Offener Brief

an die
Doofmänner
-daselbst-

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Doofmänner!

Ihr habt Euch, wie die für Euch zuständige Presse übereinstimmend berichtet, entschlossen, dafür zu sorgen, daß die Welt eine bessere werde, indem Ihr sie anzündet. Einer muß es ja mal machen, werdet Ihr Euch vielleicht gedacht haben, und vielleicht habt Ihr außerdem auch noch gedacht, die vielen Generationen vor Euch hätten einfach den Arsch nicht in der Hose gehabt, den Ihr habt. Denn die Tatsache, daß die vielen Generationen vor Euch in vielen Generationen nicht geschafft haben, was Ihr Euch bis Totensonntag zu schaffen vorgesetzt habt, muß ja irgendwie wegerklärt werden.

Liebe Doofmänner, Ihr solltet – mein Rat – bei Gelegenheit in Eure Hose schauen und Euch Eures Arsches vergewissern; mein Tip ist, daß er offen steht. Er steht offen, weit offen, da wette ich für.

Es ist richtig: der Krieg in Afghanistan ist 10 Jahre alt geworden, hat einen großen Kuchen bekommen und hat es geschafft, alle 10 Kerzen auf einmal auszupusten. Tüchtiges Kerlchen. Nächstens wird er ins Flegelalter kommen.

Und es ist auch richtig: neben den ICE- und S-Bahntrassen verlaufen Schächte, in denen Kabel liegen, die man braucht, wenn man Signale und Weichen stellen will. Auch richtig: wenn man diese Kabel verbrennt oder in die Luft sprengt oder an Kabeldealer verhökert oder durchnagt, dann können die Signale nicht mehr so ohne weiteres geschaltet werden. Man muß dann Läufer schicken oder Kradmelder.

Soweit alles richtig. Falsch hingegen: nur weil es in Berlin nicht genügend Schächte gibt, in denen die Kabel bereits verbrannt wurden, nur deswegen könnte in Afghanistan Krieg geführt werden. Es hat dies beides nur insoweit miteinander zu tun, als es zur gleichen Zeit auf ein und demselben Planeten stattfindet, eine eher lose Connection. Ihr könntet ebensogut behaupten, die Existenz von Hundekot auf Berlins Trottoirs rühre daher, daß zuwenige von Euch über die Kastanienallee marschieren und den Leuten in den Kaffee spucken. Geht hin, Doofmänner, und probiert es aus, spuckt: er wird nicht weggehen, der Kot.

Er wird nicht einmal weniger werden.

Obwohl ich die Wahrscheinlichkeit, daß Spucke im Kaffee Hundekot verschwinden läßt, für etwa dreimal so hoch halte, wie die Wahrscheinlichkeit, daß Eure dusseligen Aktionen den Krieg in Afghanistan – oder irgendeinen anderen Krieg – für zwei Pfennig (eine ältliche Münze, etwa so alt und wertlos wie Eure Rezepte) irritieren. Denn im Gegensatz zu Euch hat der Krieg tatsächlich einen nennenswerten Arsch in der Hose, auch wenn er erst 10 ist, und Ihr schon im Flegelalter.

Niemand – wenn Ihr mir einen Moment lang erlauben wollt, philosophisch zu werden – niemand täuscht sich so gerne über die Dimension des Arsches in seiner Hose hinweg, wie der Träger der Hose. Ihr seid da nur die derzeit letzten in einer langen Reihe von Hosenträgern. Vor meinem inneren Auge paradiert eine endlose Reihe von Hosen- und Rockträgern, die alle geglaubt haben, ihr Arsch sei es nun aber wirklich, aber es war nie was damit. Der Arsch des Krieges hat sie alle plattgesessen.

Nicht, daß ich Euch mutlos machen wollte. Mal sehn, was könnte ich Euch denn als Ersatz anbieten? – Habt Ihr es schon mal mit Geißlerprozessionen versucht? Nein? Wollt Ihr auch nicht? Ihr meint, der Krieg würde sich davon kaum beeindrucken lassen? – Nicht doch! Seid realistisch, fordert das Unmögliche!

Nun aber zu meinem eigentlichen Anliegen: ich würde heute gerne pünktlich Feierabend machen. Erstens sowieso, und dann ist ja heute abend Stammtisch im Pilgrimhaus, und da komme ich immer ganz gerne pünktlich. Unser Stammtisch nämlich ist ein globalisierungskritischer Stammtisch, ein kapitalismuskritischer Stammtisch auch, und nicht zuletzt ein kriegsächtender Stammtisch. Wir versuchen seit Jahren, den Kapitalismus zu bekämpfen, indem wir ihn schneiden und so tun, als kennten wir ihn nicht. Ich glaube auch zu bemerken, wie er langsam unsicher wird, der Kapitalismus. Doch, bestimmt.

Aber heute abend müssen wir darüber abstimmen, ob wir uns als Donnerstagsstammtisch an den Occupy Aktionen beteiligen wollen. Während Gero – aber das ist halt Gero! – für Occupy Käsdorf plädiert, sind die meisten für Occupy Pfaffenacker, damit sie es nicht so weit haben. Nur Germanistenfuzzi und ich favorisieren Occupy Pilgrimhaus, denn dann können wir gleich sitzenbleiben.

Ihr seht, es geht um einiges. Und da hätte ich gern darum gebeten, daß die Züge heute abend mal pünktlich sind. Läßt sich das machen? Vielen Dank vorab!

Radagast

P.S. Eines aber, Doofmänner, muß man euch lassen: es hat keine zwei Tage gebraucht, bis die Lautsprechertanten im Bahnhof plötzlich bereit waren, uns Fahrgäste unaufgefordert und regelmäßig über das Ausbleiben der Züge zu informieren. Sie tun das nicht gerne, und schon gar nicht gerne rücken sie mit Gründen für die Verspätungen raus. Nun aber heißt es, und die Schwellkörper in der Stimme sind nicht zu übersehen: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Doofmänner, aufgrund von Verspätungen infolge Vandalismus‘ usw. usw.“, als wüßten sie sich nicht zu lassen vor Stolz, daß es diesmal, dies eine Mal, nicht die Bahn war, die den Dreck am Stecken hat.

Sondern Ihr.

Vielleicht seid Ihr ja doch zu etwas gut.

Ein Kommentar zu “Offener Brief

  1. Friederich sagte am 13. Oktober 2011 um 13:56:

    Na bitte, G.E.H.T. doch. Geht doch ganz hervorragend. Einfach von vollen Kanälen fernhalten, und schon kommen da bestens lesbare Artikel zustande.


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