R.O.T.S.P.O.N. – Der volle Kanal

Manchmal kneift er mir ein Äugsken, der Weltgeist, indem er mich erst im Radio einen Hinweis auf das Programm des heutigen Abends hören läßt („Menschen mit Behinderungen können heutzutage sehr alt werden – die moderne Medizin macht es möglich.“), und mich dann darauf stößt, daß Jan Fleischhauer nun auch schon die Fünfzig erreicht hat. Dann muß ich furchtbar schmunzeln, und der Weltgeist freut sich; und weil er am Morgen, als er sein Kalenderblatt abriß und umdrehte, dort las: „Ein Tag ohne Schmunzeln ist ein verlorener Tag – Sir Charles Spencer Chaplin“, muß er nun selber schmunzeln.

Früher war das nicht selbstverständlich, daß Behinderte so alt wurden, und wir alle haben Grund, dankbar für den medizinischen Fortschritt zu sein, auch und gerade wir, die wir in geistiger Gesundheit haben alt werden dürfen, älter jedenfalls als Jan Fleischhauer, der berühmte Spiegel-Kolumnist, dem es natürlich gegönnt sei – obwohl wir noch gar nicht wissen, wie wir in Zukunft damit umgehen sollen, daß Menschen sehr viel länger dement sein werden, als gut für sie ist. Und nicht nur für sie; wir sind ja auch noch da. Vielen von uns ist die Tatsache noch gar nicht bewußt, und vielen von uns stehen die Konsequenzen der Tatsache noch gar nicht deutlich vor Augen. Da ist zum Beispiel der Neunzigjährige, die immerzu fragt, ob „die Mami das denn erlaubt?“ – Was? – Egal was. Er fragt bei jedem Dreck. Und alle naslang steht er auf und will „nach Hause“ weil „die Mami wartet.“ – Was soll man da sagen? Soll man ihn anlügen? „Aber ja, die Mami hat es erlaubt.“ – Soll man ihm brutal die Wahrheit sagen? „So reißen Sie sich doch mal am Riemen, Mann! Wissen Sie, wie alt Sie sind? Ihre Mutter ist lang tot!“ – Soll man ihm die Wahrheit schonend nahebringen? „Sie müssen jetzt sehr tapfer sein: die Mami ist heute nachmittag von uns gegangen. Die Engelein haben sie geholt. Sie sind jetzt ganz allein auf der Welt. Nur Sie und der liebe Gott. Und jetzt reißen Sie sich gefälligst mal am Riemen und seien Sie ein Mann! Sie sind schließlich über 90!“ – Oder soll man ihm pädagogisch kommen: „Ei so scheißen Sie doch auf das, was die Mami erlaubt! Sind sie ein Mann oder sind sie kein Mann? Sie sind doch schon fünfzig! So emanzipieren Sie sich doch endlich mal, oder muß auch das die Mami für Sie machen?!“

Eckhard Henscheids zarte Erzählungen über Großmamis Wunsch, praktisch ununterbrochen Arme Ritter herzustellen, sei hier nur ganz zart erwähnt, weil gleich von Henscheid die Rede sein wird. Man kann sie bewundern, aber man kann daraus nicht lernen. Wenn einer mit fünfzig schon glaubt, ein paar altbackene Zwiebäcke in die Pfanne hauen zu müssen – Böll, den RBB oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schlechthin -, obwohl er keine Ahnung hat, wie das geht, was macht man da? Es gibt da kein Rezept. Die Situation ist für uns alle Neuland. Wir müssen sehen, wie wir damit klar kommen.

Aber es ist nicht leicht. Was macht man zum Beispiel mit diesem hier?

Streit um Krömer-Show: Wenn die ARD so richtig die Sau rauslässt

Eine Kolumne von Jan Fleischhauer

Einmal am falschen Ort „Arschloch“ gesagt, und schon steht man vor Gericht. Nur im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darf man Leute nach Herzenslust beleidigen, jedenfalls wenn man dort Mitarbeiter ist. Das ist jetzt sogar juristisch geprüft.

