nachbarschaft verdammt hätte, den Schlüssel zur eigenen Wohnung auch zum Blumengießen nicht gegeben haben würde, und, wenn man sie von hinten betrachtete, hing ihr dort das Arschgesicht aus der Hose.
Das Arschgesicht hieß Ronald Barnabas Schill, und die Blankeneserinnen waren begeistert: sowas Praktisches! So eine gutaussehende Partie, will sagen Partei, mit Manieren und Fingenägeln, sogar mit Grübchen, und leicht derangiertem Haar, die die unappetitlichen Herren Ausländer hinten hart anzupacken versprach, während er vorne sozusagen die Hand küßte! Und das alles aus einer Hose, will sagen aus einer Hand. Das ist doch mal praktisch!
Ja, das ist praktisch, die Essig-und-Öl-Spender sind es ja auch.
Aber das Arschgesicht ist leider abgängig. Und nach dem dritten Mal kommt der Essig aus der Öltülle, und der Schraubverschluß dreht durch, und im Schrank klebt es so komisch, und riechen tut es auch. So geschehen mit der Schill-Partei. Die wird man wohl beim nächsten Mal nicht mehr wählen können. Vielleicht ließe sie sich ja noch aufarbeiten, aber ob sich das lohnt?
Aber heißt das denn nun, daß man bei „Allns so praktisch!“ nichts mehr bestellen kann? Nich doch! Wir haben uns da letztens erst einen richtig guten Ole von Beust kommen lassen, und ich muß sagen, wir waren hin und wech! So nett! Immer mit Eins·tecktüchlein. Den konnte man, wenn man Gäste hatte, und im Vestibül war es ein bißchen kahl, dann konnte man ihn dahins·tellen, und gleich war es nicht mehr so kahl. Und es hing ihm auch nichts aus der Hose, wie diesem unappetitlichen Herrn Schill! Hab ich Ihnen übrigens von dieser praktischen Käsereibe erzählt? Das muß ich Ihnen erzählen! So praktisch!
Ähemm. Kommen wir zum diesjährigen Katalog.
Die Modelle ‚Schill‘ und ‚Ole‘ sind nicht mehr so die Renner. Dieses Jahr haben wir uns auf die Tradition besonnen, und das Modell ‚Scholz‘ wieder hervorgekramt. Sie erinnern sich noch? 2001 hatten wir ‚Scholz‘ schon einmal gelauncht, damals, als abzusehen war, daß die SPD die Wahl verlieren würde, und er probierte, als Hardliner mit dem Motto ‚Krieg den Klebstoffschnüfflern, Friede den Schickeriakoksern‘ der Schill-Partei durch die Beine zu witschen und ihr so die Blankeneserinnen auszuspannen. Aber das hatte nicht geklappt. Der Relaunch soll es nun richten.
Tscha, sagt eine erfahrene Blankeneserin, die schon so manchen Besen hat kommen und gehen sehen. Neue Besen kehren ja man gut. Aber die alten, an die hat man sich ja auch gewöhnt, nich? Die wissen schon allein, wo sie hin müssen, und liegen auch gut in der Hand. An den Neuen muß man sich ja auch ümmer erst gewöhnen, und denn haaren sie auch so, manche. Dieser is ja man ’n büschen schütter vorne, und man weiß ja nich, ob er sich zum S·tubefegen so gut macht. Aber er soll man mal die Elbe ordentlich ausbaggern, da braucht er ja keine Haare für, das muß ja auch mal sein. Ich sach, wir wollen uns den mal kommen lassen. Und denn mal sehn.
Apropos sehn: wolln Sie sich mal meine neue Käsereibe ansehn?