R.O.T.S.P.O.N. – Der volle Kanal

„Wer fürchtet sich vorm schwarzen Jan?“
„Niemand!“
„Wenn er aber ko-hommt?“
„Dann saufen wir!“
Pausenhofamusement der Käsdorfer Schuljugend.
Die Kinderschreckfigur „Schwarzer Jan“ geht wahrscheinlich zurück aufs Mittelalter,
als man die todbringende Pest
personalisierte und so bezeichnete.

Anders heute. Heute bezeichnet man den „Schwarzen Jan“ als eine Pest.

Und zwar als Montagspest (pestilentia diei Lunae).

Heutigen Montags hat der schwarze Tod es auf seine Schwester Alice (Schwarzer) abgesehen, wer kennt sie nicht, die Blonde aus der Pißpottpressenwerbung und der Fernsehsendung „Pssst!“. Was hat sie ihm getan?

Perfide wie er ist, lobt der Schwarze Jan Frau Schwarzer, womit er, so spekuliert er nicht zu Unrecht, ihrer Reputation schweren Schaden tut. Man stelle sich nur mal vor, die Cholera würde sich vor 120 Jahren ähnlich lobend über die hygienischen Verhältnisse in Hamburgs Gängeviertel geäußert haben, dann hätte das aber seinen Ruf weggehabt. Frage: warum tut er das? Was kann Frau Schwarzer getan haben, das eine solche Strafe verdient hätte?

Antwort: warum fragen wir ihn nicht selbst?

Seit Alice Schwarzer in Köln Quartier bezog und von dort ihre „Emma“ in die Republik zu verschicken begann, dürfen einmal nicht nur Frankfurt oder Berlin als Ausgangspunkt einer Befreiungsbewegung gelten.


Mal beiseite gelassen, warum München als Hauptstadt diverser Bewegungen hier außen vor bleiben muß – das kann damit zu tun haben, daß Bayern für den Hamburger Pestfloh (pulex cheopis) schon viel zu italienisch ist – sich in Köln niederzulassen, freiwillig, ohne Not, ohne von dunklen Mächten dazu gezwungen oder, wie die Gebeine der heiligen drei Könige, gar nicht groß gefragt, sondern einfach hineingetragen worden zu sein und gut war’s, ist natürlich ausreichend. Fragen Sie irgendeinen Düsseldorfer, oder fragen Sie mich. – Sie fragen mich? – Das ist ausreichend.

Oder sagen wir: es wäre ausreichend. Denn Frau Schwarzer ist ja nicht in Köln geblieben. Der Verfasser erinnert sich noch gut, eines samtenen Morgens in Düsseldorf aus der U-Bahn gekrochen zu sein, bei Ahnung der ersten Sonnenstrahlen Brüder zur Sonne gepfiffen zu haben, frohgemut die Treppen hinaufgesprungen zu sein und endlich den Kopf über die oberste Steinstufe geschoben zu haben. Nur um dort oben vier Frauenbeine übers Pflaster anmarschiert kommen zu sehen, die dort Seit‘ an Seit‘ schritten, und von denen zwei Frau Schwarzer gehörten und zwei einer – tja, wird wohl eine Bekannte von Frau Schwarzer gewesen sein, und der Verfasser erinnert sich, auf dem Absatz kehrt gemacht zu haben und die Treppe wieder hinunter gefallen zu sein, wobei ihm das Pfeifen im Halse steckenblieb.

An den Rest des Tages hat der Verfasser keine Erinnerung. Rotspon? In Düsseldorf? – Kaum. Dort trinkt man Altspon.

Der Punkt ist: sie ist niemals ausschließlich in Köln ansässig geblieben, sondern hat sich in der Welt umgeschaut. Sie hat sich sogar – als Kölnerin – nach Düsseldorf getraut. Mit anderen Worten: Frau Schwarzer muß eine mutige Frau sein. Das ist eine positive Eigenschaft. Das kann man ihr nicht vorwerfen. Sie muß also etwas anderes auf dem Kerbholz haben, wenn der Pestbolzen sie so verfolgt. Frage: was?

Antwort: warum lesen wir nicht einfach weiter?

