Offener Brief

an die Katholen
hienieden, Im Jammertal 7

Liebe Katholen,

letzte Woche waren die Evangelen dran, jetzt Ihr. Was sein muß, muß sein, denn Ihr wollt mal wieder wen heiligsprechen.

Ich freue mich immer, wenn Ihr jemanden heiligsprecht, denn dann weiß ich, daß Ihr keine anderen Sorgen auf Erden habt. Und wenn es eine Sorte Mäuse gibt, die so gar keine Sorgen auf Erden hat, dann soll man nicht vor Neid kalkweiß um die Nase werden, dann soll man sich vielmehr mit ihnen freuen. Darum freue ich mich mit Euch.

Nebenbei spekuliere ich persönlich ein bißchen darauf, daß, wenn ich eines Tages nicht mehr weiter weiß, und die Sorgen mir über den Kopf wachsen, daß ich dann immer noch katholisch werden kann, und alles ist wieder gut. Ich habe diesbezüglich schon meine Fühler zum lieben Gott ausgestreckt, und mir sagen lassen, was ich schon immer vermutet habe, daß es IHm nämlich wumpe ist, was einer ist, Hauptsache, er hält SEine Gebote, ist freundlich zu kleinen Kindern und Hunden (W.C. Fields wird hoffentlich wissen, was das für ihn heißt), klopft höflich an, wartet, bis man ‚Herein‘ gesagt hat, tritt sich die Schuhe ab und macht die Tür hinter sich zu. Furchtbar, diese offenstehenden Türen! Vorhin war einer hier, der beim Surfen nicht nur auf die Tastatur krümelte – das wäre mir ja egal, denn es ist ja seine Tastatur -, sondern auch die Tür aufgelassen hatte, so daß sie vom Wind immer wieder gegen das Schloß gedrückt wurde und anschließend, weil sie etwas schief in den Angeln hing, knarrend wieder aufging. Furchtbar! Selbst hier in Käsdorf, hinter sieben Bergen und Meeren, hinter Backbone und Loadbalancer, hinter Server und Hub, hat’s mir die Nägel gekräuselt.

Was mich aber ganz besonders freut, das ist, wen Ihr diesmal heiligsprechen wollt. Eigentlich, so muß ich einschränkend vorausschicken, bin ich gar nicht der Mann, einzusehen, warum überhaupt jemand heiliggesprochen werden muß, und warum der Kandidat, wenn schon, der Regel nach nicht wenigstens dreimal vor Zeugen die Lottozahlen richtig vorhergesagt haben muß; aber ich nehme an, wat mutt, dat mutt. Obwohl ich, strenggenommen, nicht einmal das wissen kann, denn ich bin ja, wie gesagt, noch kein Kathole. Vielleicht ist es so, vielleicht nicht. Aber, wenn denn partout heiliggesprochen werden muß, dann ist es doch am besten, es trifft den Bischof Tebartz van Elst und nicht irgendeinen Unwürdigen. Diesen Karnevalsbischof, der aussieht wie ein Tütenkasper, mit dem großen Lärmloch im Kindergesicht. Und wenn es der Bischof leiderleider nicht sein kann, dann – ja dann ist es am zweitbesten, wenn Ihr mich fragt, Ihr fangt mal an, große Künstler heiligzusprechen – etwas, das wir Agnostiker schon lange tun. Salinger hat mal eine seiner Figuren W.C. Fields heiligsprechen lassen, und Fields, nicht faul, nannte den heiligen Chaplin den besten Ballettänzer, der je gelebt habe. Und wenn er, Fields, weißgott auch kein schlechter Tänzer, Chaplin – der, nebenbei, sehr nett zu Hunden (Scraps) und Kindern (Mildred Harris, Lita Grey, Jackie Coogan) war – bei guter Gelegenheit am Kragen zu packen kriege, werde er ihm den umdrehen, und zwar mit bloßen Händen.

Wunderbar! So habe ich mir das Leben der Heiligen immer vorgestellt. Das sind sie, die Legenden, die die Heiligenlegenden so legendär machen.

Nun also auch Ihr, liebe Katholen. Besser spät als nie, und der erste, den Ihr heiligsprechen wollt, ist Gilbert K. Chesterton, der olle Antisemit. Welche Eigenschaft ich allerdings nicht als Hinderungsgrund für irgendwas mißverstanden wissen möchte, denn das ist sie nicht, zumal es sich ja nicht um eine Eigenschaft im eigentlichen Sinne handelt, also eine, die ihm exklusiv zu eigen wäre; teilt er sie doch mit vielen Leuten, Rechtshändern wie Linkshändern. Antisemitismus, so muß man es wahrscheinlich sehen, ist einfach eine der möglichen Begleiterscheinungen menschlicher Existenz. So wie Linkshänderei. Oder besser: so wie Rechtshänderei. Beides ist etwa gleich häufig anzutreffen. Jedenfalls steht Antisemitismus einer Heiligsprechung nicht entgegen, wie man leicht daran sieht, wieviele Heilige Antisemiten waren. Einer meiner Privatheiligen zum Beispiel, Wilhelm Busch, ist diesbezüglich nicht schüchtern gewesen. So etwa kommen bei dem die kleinen Niedersachsen nach Niedersachsen:

Und wie ich vorbeikomm‘
An Rothschild seinem Haus,
Ruft die Frau Rothschild
Zum Fenster heraus:
Herr von Storch,
Herr von Storch!
Fliegen S‘ nicht so dorch.
Lassen S‘ es hier,
Geben S‘ es mir,
Geb‘ gleich
10 000 Gulden dafür! –
Frau Baronin –
Hab‘ ich gesagt-,
Um kein Geld in der Welt.
Die Sach‘ ist bestellt! –
Und weiter flog ich,
Ohne lang zu warten,
Über Gontards Garten
Und besorgte mein Päckchen. –
Drum heißt sie jetzt Nanda
Und nicht Rebeckchen.

