Der Vorsitzende des Käsdorfer Donnerstagsstammtisches, Gero, hat sich vehement dagegen verwahrt, daß „von interessierter Seite“, „linken Betonköpfen“ und „180%igen“ gegen die Familienministerin und deren Versuche, Linksradikalismus und Islamismus mit Hilfe von ministeriell geförderten Sauftouren nach Berlin schon in der Wiege zu würgen, gehetzt wird. „Von der taz und von … von …, na jedenfalls von der taz. Das ist unklug. Kontraproduktiv. Ich rate ab!“
Erstens sei solche Hetze selten wirkungsvoll. „Ich bitte Sie! Lassen Sie sich gern hetzen? Haben Sie nicht auf Arbeit ein Schild an der Wand hängen: ‚Wir sind hier bei der Arbeit und nicht auf der Flucht!‘ – Na, sehn Sie!“ Und zweitens: wer sage denn, daß die ganzen anti-linksradikalen Projekte, wie die Junge Union, wie die Jungen Liberalen, wie die Junge Freiheit – wer sage denn, daß die alle wirkungslos seien? Sie seien zwar wirkungslos, aber die Frage sei doch: sage das einer? Na also.
Gewiß seien die Fördermittel zum Fenster hinaus geworfenes Geld, aber sei zum Fenster hinaus geworfenes Geld etwa verloren? Das komme doch wohl ganz darauf an, wer es dort finde. Und wenn es die Junge Union sei! Was schade das schon? Fünf Minuten später sei das Geld dort, wo es hingehöre, bei den Wirten.
„Es besteht keine Notwendigkeit, wiederhole: keine Notwendigkeit, den Alkohol, die Tatsache, daß innerhalb eines kapitalistischen Verwertungskreislaufes der Alkohol natürlich einen gewissen Tauschwert hat, bevor er getrunken wurde – und im Falle bewirtschafteter Toiletten auf geringerem Niveau auch hinterher -, und die gute alte sozialdemokratische Tradition, ausgesuchten Multiplikatoren den Tauschwert aus dem Staatshaushalt zu erstatten, damit sie die aufgewühlten Massen sedieren, zu denunzieren. Keine Notwendigkeit.“
Das Saufen als solches sei keineswegs unpolitisch, sondern implizit antiislamistisch. Das sei schon mal die halbe Miete. Und es gebe hier, ganz in der Nähe, vor den Toren der Stadt, nein, Quatsch! – innerhalb ihrer Tore, eine sehr angesehene und auch sehr wirkungsvolle, vom Bürgersinn beseelte Initiative von hohem Wirkungsgrad, Donnerstagsstammtisch genannt. Konservativ sei sie auch, „indem daß Germanistenfuzzi Mitglied bei uns ist, und der ist in der CDU. Sagt er jedenfalls, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, denn ich kenne ihn seit Sandkastentagen, als er mir verraten hat, daß unter dem Sandkasten ein Topf mit Gold versteckt ist.“
Sie hätten den Topf damals zwar nicht gefunden, aber das sei den übereifrigen Müttern geschuldet, die die beiden Schatzgräber vorzeitig zum Abendessen befohlen hätten, ohne vernünftiger Argumentation zugänglich zu sein. Darum, mit einem prominenten CDU-Mitglied im Kader, wolle sich der Donnerstagsstammtisch beim Familienministerium um Förderung bemühen, denn es sei ja keineswegs gleichgültig, aus welchem Fenster die Fördermittel geworfen würden; es verlange dies kluge Steuerung. Befürwortet werde der Antrag von der Käsdorfer Mittelstandsinitiative, deren Vorsitzender, der Wirt des Pilgrimhauses, Louis, sich seit Jahren bemühe, die Wirtschaftskraft des Standortes Käsdorf nachhaltig zu stärken. Der Donnerstagsstammtisch, der Louis freundschaftlich, dem Pilgrimhaus im Rahmen der supply chain solidarity partnerschaftlich und der lokalen Mittelstandsförderung ideell verbunden sei, „lobt dies und rät zu.“
Der taz hingegen empfehle der Donnerstagsstammtisch „nicht so laut!“ zu sein. Ein Kaff wie Käsdorf, in dem es praktisch keinen Linksradikalismus gebe, in dem das Linksradikalismusähnlichste, was es vermöchte, der Konfirmandenunterricht sei, welcher aber erfahrungsgemäß folgenlos bleibe, ein solches Kaff hätte niemals die Chance, Ministeriumsknete abzuziehen, gäbe es „die Blonde mit den gebügelten Haaren nicht.“ Nur ein Ministerium, das in der Lage sei, hinter jeder mißgeschnittenen Hecke, hinter jedem illegal im Wald verklappten Grünschnitt und hinter der Rasenmahd nach 19 Uhr die Fratze des Linksradikalismus zu entdecken, nur ein solches Ministerium sei auch in der Lage, den Donnerstagsstammtisch mit guten deutschen Euros zu versorgen.
„Wollt ihr, daß auch diese Euros noch nach Griechenland gehen? Wollt Ihr das?“ fragt Gero (rhetorisch) Richtung taz. Man mache sich da nichts vor. Zwar seien auch diese Euros (die nach Griechenland abgängigen) fünf Minuten später via Zinszahlung wieder retour in Deutschland, wo sie hingehörten, aber keineswegs etwa in Käsdorf. Und bevor sie dort ein zweitesmal ausgegeben werden könnten, müsse man sie erst mühsam wieder herbeisteuern.
Da lobe er sich doch ein hübsch antiantiimperialistisches Projekt wie den Donnerstagsstammtisch. Schön bei Louis im Warmen sitzen, am gescheuerten Tisch; Christa, Louis‘ Tochter, falte im voraus Servietten für die Konfimationsessen und der Stammtisch lese die Klassiker, singe Ça Ira, fette die Guillotine, zähle die Munition und putze die Musketen. Und das Ministerium zahle das Bier. Dafür lohne es sich doch, Bürgersinn zu zeigen.
„Und wir garantieren auch, daß in Käsdorf kein Linksradikaler seine Nasenspitze über die Eingangsschwelle des Pilgrimhauses steckt,“ sagt Gero, „nicht, solange ich nicht offiziell das Zeichen zum Aufbruch gebe.“
Wer es eilig habe und vor der Zeit nachhause wolle, könne die Hintertür nehmen.