Der Schriftsteller Eckhard Henscheid hat den bekannten Schulbuchautor Heinrich Böll in einer Rezension einmal als „steindumm“, „kenntnislos“ und „talentfrei“, kurz: als „Knallkopf“ bezeichnet. Obwohl nicht wenige diese Einschätzung als zutreffend und in jeder Hinsicht überfällig empfanden, musste sich Henscheid auf Betreiben eines Böll-Sohns vor Gericht verantworten. Bei Schmähkritik höre die Meinungsfreiheit auf, entschied man in Karlsruhe und brummte dem Beklagten die Verfahrenskosten auf.

„Steindumm“? „Kenntnislos?“ „Talentfrei“? Kurz: ein „Knallkopf“? – Das werde ich mal so stehn lassen. Genau so, in dieser Reihenfolge. Könnte sein, daß ich es noch werde gebrauchen können. Und zwar in dieser Kolumne.

Kommentieren allerdings werde ich das Wörtchen ‚obwohl‘ in dem Satz „Obwohl nicht wenige diese Einschätzung als zutreffend und in jeder Hinsicht überfällig empfanden, musste sich Henscheid auf Betreiben eines Böll-Sohns vor Gericht verantworten.“ Was macht das ‚obwohl‘ da? Da gehört es nicht hin. Was soll es da? Es sind schon Leute geringerer Vergehen wegen gepfählt worden, als dem eines ‚obwohl‘ in einem Satz, in den es nicht gehört. Aber ich lasse auch das ‚obwohl‘ dort stehen, als zarte Mahnung. Hier wird gleich von Arschlöchern die Rede sein, und wenn ich mich meiner Schulbuchlektüre zuverlässig erinnere, dann spielt der Darmausgang beim Pfählen eine prominente Rolle – äähhj, wenn man das so sagen kann.

Wo im kommunikativen Alltag die Grenze zwischen Kritik und Beleidigung verläuft, ist in Paragraf 185 des Strafgesetzbuches geregelt. Alles, was als „rechtswidriger Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgebung der Missachtung“ begriffen werden kann, gilt als Straftat und kann zur Anzeige gebracht werden.

In was für einem Alltag?? – Im kommunikativen? Im die Kommunikation betreffenden Alltag? Im mitteilsamen, beredten, geselligen, kontaktfreudigen, schwatzhaften Alltag? Und was ist mit unseren anderen Alltagen? Mit unserem ganz alltäglichen Alltagsalltag? Verläuft in dem die Grenze zwischen Kritik und Beleidigung etwa anders? Ich möchte denken nein, aber zum Themenkomplex steindumm und kenntnislos hätte ich noch diesen Beitrag: zur Anzeige gebracht werden kann hierzulande alles und durch jedermann. Nicht nur durch den Geschädigten und nicht nur das, was als „rechtswidriger Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgebung der Missachtung“ begriffen werden kann. Theoretisch kann ein Knallkopf hergehen und sich selbst als Knallkopf anzeigen. Ist erlaubt, und wir werden gleich darüber sprechen müssen, daß ein gewisser Matussek das auch getan hat.

Um aber die Puzzleteilchen für einen Moment in die richtige Ordnung zu bringen, ehe der Patient wieder mit der Hand in der Schachtel herumrührt und alles durcheinander bringt, und weil hier gleich Äpfel mit Birnen verglichen werden sollen: es war nicht etwa so, daß Böll zu Henscheid in die Talkshow gekommen wäre, und von diesem dort vor laufender Kamera in die Gilde der „verlogensten, ja korruptesten“ Schriftsteller aufgenommen worden wäre. So war es nicht. Wenn ich richtig berichtet bin, ist Henscheid bis heute nicht in einer Talkshow gewesen, und Böll war damals schon tot.

„Arschloch“ kostet nach Lage der Dinge um die 1500 Euro, „Idiot“ 1000 Euro, „dumme Kuh“ immerhin noch 300.

Um die 1500 Euro für ein „Arschloch“? – Das ist nicht wenig. – Wovon hängt es denn ab, wieviel genau es kostet? Von der Lage der Dinge, schon klar, aber wie sollten, wie könnten, wie müßten sie liegen? – Und was kostet ein „Darmausgang“? Oder würde kosten? Oder ein ?

