an Rainer Brüderle
FDP Fraktion, Bundestag
He Brüderle!
Wo bleibt mein Brief?
Sie wissen genau, von welchem Brief ich rede. Der Brief, den ihr Herr Gutachter „eine zulässige Information über die Arbeit der FDP-Abgeordneten“ genannt hat. Den grenzwertigen Aktionsbrief (T. Oppermann). Den, von dem ihr Parteikollege Christian Lindner erklärt hat, er sei damit „nicht befaßt“ gewesen, glaube aber, „alles sei rechtens“. Von dem Brief rede ich. Wo bleibt der? Wenn der Wisch nicht nur in den Wahlkampfgebieten verteilt worden ist, sondern auch in anderen Bundesländern, dann verlange ich, daß er auch in Käsdorf verteilt wird. – Was? – Wie? – Die Puppe?
Ach, jetzt soll es also die Puppe gewesen sein?!
Als Information für meine Leser, sofern sie nicht Rainer Brüderle sind: Neben meinem Briefkasten ist seit einigen Tagen ein Holzgerüst aufgebaut, und zwar aus diesen Pfosten, wie man sie für Sichtschutzzäune braucht. Ich hatte sie am Montag – Brückentag, ich hatte frei, Sie ja wahrscheinlich auch – bei McGardener oder wie der Laden heißt, gekauft, die Pfosten, um einen Zaun zwischen Geros und meinen Garten zu ziehen; ich habe keine Lust, mir den ganzen Tag mitansehen zu müssen, wie der Kerl in der Sonne sitzt und nichts tut. Das muß ich nicht haben. Muß ich ja aber auch nicht. Dagegen kann man ja was machen. Ich bin bloß noch nicht dazu gekommen. Jedenfalls lagen die Pfosten – so Vierkantdinger, 7×7 – auf der Garageneinfahrt. Da sollten sie jedenfalls liegen, solange, bis ich dazu komme.
Aber jetzt steht einer davon neben meinem Briefkasten, und ein zweiter, halb durchgesägt, als Querholz oben drauf, und eine Eckaussteifung ist noch dabei, und vorne am Kragarm eine Öse, so ein Schraubhaken oder eine Ringschraube, und durch diese Öse ist ein Seil gezogen, schräg runtergespannt bis zum Fuß des – ja, wie soll man das Ding nennen? Galgen? – schräg runtergespannt bis zum Fuß des Galgens, ist dort ein paarmal ums Holz geschlungen, und am anderen Ende, unter der Öse, hängt eine Puppe. Die Puppe ist aus Stoffresten und Lumpen und mit irgendwas gestopft, und vom Gesicht her erinnert sie an Rainer Brüderle, außer, daß ihr die Zunge weit aus dem Hals heraushängt und die Augen zum Himmel verdreht sind, was bei Rainer Brüderle nicht der Fall ist. Auf dem Briefkasten aber pappt ein Schild:
Bitte keine Wahlkampfwerbung der FDP einwerfen!
Das ist ein Befehl!
Ja, so ist das. Ich kann dazu nur sagen: das sind zwar meine Zaunpfähle, aber ich war mit dieser Aktion nicht befaßt. Obschon ich natürlich glaube, daß allens rechtens ist.
So, ja. Und diese Puppe soll nun dafür gesorgt haben, daß der Brief nicht in meinen Briefkasten geworfen wurde? Das, Brüderle, glauben Sie doch selber nicht! Ihr Brief war ja gar keine Wahlwerbung, sondern Information, geben Sie es zu! Also hätte er auch ruhig eingeworfen werden können. Und ganz davon ab: wann hätte eine Notiz auf einem Briefkasten, des Inhalts, daß der Besitzer desselben von Postwurfpest nicht behelligt zu werden wünscht, je irgendeine Wirkung gehabt? Am 23.11.1978, am späten Nachmittag, zwischen 17 Uhr 38 und 17 Uhr 41 einhalb? – Ok, das kann sein. Das will ich für möglich halten. Ich war zwar nicht dabei und habe es auch nicht mitgekriegt, aber das klingt plausibel.
Aber ansonsten: nie.
Also, Brüderle, lassen Sie den Brief rüberwachsen. Ich wünsche, informiert zu werden. Ich habe ein Recht darauf, informiert zu werden. Und ich will informiert werden!
Das ist ein Befehl.
Germanistenfuzzi