Verbraucherschutzminister Seehofer ist in einer verzwickten Situation: einerseits braucht er seine Verbraucher, da sie der Rohstoff sind, aus denen die Lebensmittelindustrie ihre Gewinne gewinnt, weshalb er sie schützen muß; andererseits kann er sie nicht ausstehen.
Einerseits kann er nicht riskieren, daß sie ihm wegsterben, andererseits kann er nicht wollen, daß sie, indem sie sich falsch ernähren, ihm die Lobbyisten vergraulen, die er in den Jahren seiner Amtsführung richtig liebgewonnen hat.
Einerseits hat er ihnen die Möglichkeit gegeben, sowohl richtig als auch falsch über seinen richtigen Vorschlag für eine richtige Kennzeichnung von Lebensmitteln abzustimmen, andererseits haben sie diese Möglichkeit auch genutzt. Das muß schmerzen.
Nun aber soll die Vergangenheit vergessen sein, und wir alle wollen wieder nach vorn schauen: wer hat recht?
- Grüne, Linke, Verbraucherzentralen, Krankenkassen und die Mehrheit der Bürger mit ihrem falschen Vorschlag, Lebensmittel mit einem Kennzeichnungssystem für Analphabeten (und was ist mit Farbenblinden?) zu versehen, und den Verbraucher damit zu entmündigen?
- Die Nahrungsmittellobby mit ihrem Vorschlag, alles Wissenswerte zu einem Produkt in einem Booklet zusammenzufassen, das dem Produkt beigeheftet wird und den Verbraucher umfassend informiert, ihn allerdings auch fordert und ihm – gerade deshalb – als gleichberechtigtem Partner auf Augenhöhe begegnet?
- oder Seehofer mit seinem richtigen Kompromißvorschlag?
Seehofer hat recht.
Und sein Kompromißvorschlag sieht vor, dem Verbraucher weder die wertvolle Information des Booklets, noch die eigentlich überflüssige „Information“ der Ampelkennzeichnung vorzuenthalten. Statt dessen wird das Booklet um eben diese Information erweitert und – das ist das Geniale – gleichzeitig verbessert.
Wie jeder weiß oder zumindest wissen könnte, wenn er auf die Lebensmittellobby hören würde, ist ein Lebensmittel nicht als solches gut oder schlecht oder irgendwo dazwischen, sondern es ist viel komplizierter.
Es „kommt auf den Einzelfall an„, und der Einzelfall ist immer vom Verbraucher abhängig.
Wir haben es bei der Ernährung mit einem hochindividualisierten und -spezialisierten Gefüge von ineinandergreifenden Abhängigkeiten und Bedingtheiten zu tun, deren Zusammenspiel von Verbraucher zu Verbraucher so unterschiedlich ist, daß es vom Trottel zwischen den Pennyregalen sowieso nicht begriffen wird.
Bzw. bislang nicht begriffen werden konnte. Jetzt aber, dank Seehofers genialem Kompromißvorschlag, wird auch der Verbraucherpöbel wissen, welches Lebensmittel seiner ganz persönlichen Adipositas zuträglich ist und welches nicht.
Jedem Booklet nämlich wird ein Teststreifen beiliegen, welcher sich, nachdem er in den Morgenurin gehalten wurde, rot, gelb oder grün verfärbt, und so dem Verbraucher eindeutig mitteilt:
- Heute solltest du auf diesen Fettriegel besser verzichten
- Die Chips von gestern liegen dir noch quer – iß besser nur eine Tüte
- Hau rein!
Um Diebstahl dieser wertvollen Teststreifen zu verhindern, sollen die Booklets fest eingeschweißt werden. Damit wird zugleich mißbräuchliches Lesen von Informationen im Geschäft unterbunden. Dort wird gekauft und nicht gelesen.
Die Teststreifen werden während einer Übergangszeit umsonst ausgegeben, später sollen sie nach dem Vorbild der Emissionszertifikate frei gehandelt werden können.
Die Lebensmittelhersteller haben bereits ihre Zustimmung zu einer farblichen Kennzeichnung der Teststreifen signalisiert, die ihnen beim Kauf die Orientierung erleichtern soll:
- grün für Teststreifen, die sich immer grün verfärben
- gelb für Teststreifen, die sich immer gelb verfärben
- rot für Teststreifen, die tatsächlich funktionieren.