Man sollte sich also gut überlegen, mit welchen Worten man einen anderen in den Senkel stellt. Es sei denn, man arbeitet beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dann kann man ungestraft jeden als „Arschloch“ bezeichnen, wenn einem danach ist, oder ihn als Fremdgeher und Puffgänger schmähen. Was im Straßenverkehr oder Büro sofort den Staatsanwalt auf den Plan rufen würde, fällt hier unter künstlerische Freiheit. Keine Ahnung, ob das die Gründer im Sinn hatten, als sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus der Taufe hoben, aber das ist die Rechtslage.

Keine Ahnung, ob der Autor dieses sich mit diesem für die Gilde der verlogensten, ja korruptesten Schriftsteller empfehlen möchte – vergebens vermutlich, denn ein richtiger Schriftsteller ist er ja nicht – aber er tut es. Nun muß man natürlich in seinem Fall auch die Frage der Strafmündigkeit berücksichtigen, mit einem Zurechnungsfähigen würde man anders umspringen als mit einem der Schonung Bedürftigen. Aber selbstverständlich ist es ein (normalerweise strafbewehrter) Unsinn, von Matthias Matussek, der von Krömer als Arschloch und Puffgänger bezeichnet worden ist, auf „ungestraft jeden“ zu schließen, der bei der ARD jederzeit und von jedem dort als Arschloch und Puffgänger bezeichnet werden dürfte. So ist es nicht.

Aber soll man den, der nun einmal meint, daß es so sei, brutal mit der Realität konfrontieren?

Wenn Sie mal so richtig die Sau rauslassen wollen, sollten Sie sich von der ARD anheuern lassen.

Soll man ihm pädagogisch kommen? Ihm mit der Mami drohen?

Seit mein Kollege Matthias Matussek juristisch klären ließ, wo der Geltungsbereich des Beleidigungsparagrafen endet, haben wir das sogar schriftlich. Am Mittwoch hat das Oberlandesgericht Hamburg entschieden, dass ein Fernsehgast jedes Recht an seinem Bild verliert, wenn er bei einer Aufzeichnung nicht sofort aufspringt und das Studio verlässt.

Matussek ist vor ein paar Wochen bei „Krömer“ zu Gast gewesen, der neuen Late-Night-Show der ARD. Es solle um Religion und den Papst gehen, hatte man ihm gesagt. Als er stattdessen vom Moderator Kurt Krömer die ganze Zeit nur angepöbelt wurde, versuchte er die Ausstrahlung seines Auftritts zu verhindern. Dass Matussek nach der Aufzeichnung die Unterschrift unter den Mitwirkungsvertrag verweigert hatte, die jedem Fernsehgast vorgelegt wird, half ihm gar nichts. Wer sitzen bleibt, gibt seine Einwilligung, dass man alles mit ihm machen darf, wie jetzt das Gericht in Hamburg entschied, und zwar unwiderruflich. Ich bezweifle, dass dies allen Leuten klar ist, die in eine ARD-Talkshow gehen.

Zuallererst drängt sich ja mal die Frage auf: Weiß das die Mami, was er da für einen Kollegen hat? Und hat sie ihm den Umgang gestattet? – Und die dritte Frage ist: was geht dieser auch in diesen öffentlich-rechtlichen Flatrate-Puff? Hat er kein Zuhause? Und wenn es denn schon sein muß, weil es ihn drängt, etwas abzusondern, gibt es dann nicht genug Junkfunk, in dem man für seinesgleichen gerne die adipösen Schenkel breit macht? Sagen wir mal: Spiegel Online Video? – Nein, nicht? Es muß die ARD sein? – Nun, bitteschön. Wir sind ein freies Land. – Wenn einer sich öffentlich-rechtlich als Hurenbock präsentieren möchte, dann darf er das. Und wenn er sich unter all den Dirnen im Kontakthof ausgerechnet dieses Krömer aussucht, dann ist auch das erlaubt. Daß aber eine solche Person mit häufig wechselnden Gesprächspartnern, auch Talkshow-Moderator genannt, den Freier nicht liebt, sondern eine nüchterne, geschäftsmäßige Einstellung zu ihm hat, das sollte außer dem Novizen niemanden wundern. Und zu dieser – das kann man wissen, denn man darf sich vorher erkundigen, auch das ist erlaubt – kommen die Kunden, damit sie „du Miststück“ zu ihnen sagt! Die wollen das. Hinterher zum Kadi laufen und die Hure verpetzen ist degoutant.

