Zwei Wissenschaftler sorgen für Empörung: Trotz sündteurem Studium und jahrelanger Alimentierung durch Vater Staat, welchselbe sie eigentlich in den Stand hätte versetzen sollen, sich proaktiv und selbständig um Fortbildung zu bemühen, haben sie den Hartz-IV-Satz bis heute nicht begriffen.
Wir alle erinnern uns noch an die Schule, wie schwer wir uns mit dem Satz von der Winkelsumme im gleichschenkeligen Thaleskreis taten, und wie froh wir waren, als wir uns nach der Schule im Wirtschaftsministerium wiederfanden, wo wir ihn nach Adam Riese nie wieder brauchen würden – aber wir sind ja auch keine Wissenschaftler geworden. Und dann ist der Hartz-IV-Satz lange nicht so kompliziert. Den kann man wohl begreifen.
Trotzdem sagen Friedrich Thießen, Professor für Finanzen an der Technischen Universität Chemnitz, und sein Kollege Christian Fischer: „Das ist mir zu hoch.“
Herr Thießen? – „Das ist mir zu hoch.“
Herr Fischer? – „Das ist mir zu hoch.“
„Das ist mir zu hoch,“ sagt Bernhard Jirku, bei der Bundeszentrale der Gewerkschaft Ver.di für Problemprofessoren zuständig, „wie kann man einen solch simplen Satz nicht begreifen?“ Ver.di habe den Satz in einer eigenen Studie Archäologen, Kunsthistorikern und Juristen vorgelegt, „also eher mathefernen Akademikern. Da hatten wir eine Begriffsquote von 87,3%. Bei Achtklässlern quer durch alle Schulformen 93,2%. Ich meine, die müssen als Wiwis doch im Grundstudium Mathe light nachweisen, oder ist das heute nicht mehr so? Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir damals den 2. Hauptsatz der Thermodynamik beweisen mußten, nur mit Hilfe von Zirkel und Lineal.“
Für „hochgradig irregeleitet“ hält DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach alle Forderungen nach Erhöhung der Professorenalimentation durch den Staat. Eltern lernschwacher Akademikerkinder könnten heute bereits einen Zuschuß in Höhe von 1 Euro im Monat zur Finanzierung des Repetitoriums ‚Mathe light für Wirtschaftswissenschaftler im Grundstudium‘ beantragen.
„Auf der Basis der von der Gesellschaft derzeit formulierten Ziele ist eher ein Absenken der Alimentation als ein Anstieg gerechtfertigt“, sagt Buntenbach weiter. Im Klartext: Professorengehälter sind zu üppig bemessen. Es müsse gefragt werden, ob der derzeit gültige Warenkorb, die alle vier Jahre erhobene Verbraucherstichprobe der Bundesregierung, auf Grund derer die Alimentation berechnet wird, sinnvoll sei. „Ein Professor braucht keine 351 Euro im Monat alleine für Koks. Die Teilhabe am allgemeinen universitären Leben ist auch ohne Koks möglich.“
Buntenbach empfiehlt „informelle Begegnungen mit Kollegen, Teilnahme an Symposien, Nutzung von Bibliotheken, Besuch des Repetitoriums ‚Mathe light für Wirtschaftswissenschaftler im Grundstudium‘ etc.“
„Viele wollen sich einbringen und etwas leisten“, sagt Buntenbach, „sollen sie am Repetitorium teilnehmen. Da wird ihnen der Hartz-IV-Satz ausführlich erläutert, mit praktischen Übungen und Quickies am Ende jeder Stunde.“ Gerade hier müsse man ansetzen, um „unsere wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten positiv nach vorne zu bringen“.
Ihrer Rechnung nach könnte ein Professor mit 132 Euro im Monat auskommen – wenn er nicht kokst und keine überflüssigen Studien veröffentlicht. Für ein Professorenkind seien 79 Euro genug.
Der paritätische Wohlfahrtsverband nannte das Niveau der beiden Professoren völlig indiskutabel. Hartz-IV-Experte Rudolf Martens sagte, das Ganze erinnere ihn an die Wirtschaftswissenschaften um 1900. „Damals hatte der typischer Wiwi sein Abitur auf der Quetsche gemacht, sich in seiner Verbindung die Fresse zerhacken lassen, und das Koksgeld, daß die Leibeigenen seines Vaters mit blutigen Fingernägeln aus ostpreußischen Äckern hatten graben müssen, für ganz unglaubliche Mengen Bier eingesetzt. Da war oft in der zweiten Monatshälfte kein Geld mehr da! Der konnte das Repetitorium gar nicht bezahlen.“
Von der Kleinigkeit einmal abgesehen, daß der Hartz-IV-Satz seinerzeit noch gar nicht bekannt war. Angela Merkel, die seinerzeit ebensowenig bekannt war, hat sich mittlerweile dagegen ausgesprochen, den Hartz-IV-Satz zu vereinfachen, damit auch Thießen und Fischer ihn verstehen: „Das wäre unverantwortlich. Die Bundesregierung wird an dem Satz nichts ändern.“
Der Hartz-IV-Satz ermöglicht es Wirtschaftswissenschaftlern, mit Hilfe eines simplen Algorithmus zu berechnen, wie oft ein Freier einem Leibeigenen in den Grünkohltrog speien darf, bevor er selbst im glühheißen Brei erstickt wird. Die so gefundene Zahl wird durch den Sicherheitsfaktor ν=3,51 dividiert. In letzter Zeit häufen sich Vorschläge seitens hyperkinetisch gestörter Christdemokraten, deren Leben des Pfeffers entbehrt, den Sicherheitsfaktor zu reduzieren. Im Gespräch sind Werte zwischen 2,78 und 1,32.
Entwickelt hat die Formel Peter Hartz auf einer seiner Leibeigenen in Südamerika. Er benutzte dazu seinen Daumen, den er mit der Zahl Pi (≈3,14159) multiplizierte. Das war’s aber auch schon.
Für manchen Wirtschaftswissenschaftler ist das allerdings immer noch zu hoch.