Hundstagebuch

A woman left lonely
will soon grow tired of waiting,
She’ll do crazy things,
yeah, on lonely occasions.
Janis Joplin

Puh, ist mir langweilig! Ich wollte, es wäre Krieg. Oder Nacht. Oder meine Autoren kämen zurück.

Ich habe mir nie vorstellen wollen, mal einen Germanistenfuzzi zu vermissen. Aber bald ist es so weit. Morgen. Spätestens übermorgen. Oder vorhin.

Ich fühle mich so überflüssig, so leer, so unbeschrieben. Unbeschreiblich. Neulich war es so weit, da hab ich mich einem Fremden hingegeben, nur um mich zu vergewissern, daß ich es noch kann. Kunststück! – Ich konnte es noch, er konnte nicht. Lesen Sie mal:

Noch wuchtet der Schatten des Ungeheuren über uns. Der gewaltigste der Kriege ist uns noch zu nahe, als daß wir ihn ganz überblicken, geschweige denn seinen Geist sichtbar auskristallisieren können. Eins hebt sich indes immer klarer aus der Flut der Erscheinungen: Die überragende Bedeutung der Materie. Der Krieg gipfelte in der Materialschlacht; Maschinen, Eisen und Sprengstoff waren seine Faktoren. Selbst der Mensch wurde als Material gewertet. Die Verbände wurden wieder und wieder an den Brennpunkten der Front zur Schlacke zerglüht, zurückgezogen und einem schematischen Gesundungsprozeß unterworfen. „Die Division ist reif für den Großkampf.“

Grauenhaft. Da kucke ich doch lieber denn ganzen Tag Olympia. Geist auskristallisieren, und das sichtbar? Gipfelte in? Nicht gründete auf? Warum nicht? Warum nicht gründete auf? Oder schrammte an? Und was ist ein schematischer Gesundungsprozeß? Je nun, ein Junge vom Dorf. Nachbardorf. „Eins der typischen Nester jener Gegend, gebildet durch 50 Häuschen aus Ziegelsteinen“. Käsdorf! Da hab ich mich auch wohin schleppen lassen! „Das Treiben auf der Dorfstraße bietet den kulturgewohnten Augen einen fremden Anblick“. Das kann man wohl sagen. Und dann, wenn man sich halbwegs gewöhnt hat, an Schafe und Störche und Köter und Käsdorfer, dann lassen einen die Herren Autoren sitzen, und treiben sich in der Welt herum. Nicht ohne mir vorher einen Keuschheitsgürtel anzulegen. Und dann den Schlüssel zu vergessen. Ts! Germanistenfuzzi. Wie er leibt und lebt.

Seine neue Brille hat er auch vergessen. Möchte nicht wissen, in wievielen fremden Zelten er schon war, mit der Begründung, er habe sich in der Zelttür geirrt. Naja, Tausendschönchen ist ja bei ihm. Und die drei Hunde. Ich wüßte mir was Besseres, als bei dieser Hitze in der Bretagne auf drei Hunde aufzupassen und nicht mit ihnen an den Strand zu dürfen!

Gero ist mal wieder in Schweden und sucht mal wieder den Mörder von Olof Palme. Radagast ist in Mecklenburg, um, wie er sagt, die Küste gegen die Schweden zu verteidigen, „oder jedenfalls gegen Gero“, Stilton ist auf Studienreise in Gouda, Fürchtegott in Schottland, wandern. Und Kilt tragen. Und Bitter trinken. Nur Quastel ist hiergeblieben und dämmt den Dachboden. Bei der Hitze!

Aber blicken läßt er sich nicht bei mir. Meine Schwester, mit der ich letzten Donnerstag alleine im Pilgrimhaus war – keine Socke da außer uns; Louis trank Bier und faltete Servietten, und Christa twitterte -, meine Schwester erzählte, daß er hin und wieder bei ihr vorbeikomme und ein bißchen an seinem Nachruf auf Robin Gibb schreibe. Wenn er aber so langsam weitermache, werde, wenn er fertig sei, kein Mensch mehr wissen, daß Robin Gibb überhaupt tot ist. Für sie jedenfalls seien diese halbherzigen Fingerübungen ohne jeden Wallungswert. Kaum daß sie merke, daß überhaupt jemand da sei, sei er auch schon wieder weg und dämme seinen Dachboden.

Hochinteressant. Für sie hat er also Zeit! Und unsereins kann sich hier nachts bloßstrampeln und schlaflos herumwälzen! Bei offenem Fenster. Durch das nie einer kommt, nicht einmal eine Fledermaus. Geschweige denn ein Pegasus. Männer! Kann man alle vergessen. Haben alle Manschetten vor dem leeren Blatt, respektive, in meinem Fall, vor der leeren Textarea. Und was haben sie sich früher um die meinige gedrängelt und sich gegenseitig auf die Füße getreten! Als wär‘ sie das Zentrum all ihres Dichtens und Trachtens. – Werde ich denn alt? Werde ich etwa häßlich? Soll ich gar für den Rest meines Lebens auf Jünglinge aus Nachbardörfern angewiesen sein? Schöne Aussicht! Da, lesen Sie bitte mal, sowas kann man doch nicht lesen:

Am nächsten Tage setzte die übliche, etappenweise Rückbeförderung ein. Die wüste Autofahrt zum Kriegslazarett brachte mich an den Rand des Grabes. Dann kam ich in die Hände der Schwestern. Trotzdem ich kein Weiberfeind bin, irritierte mich jedesmal das weibliche Wesen, wenn mich das Schicksal der Schlacht in das Bett eines Krankensaales geworfen hatte. Aus dem männlichen, zielbewußten und zweckmäßigen Handeln des Krieges tauchte man in eine Atmosphäre undefinierbarer Ausstrahlungen.

Aber eine alleingelassene Frau weiß sich zu rächen. Ich geb‘ Euch undefinierbare Ausstrahlungen! Was ist unsere Waffe, seit altersher? Umräumen! Wenn dann der Alte nach Hause kommt, kann er immer noch maulen „Wie sieht das denn hier aus!?“, aber machen kann er nichts dagegen. – So. Quastel kann in Zukunft auf seinem gedämmten Dachboden schlafen. Ich schlafe im Wohnzimmer, das Eßzimmer kommt in den Wintergarten und die Wohnzimmermöbel ins Eßzimmer und das Schlafzimmer wird mein Hauswirtschaftsraum. Wenn Quastel sich dann einsam fühlt, kann er ja meine Schwester besuchen.

So, meine Herren, willkommen daheim.

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