Die öffentlich-rechtlichen Sender mussten in letzter Zeit viel Kritik einstecken, nicht jung und innovativ genug zu sein. Dagmar Reim, die als Intendantin des RBB die Krömer-Show verantwortet, hat kürzlich eine „Qualitätsoffensive“ angekündigt: Sie wolle alle „trutschigen Elemente“ beseitigen, sagte sie in Interviews. Ich hatte Krömer zuvor nie gesehen. Ich sehe am Samstag überhaupt wenig Fernsehen.

Was soll man dazu sagen? „Was geht das uns an, was er am Samstagabend nicht tut?“ „Dann sieht er halt eben nicht fern, am Samstagabend. Davon geht die Welt nicht unter.“ „Besser wäre das aber!“ – Ich entscheide mich für „Besser wäre das aber!“:

Besser wäre das aber. Es würde ihn für ein paar Viertelstündchen davon abhalten, Unfug zu schreiben. Dafür ist das Samstagabendfernsehen ja da. Als der vorausschauende niedersächsische Ministerpräsident Albrecht Ende der siebziger Jahre das Privatfernsehen vorantrieb, da tat er das nicht nur, um den Rotfunk NDR maultot zu machen, sondern er tat das für Leute und im Interesse von Leuten wie Fleischhauer. Als zynisch… – Moment mal: was würde es kosten, Ernst Albrecht als ‚zynischen Wirtschaftspolitiker‘ zu bezeichnen? – Egal, es wäre mir auf jeden Fall zu teuer. Also werde ich es nicht tun. Ich werde das anders formulieren: allen Keksverkäufern und zynischen Wirtschaftspolitikern war damals klar, daß mit den über kurz oder lang auf den Beschäftigungsmarkt drängenden geburtenstarken Jahrgängen ein Problem auf uns zu kam, denn längst nicht alle würden Arbeit finden. Also – was würde es kosten, wenn ich diesen Satz mit ‚also‘ anfangen ließe, etwa so: Also wußte das auch Albrecht? – Egal, ich laß es weg: Das wußte auch Albrecht. Und er wußte: als Reservisten für Lohndrückungszwecke würden auch nicht alle verwertbar sein, denn um glaubwürdig damit drohen zu können, einen anderen für weniger Geld arbeiten zu lassen, braucht man Leute, die wenigstens irgend etwas können. Diejenigen aber, die gar nichts können und gelernt haben, sollten möglichst kostengünstig und geräuscharm irgendwo aufgehoben werden, bis sich das Problem in den 2020er, 2030er Jahren von selbst weggemendelt haben dürfte.

‚Irgendwo‘ hieß für Albrecht: vor der Glotze. Als Christ wußte er, daß wir hinieden ohnehin in einem Jammertal leben, da kommt es auf ein bißchen Elend mehr oder weniger nicht so an, zumal wir unser bißchen Würde im Jenseits dann ja wiederkriegen. Richtig eingetütet, müßte sich daraus sogar ein Geschäft machen lassen. Als humanistisch gebildeter Lateinschüler wußte Albrecht nämlich: dádamm et circenses! Gebt ihnen Spiele. Gebt ihnen Spiele, gebt ihnen Spiele und Dingens. Dingens und circenses. Dádamm, dádamm, dádamm? – Richtig: panem. Brot. Brot und Spiele. Zu deutsch: Junkfood und Junkfunk. Klappte auch gut. Denn siehe, bald schon öffnete die erste McDonald`s Filiale in Hannover, unweit der Berufsschule 2, wo die Babyboomer auf die kommende Arbeitslosigkeit vorbereitet wurden.

Ein Milliardengeschäft. McDonald`s Ehmann wirbt auf Radio FFN, und wenn FFN zum Neujahrsempfang bittet, macht McDonald’s Ehmann das Catering. Die Übelkrähe wäscht die Hand, die sie füttert. Wenn da einer aus der Reihe tanzt und am Samstagabend das Fernsehen verweigert, merkt die Bilanz das kaum.

