Heute: das Urgestein.
Das Urgestein ist eigentlich nichts besonderes, nichts anderes jedenfalls, als jeder andere Geschiebemergel auch. Es tut nichts, nichts böses, nichts aufregendes, nichts überflüssiges. Es liegt nur da und west, schiebt ein bißchen und mergelt, wird geschoben, wird gemergelt, und eines schönen Tages ist es soweit, die Presse kommt daher und nennt es: Urgestein.
So zum Beispiel – vor 2 Stunden gefunden: Erich Bitter, das Urgestein unter den deutschen Kleinserienherstellern. Nur einer von 707, die das Schicksal vereint, im letzten Monat von irgendeinem Urgestein des Phrasendruschs zum Urgestein gemacht worden zu sein.
„Urgestein,“ schreibt Wikipedia, das Urgestein der klaren Definition, „ist ein Begriff, der wissenschaftlich nicht klar definiert ist.“
Klare Definition, das. Wobei Wikipedia aber schon einmal die Richtung vorgibt, in der es sich weiterzuforschen lohnt, indem es das Urgestein mit dem Platzhirschen (ebd.) zusammensperrt. Sollte das Urgestein männlich sein?
„Urgestein, das sind fünf Musiker,“ nämlich Sep, Maxl, Rainer, Foffi und Hannes, heißt es auf der Urgestein-Homepage, und das spricht ja nicht unbedingt dagegen, wenn es auch mit dem Thema nur am Rande, nämlich praktisch nichts zu tun hat. Aber verweilen wir doch noch ein Weilchen im Vorwissenschaftlichen:
Noch keine 15 Minuten vergangen, und schon fällt das norddeutsche Urgestein Carlo von Tiedeman in den Werre-Park Bad Oeynhausen ein. Der ist eindeutig männlich, denn er hat einen Schnauz und war schon mal im Stimmbruch. Ich weiß zwar nicht, ob die Urgesteine der Genderforschung den Stimmbruch heutzutage noch als irgendwas für irgendwas gelten lassen, aber da müssen sie jetzt mal durch.
Erst 32 ist Greuther Fürths Daniel Felgenhauer, aber seit 12 Stunden bereits Urgestein auf bild.de, und, so er nicht in der Damenmannschaft Urgestein spielt, ebenfalls männlich, wie auch der knapp doppelt so alte Trainer der „Eisbären“, die, ebenfalls laut bild.de und ebenfalls vor 12 Stunden gefunden, demnächst in der O2 World – was immer das ist und wo immer das ist – Eishockey spielen sollen.
Eishockey „ist so ein Pöbelsport, wo man unter den Achseln schwitzt“ (Dieter Hildebrand), also männlich. Überhaupt haben es die Sportjournalisten mit dem Urgestein, z.B. die von RP ONLINE, wenn sie über die Entscheidung des Sparkassen Giro – Radrennens in Geldern berichten, oder das Urgestein der SG Unterrath nach Heiligenhaus holen lassen.
Aber auch die Feuilletonisten können’s: der MDR entläßt den Kabarettisten Christian Becher in den Ruhestand, hiphop.de kennt ein Hiphop-Urgestein, das „sich für 50€ bereit erklärte, während seiner Hauptbühnen-Moderation einmal laut „Hiphop.de“ zu sagen. Ein erhebender Moment„, wie man sich denken kann, aber ist das Gestein männlich? Oder haben weibliche Hip-Hopper alle ein Lady-Bitch-Präfix vornedran?
50 Jahre Bossa Nova feiert die ZEIT „mit der Grand Dame Leila Pinheiro (Gesang und Klavier) und dem Urgestein Roberto Menescal (Gitarre)“ – a-hà! Es scheint, die Grand Dame entspricht funktional dem Urgestein, ist bloß gendermäßig andersrum, obwohl man sie dann auch „Grande Dame“ schreiben könnte, um ganz sicherzugehen.
Nun aber, bzw. bereits vor 23 Stunden, „erzwingen die Grünen eine Endlos-Debatte“ auf WELT ONLINE. Mit von der Partei, pardon, mit von der Partie: „Grünen-Urgestein Barbara Rütting“.
Ach du Schande! Was denn jetzt? Hätte es eine „Grande Dame der Versammlungsfreiheit“, eine „Grande Dame des Tierschutzes“, eine „Grande Dame der vollwertigen Ernährung“ und eine „Grande Dame der unter die Politikerinnen gegangen Grandes Dames des Schauspiels“ nicht auch getan? wäre nicht wenigstens eine „Platzhindin“ drin gewesen? Mußte man mir derart in die Suppe spucken, daß es mir meine ganze schöne Theorie zerhaute?
Das waren noch Zeiten, als mir keine Springerpresse ins Haus gekommen wäre. Ich hätte dabei bleiben sollen.