Der hat, selbst als kleiner Niedersachse vom Storch nach Niedersachsen gebracht, quasi pränatal und im Vorbeifliegen aufgeschnappt, was man wissen muß, wer man ist und wer man nicht ist und wo man nicht wohnt und wie man nicht heißt. Aber hat ihn das etwa daran gehindert, herzerwärmend boshafte Geschichten zu erzählen? Nein, das hat es nicht. Zwar geht er nicht wirklich liebevoll mit Hunden (Monsieur Jacques) und Kindern (Die bösen Buben von Korinth) um, aber was er auf seinen Bildern mit Angelhaken, Nägeln, Scheren, Gabeln, Rasiermessern, heißem Siegellack und anderen Haushaltsutensilien, denen man ihr Unheil heckendes Potential gar nicht sofort ansieht (Strickzeug, Obstkörbe, Wäscheklammer), für Verletzungen (Ohren, Nasen, Zähne, Hälse, Hände, Schwänze) anrichtet, das reicht allemal für eine Heiligsprechung.

Für mehrere. Allein die kühne Müllerstochter rechtfertigt deren drei.

Gut denn, Chesterton. Er wäre nicht meine erste Wahl, wenn ich jemanden heiligsprechen müßte – unwillkürlich fällt einem Schreibkraft Mosebach ein, die dringend heiliggesprochen gehört -, aber angesichts der Tatsache, daß Ihr zum erstenmal einen Schriftsteller heiligsprecht: für eine erste Wahl ist es eine gute Wahl. Der Mann ist absolut kanonabel. Führt einen scharfen Schnabel und ist unter den Gesellen der geschliffenen Gemeinheit gut gelitten. „Kann ja sein, es ist nur natürlich, daß ein Marxist von Freiem Willen nichts versteht. Frappant jedoch die Vorstellung, daß ein Marxist auch von der Klapsmüllerei nichts verstehen sollte.“ Was entgegnet da der Marxist, der man nicht ist, aber gern wär‘? Da gratuliert man doch und sagt: „Touché! Very well played, Sir.“

Wißt Ihr was? Ich geb Euch den nicht. Nicht gerne jedenfalls. Nicht jetzt, wo Ihr mich daran erinnert habt, daß es ihn gibt, und wievieles von ihm ich noch nicht kenne. Könnt Ihr nicht jemand anderen heiligsprechen? Ich nehme Chesterton in meinen Privatkanon auf, und Ihr kriegt dafür, sagen wir – was hieltet Ihr von dem Pater Brown? Eine literarische Figur, wohl wahr, aber was für eine! Geschaffen von einem Beinaheheiligen. Na kommt! Die Tatsache, daß es einen Menschen nie gegeben hat, hat noch keinen Papst daran gehindert, ihn aber heiligzusprechen. Seht Euch mal auf youtube um: der Pater Brown mag eine Figur sein, aber die ist vielleicht realer und lebendiger als viele, deren Gebeine nie das Sonnenlicht gesehen haben und trotzdem etliche Schreine füllen. Gewiß, einige dieser Gebeinschreine hat man aus dem Kanon geworfen, aber das muß ja nicht so bleiben. Wolltet Ihr die Fehler des II. vatikanischen Konzils nicht sowieso rückgängig machen? Denkt daran, was Chesterton über Progressive und Konservative zu sagen hat: die einen machen die Fehler, und die anderen hintertreiben deren Korrektur. Das war zwar nicht auf das Konzil gemünzt, denn das hat Chesterton nicht mehr erleben müssen – was man leicht daran sieht, daß es von ihm keine Polemik dawider gibt – sondern wahrscheinlich auf die Hartz-Gesetzgebung (Ihr mögt einwenden, die SPD sei aber doch keine progressive Partei. Recht habt Ihr, aber nach Chestertons Definition ist sie das halt eben doch) – was ich sagen will, ist: nun stellt Euch mal nicht so an! Seid nicht so verdammt katholisch!

Und wenn es partout ein richtiger, historisch verbürgter Mensch sein soll, dann biete ich Euch hiermit – den Mosebach wollt Ihr wirklich nicht? – dann biete ich Euch hiermit – nicht ganz leichten Herzens – Heinz Rühmann an. Der sei aber doch, mögt Ihr einwenden, mit seinen Rollen so verschmolzen, vielmehr seine Rollen mit ihm, daß er für die Wahrnehmung auch nicht viel realer sei, als eine Comicfigur? Recht habt Ihr wiederum. Aber es heißt, er sei historisch verbürgt, und an seine Gebeine käme man wohl auch noch ran. Allerdings ist er kein Antisemit, wie man leicht daran sieht, daß er mit einem befreundet war, den der heilige Tucholsky Jehuda Joissip Göbbeles nannte.

Wie wichtig wäre Euch das denn?

Sagt mir Bescheid, wenn Ihr Euch entschieden habt.

Gut Heil, hat mich sehr gefreut, und schönen Dank für den guten Tip!

Germanistenfuzzi

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