Andererseits, muß man von einem Journalisten nicht verlangen, daß er sich aufschlaut, bevor er schreibt? Allerspätestens nachdem er geschrieben hat? Er ist schließlich kein Blogger, der das nicht braucht. Ich zum Beispiel käme gar nicht auf die Idee, nachzuprüfen, ob Ernst Albrecht auf ein humanistisches Gymnasium gegangen ist. Ich bin ganz selbstverständlich davon ausgegangen, daß einer wie er auf ein humanistisches Gymnasium gegangen ist, und siehe da, es stimmte. Wenn es aber nicht gestimmt hätte, wäre es trotzdem wahr. Denn als Blogger kann ich mich auf die tiefe innere Wahrheit meiner Posts verlassen, die die herzlose, technokratische Oberflächenwahrheit weit hinter sich läßt. Ich muß mich daher auch nicht versichern, daß der Krömer sich nicht vielleicht mit ‚Kroem‘ schreibt, ja, ich muß ihn mir nicht einmal ankucken. Warum sollte ich? Ich weiß schließlich, daß die Erde ein Jammertal ist.

Selige Selbstbeschränkung und Provinzialität der Verantwortlichen

Nur wer in der Gremienwelt der ARD großgeworden ist, kann es als Ausweis von Humor verstehen, wenn ein Moderator in seiner Sendung möglichst oft das Wort „Arsch“ unterbringt, ältere Frauen fragt, warum sie nicht schon tot sind, ihnen dann einen Plastikeimer zwischen die Beine hält, um „alles abtropfen zu lassen“, und sich anschließend das Mikro als Penisersatz vor den Hosenlatz klemmt.

‚Nur wer …‘ ist ein Klassiker Fleischhauerscher Torfkopprhetorik. Oder Kenntnislosigkeit? Nein, Torfkopprhetorik: „Nur wer dieses oder jenes, der kann oder der kann auch …“ Dummes Zeug! Jeder andere kann das auch. Aber irgendwie muß man einen Satz anfangen, warum also nicht mit ‚Nur wer …‘? Es wird schon keine 1500 Euro kosten. Das ist das Deprimierende an der Geschichte.

Das Deprimierende an der Geschichte ist, dass sie aufs Neue die selige Selbstbeschränkung und Provinzialität zeigt, die bei den für die Unterhaltung in der ARD Verantwortlichen Beförderungskriterium zu sein scheint. Man soll den Leuten ihr Gehalt gönnen, auch wenn sie dieses durch Zwangsbeiträge eintreiben lassen, aber man sollte im Gegenzug erwarten dürfen, dass sie dafür etwas von ihrem Gewerbe verstehen.

Auch der weiseste Mann, sang Ian Anderson vor gut vierzig Jahren, auch der weiseste Mann könne nicht sagen, wie es sich anfühle, dumm zu sein wie Bohnenstroh. Das ist die Krux. Das ist das Deprimierende an der Geschichte. Darum weiß ich es auch nicht. Und der, der allein Auskunft darüber geben könnte, der tut es nicht. In seliger Selbstbeschränkung und Provinzialität behält er es für sich. Was will er denn eigentlich? Er gönnt den Leuten ihr Gehalt, fein, wir gönnen ihm das seinige auch. Dafür erwartet er von ihnen „im Gegenzug“, daß sie etwas von ihrem Gewerbe verstehen?

Warum das? Er versteht von dem seinigen doch auch nichts.

In den USA ist die Late-Night-Show eine Gattung, die mit Rücksicht auf die vorgerückte Stunde nur die hellsten Köpfe beschäftigt. Die traurige Wahrheit ist hierzulande, dass jemand wie die RBB-Intendantin Reim Jon Stewart für einen 1993 verstorbenen Schauspieler hält und „Late Night“ für eine Erfindung von Hans-Joachim Kulenkampff. Den Krömer-Auftakt am Samstag als „fulminant“ zu bezeichnen, sagt alles über ihr Verständnis von Trutschigkeit.