Sie hat sich nie das Maul verbogen, auch wenn es um den Teil des politischen Spektrums ging, der sich selbst als progressiv empfand.

Sie hat sich allerdings, muß man gerechterweise sagen, das Maul überhaupt niemals verbogen – wenn Maul hier der richtige Ausdruck ist, und wenn man bei einer Dame nicht lieber von einer Schnute reden sollte – auch dann nicht, wenn es nicht gegen den Teil des politischen Spektrums ging, von dem der Floh meint, daß er der Teil des politischen Spektrums ist, der erwartet, daß man sich das Maul verbiegt, wenn es um ihn geht. Ihr Motto war immer: mit der Schnute durch die Wand. Am liebsten dort, wo sie am dicksten ist. Viel Kalkstaub, viel Ehr. So wie Orpheus Felsen zum Weinen bringen konnte kraft seines Gesanges, so kann Frau Schwarzer kraft ihrer Schnute Kalksandsteinwände in Grund und Boden quatschen. Und Klinkerwände zum Heulen bringen. Aber ist das ein Verbrechen, für das sie nun zur Rechenschaft gezogen werden müßte?

Das ist das Vergehen, für das sie nun zur Rechenschaft gezogen wird.

Echt? – Ich hätte angenommen, daß sie mindestens ein Kreuzfahrtschiff auf dem Gewissen haben müßte. Oder daß sie vielleicht heimlich sogar Italienerin wäre. Französin ist sie ja sozusagen schon halb und halb. Jedenfalls hat sie Simone de Beauvoir gekannt, und vielleicht bewundert, oder beneidet, denn Beauvoir war zweifellos die größere Feministin, aber Beauvoir hatte auch Sartre. Denn wie hinter jedem großen Mann immer eine Frau steht, so sollte hinter jeder großen Feministin ein Mann stehen, der das, was sie sagt, gleichsam absegnet und ihm Gewicht verleiht, indem er zuläßt, daß sie es sagt. Man muß bedenken, daß zu Beauvoirs Zeiten ein Ehemann noch sein Einverständnis geben mußte, wenn seine Frau Feministin werden wollte.

Schwarzer aber hatte niemanden, von einer kurzen Affäre mit Udo Jürgens einmal abgesehen, der aber auch nicht das Gewicht eines Sartre auf die Waage bringt, eines Mannes, der immerhin mit der großen Simone de Beauvoir liiert war, was Jürgens nicht war. Da schließt sich der Kreis. Schwarzer versuchte dennoch, mit dem Buch „Der kleine Unterschied und seine großen Schwestern“ an die Erfolge von Simone de Beauvoir anzuknüpfen, so wie Gunter Gabriel an die von Johnny Cash. Später wurde das Buch bei 2001 im Bundle mit Anaïs Nin und Sex Tips for Girls verramscht, und stand jahrelang in jeder besseren WG auf dem Ivar Regal im Flur vor dem Berliner Zimmer. Es gab seinerzeit noch keine Kindles, die den Vorhang der Barmherzigkeit vor die pubertären Lektüresünden ziehen, und die Altbauflure hatten was auszuhalten.

Daß man Schwarzer das Buch nach all den Jahren noch immer so übel nehmen müßte, daß man ihr die Pest an den Hals wünscht, halte ich jedoch für rechtsirrig. Im Gegenteil: wer das Buch je las, und wer selbst als kleiner Bruder großer Schwestern aufgewachsen ist, der ward dessen Helden, dem „Kleinen Unterschied“, von Stund an gut und konnte dem Schlingel einfach nichts übel nehmen. Das hat mit ihrem Singen die Alice S. getan.

Frage daher nochmal:

Was also hat Alice Schwarzer sich zu Schulden kommen lassen?

Genau. Antwort: tja.

