In Deutschland, das ist unbestritten, denn es gibt niemanden, der es bestreiten würde, weil es auch niemanden gibt, der es behauptet, gibt es zuwenig Hirntote. Hirntote sind Leute, die ihre Organe zu Transplantationszwecken an die Transplantationsbörse bringen, bzw. umgekehrt: Vorraussetzung für eine Registrierung an der Transplantationsbörse ist der Hirntod. Ohne Hirntod können die wertvollen Organe nicht in den Handel gelangen, was schade ist, denn die Nachfrage ist groß. Die Transplantationsindustrie läuft untertourig. Das kann einer Regierung nicht egal sein.
Zwar steigt die Zahl der Menschen, die bereit sind, der Börse ihre Organe zur Verfügung zu stellen, aber das allein genügt nicht. Sie müssen darüber hinaus auch hirntot sein. Und da liegt die Crux begraben: wann ist einer hirntot? Es ist nicht so einfach FESTZUSTEllen.
Pardon, ich war an die Feststelltaste geraten.
Die Regierung will es sich nun einfacher machen: die Krankenkassen sollen es rauskriegen. Sie sollen die Versicherten alle naslang anschreiben und fragen, ob sie schon hirntot sind oder nicht. Versicherte sind Leute, die über ein Depot mit börsenhandelsfähigen Organen verfügen. Ziel der Aktion ist es zwar nicht, den Versicherten zur Aufgabe seines Depots zu zwingen, Ziel ist es aber, daß jeder Versicherte wenigstens einmal im Leben darüber nachdenkt, welche Werte er mit da ständig mit sich herumträgt.
Die ihm aber gar nicht gehören. Denn sein Leben ist ihm nur geliehen, unverfügbar im Urgrund allen Seins wurzelnd, wie auch sein Körper und sein Depot. Daher verfügt er auch über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Organe in seinem Depot nur temporär, denn nach seinem Hirntot gehört es rechtens wieder der Ethik-Kommision der Bundesregierung, dem Urgrund aller Moral.
Ein Zwang zur Antwort ist aber dennoch nicht vorgesehen. Die Regierung setzt auf die sogenannte Zustimmungslösung, bei der der Versicherte solange genervt wird, bis er entweder hirntot ist oder wenigstens sagt, daß er hirntot sei. In dem Fall wird davon auszugehen sein, daß er die Wahrheit sagt.
In anderen Ländern, in denen teilweise andere Sitten herrschen, gibt es die Unsitte der Widerspruchslösung. Bei der wird davon ausgegangen, daß der Versicherte a priori erst einmal hirntot ist. Nur wenn er dem widerspricht, zieht man widerstrebend in Betracht, daß es auch anders sein könnte. Alle Vierteljahre muß der Versicherte dann einen Börsenbericht einreichen, aus dem hervorgeht, daß er sich immer noch zu den Lebenden rechnet, und wie lange noch.