Denn wer von dem seinigen etwas verstünde, der wüßte, daß es nicht die Gattungen sind, die in Amerika helle Köpfe beschäftigen – denn Gattungen beschäftigen niemanden, das können sie nicht und das wollen sie auch gar nicht -, sondern die Sender, respektive die Produktionsfirmen. Und die beschäftigen die hellen Köpfe nicht mit Rücksicht auf die späte Stunde, sondern mit Rücksicht auf die Einschaltkawote, und das auch nicht um dieser Kawote selbst willen, sondern wegen der daran hängenden Sekundenpreise für die geschaltete Werbung – im Falle Jon Stewarts achteinhalb von dreißig Sendeminuten – und der Sponsorenkohle. Würde der RBB sich nicht von Zwangsbeiträgen ernähren, sondern ebenfalls von McDonald’s Ehmann, dann hätte das den unwiderstehlichen Charme, daß die Sendung mit Matussek eine Viertelstunde kürzer, und von Matussek dementsprechend weniger zu sehen gewesen wäre.

Dass der RBB im Zweifel auch ganz anders kann, wenn jemand mit seinem Auftritt unzufrieden ist, bewies die Senderleitung vor ein paar Monaten. Als der Platzeck-Sprecher Thomas Braune im Frühjahr eine Interviewszene monierte, die dem Ministerpräsidenten peinlich war, wurde sie kurzerhand herausgeschnitten. Aber Platzeck ist ja auch kein einfacher Gebührenzahler, sondern ein mächtiger Politiker, der in der Vergangenheit verlässlich dafür gesorgt hat, dass Frau Reim ungestört über Qualitätsverbesserungen im Programm nachdenken kann.

Matussek allerdings ist auch kein ganz einfacher Gebührenzahler – jedenfalls nicht einfacher als Platzeck, der, wie wir hoffen wollen, seine Gebühren ebenfalls einfach zahlt – sondern eine . Und anders als Platzeck, der in seiner offiziellen Funktion als Ministerpräsident interviewt worden war, beziehungsweise werden sollte, und nicht wollte, wobei man ihn filmte, war der eitle Fatzke freiwillig in den RBB-Puff gegangen. Was spricht übrigens eigentlich dagegen, von der RBB-Intendantin gleich in einem Aufwasch als Puffmutter zu reden? Oder als Puffmutti?

Das finanzielle Risiko? Talentfreiheit? Mami?

Ich wüßte, was dagegen spricht, Matussek als Puffgänger zu bezeichnen: Vor nahezu etlichen Jahren hatte besagter und von Fleischhauer völlig unnötiger- und unzulässigerweise, auch für einen Behinderten (F. hat vor Jahren selber – und von sich aus – darauf hingewiesen, daß er „aus Versehen“ konservativ geworden sei und seitdem an starker Gesichtsfeldeinschränkung laboriere) unzulässigerweise in die Kolumne hineingezerrte und doppelt unzulässigerweise mit Kurt Krömer verglichene Eckhard Henscheid die Erzählung „Im Puff von Paris“ veröffentlicht, in der er sämtliche männlichen Autoren plus Lektorat und Verleger des seinerzeitigen Haffmans Verlages (Zürich) zwar nicht als Puffgänger bezeichnet, aber – wie ein guter Autor soll – als Puffgänger geschildert hatte. Ein Foto des mickrigen Matussek vor dieser Tapete, mit einem handgepinselten Schild ‚Puffgänger‘ in der Hand – ein solches Foto wäre, gäbe es es, Hybris. Ein Matussek hat in illustrer Gesellschaft nichts verloren, insbesondere nicht, wenn ein Gerhard Mensching mit von der illustren Partie ist, oder war, der mir ohnehin viel zu selten gelobt wird, weswegen ich ihn jetzt einmal lobe und ein Glas Rotspon auf ihn hebe: er lebe hoch!

Leider ist er tot.

Höchst lebendig hingegen – äähhj, ob man das so uneingeschränkt sagen kann? – und jedenfalls ungepfählt sind und .

Was ich aber noch anregen möchte, auch wenn es um eine Woche zu spät kommt: wenn man die Ausstrahlung der Matussek-Krömerschen Turteleien schon nicht untersagen konnte, hätte man den dann nicht wenigstens verpixeln können?

Das würden nicht wenige als Erleichterung und in jeder Hinsicht angemessen empfunden haben.

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