Vielleicht hilft folgende kleine Anekdote weiter, und wenn nicht, so ist sie doch amüsant zu lesen. Ich sage nur: Paris! Ooh là là! Voilà:

„Ich weiß noch, wie ich das erste Mal im Frauenzentrum saß“, berichtete sie kürzlich im SPIEGEL über ihre Rückkehr 1974 aus Paris: „Da hob eine Frau zwei Hände. Ich fragte, warum hebt die denn zwei Hände? Da hieß es: Meldung zur Geschäftsordnung. In Frankreich hatte man einfach lauter geschrien als die anderen, wenn man was sagen wollte. Jetzt ermahnte mich die Protokollführerin: Setz dich, du bist noch nicht dran. Da dachte ich, nein, Mädels, das mache ich nicht mit, ich lasse mir nicht das Denken verbieten.“

Ja, hahaha, köstlich! – Das gute alte Denkverbot! Die Angst davor, sie wächst reziprok zur Gefahr, von ihm betroffen zu sein. Aber – es hat sich da natürlich ein Fehler eingeschlichen, es darf nicht heißen: „ich lasse mir das Denken nicht verbieten“, es muß heißen: „ich lasse mir die Schnute nicht verbieten“, denn die Pariser Genossen pflegten ja zur Geschäftsordnung nicht zu denken, sondern zur Geschäftsordnung zu reden, und zwar so zu reden, wie die Pariser Genossen auch zu parken pflegen, mit Händen und Füßen. Und wenn der Gegner im Nahkampf nicht freiwillig Platz macht, wird er geschoben.

Das ist ein kleiner Unterschied. Allerdings mit großen Folgen. Im Falle der Alice Schwarzer hat er dazu geführt, daß sie sich, bei solchen Parkgewohnheiten, nur in Köln niederlassen konnte, links des Rheins, in – cum grano salis – Frankreich, dort, wo et kütt wie et kütt äwer noch immer joot jejange hät. Anderswo hätten die Calvinisten sie zur Stadt hinaus geprügelt.

Aber hat einer, der zurecht aus einer Stadt heraus geprügelt wird, es auch verdient, daß ihm der Pesthauch aus Hamburg ins Gesicht weht? Oder muß sich eins dazu über die Blut-und-Boden-Fraktion der Grünen lustig machen und deren „Strickmütter“, die mit dem, wofür „Emma“ steht, „nämlich totale Chancengleichheit, gleiche Rechte, gleiche Pflichten, noch nie etwas anfangen konnten“. Muß eins dazu die „Anything-goes-Moral“ der Linken attackieren und den „Kulturrelativismus“, der die systematische Entrechtung von Frauen in der islamischen Welt als Teil einer religiösen Tradition wegzuerklären versucht? Ist es das?

Sie hat sich früh über die „Blut-und-Boden-Fraktion“ der Ökopartei lustig gemacht und deren „Strickmütter“, die nach ihrer Ansicht mit dem, wofür „Emma“ steht, „nämlich totale Chancengleichheit, gleiche Rechte, gleiche Pflichten, noch nie etwas anfangen konnten“. Sie hat die „Anything-goes-Moral“ der Linken attackiert und den „Kulturrelativismus“, der die systematische Entrechtung von Frauen in der islamischen Welt als Teil einer religiösen Tradition wegzuerklären versuchte.

Denn entweder ist etwas Teil einer religiösen Tradition, oder es ist systematische Entrechtung. Es kann nicht beides sein. Systematische Entrechtung aber kann nur durch systematische Entrechtung wieder gutgemacht werden, so wie Blut nur mit Blut abgewaschen werden kann. Wenn einer von der Pest befallen ist, erklärt man die Beulen auch nicht mit religiösen Traditionen weg – obwohl die Pest aus der religiösen Tradition des Abendlandes schier nicht mehr wegzudenken ist – sondern man gibt den Pestkranken dem erstbesten Pestkarren mit.

So auch mit der systematischen Entrechtung von Frauen: man kann sie nur bekämpfen, indem man die Frauen entrechtet.

Ein Beispiel: als seinerzeit Alice Schwarzer einer Emma-Mitarbeiterin gekündigt hatte, die mit dem Publizisten Henryk M. Broder eine Liaison eingegangen war, weil eine Frau nicht bei Emma arbeiten und gleichzeitig „die Geliebte eines militanten Juden“ sein könne, also untragbar war, da geschah dies nicht aus religiöser Tradition; obwohl die religiöse Tradition hierzulande ohne den Antisemitismus nicht das wäre, was sie ist. Nein, es geschah, um der zu erwartenden systematischen Entrechtung der Mitarbeiterin in der Mesalliance von vornherein zu wehren und der Frau zu verbieten, sich die Freiheitsrechte von einem Mann beschneiden zu lassen. Und wenn Alice Schwarzer heute dafür eintritt, Frauen – nicht Männern, Männer werden nicht entrechtet – Frauen die Burka oder wie die Dinger alle heißen, zu verbieten, so ist das nur konsequent: dem bloßen Auge erkennbar ist die Burka unter den Anziehsachen das, was Broder unter den Publizisten ist: Kutte des Grauens. So wie seine Pestilenz Jan Fleischhauer für den Journalismus das ist, was ein eleganter, italienischer Stöckelpumps mit abgebrochenem Pumpsstöckel im Reich der Schuhe darstellt: bella figura, sehr glatt, sehr shiny, aber völlig unbrauchbar. Man kann keinen Schritt damit tun.

Mit anderen Worten: hinter Alice Schwarzer stand kein großer Mann, sondern eine große politische Idee, eine Idee mit dem Namen »Ich«. Hinter Alices Schößlingen aber, hinter der Nachgeburt, den Afterfeministinnen, steht nichts mehr.

Den modernen Feminismus, wie ihn die Nachfolgegeneration verkörpert, treibt keine politische Idee mehr.

Sag ich doch. Hab ich das nicht gerade gesagt? Gerade eben habe ich das gesagt! Es besteht keine Notwendigkeit, mir ins Wort zu fallen.

Entschuldigung.

Bitte. – Hinter dem modernen Feminismus steht nämlich ein »Wir«. Von den schwarzerkritischen Sozen (»Wir Frauen in NRW« (H. Kraft)) über die schwarzerfeindlichen Grünen (»Wir Grünen Frauen« (FrauenForum Düsseldorf)) bis hin zu den schwarzernahen Schwarzen (»Präsident Sarkozy und Ich« (A. Merkel), »Mein Mann und ich« (K. Schröder), »Ich, Ich, Ich« (U. v.d. Leyen)), die jungen Frauen haben ein praktisches Verhältnis zur Theorie. Anything Goes.

Wenn das auch nicht die unmittelbare Schuld A. Schwarzers ist, so stellt sich doch die Frage: können wir es ihr anhängen?

Sischer dat! Man kann jedem alles anhängen. Aber wäre es gerechtfertigt? Erklärte das den pathologischen Haß des Schwarzen Todesflohs auf sein Opfer, daß er es in der Öffentlichkeit herabsetzt, indem er es in Schutz nimmt? Das ist doch die Frage!

Ach, das ist die Frage?

Ja. Und die Anwort ist: nein. Es gibt nur eine einzige Erklärung für den krankhaften Haß dieser schwarzen Pestblase: er ist Angstbeißer. Wie so viele Männer hat er Angst vor Frauen, starken Frauen zumal, und ist in ihrer Gegenwart unberechenbar. Für seinesgleichen haben wir die Frauenhäuser erfinden müssen. Ich, wenn ich A. Schwarzer wäre, ich möchte ihn aus der Bannmeile meines Frauenhauses entfernen lassen haben.

Aber ich bin nicht A. Schwarzer.

Wenn ich es wäre, würde ich es anders gemacht haben als sie. Ich würde versucht haben, den Erstlingserfolg vom Kleinen Unterschied auszuschlachten, nach dem Vorbild der Schulmädchenreports, mit „Der Kleine Unterschied 1 – Was Frauen nicht für möglich halten“ über „Der Kleine Unterschied 2 – Was Frauen den Schlaf raubt“ bis hin zu „Der Kleine Unterschied 13 – Worüber Frauen sich ausschütten möchten vor Lachen“.

Hehe! Gut wäre auch: „Der Kleine Unterschied und die Kammer des Schreckens.“ Oder aber Bücher wie „Des Kleinen Unterschieds Lehr- und Wanderjahre“, „Der Kleine Unterschied kann brauchen, was er gelernt hat“.

Ich glaube, ich hätte es doch nicht gemacht. Wahrscheinlich hätte ich mich nicht entscheiden können.

Die Kommentarfunktion für diesen Post wurde deaktiviert.

Navigation