Sarrazino-Schinken

In der Bundesbank, sagt Germanistenfuzzi, gehe die Angst um, daß es dort künftig, wenn erst der Thilo Sarrazin die Peitsche schwinge, in der Kantine nicht mehr ausreichend zu Mittag geben werde. Denn der Sarrazin sei ein Mann, der wisse, was er wolle, und was er wolle, das sei nicht nur das Ressort ‚Internationale Beziehungen‘, sondern außerdem die Titel ‚Vater des Sparzwangs‘, ‚Bruder der Knute‘, ‚Verderber der Tafel‘ und ‚Schrecken des Einkaufs‘.

In den Mailboxen der Angestellten kursiere derzeit der Menüplan für die erste Woche des sarrazinschen Regiments, der u.a. solche Köstlichkeiten vorsehe wie

  • 1. Tag – Spaghetti Bolognese
    • 100g Hack
    • 125g Spaghetti
    • 200g Tomatensoße
    • diverse Gewürze

    für 1,03 €

  • 2. Tag – Gemüsesuppe mit Fleischeinlage
    • 100g Kartoffel
    • 1 Möhre
    • 1/2 Kohlrabi
    • 1 Stange Porree
    • 80g Rindfleisch
    • diverse Gewürze, Kräuter
    • 1 Glas Tee

    für 1,40 €

  • 3. Tag – Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelbrei
    • 1 Bratwurst
    • Kartoffelbrei, 1 Portion
    • 150g Sauerkraut
    • Gewürze, Öl

    für 0,95 €

Es ist leider so, daß Germanistenfuzzi mir regelmäßig Anlaß gibt, mich mich negativ über seine Gesittung zu äußern, und dies wäre solch ein Anlaß. Seine neue Freundin pflichtet mir da bei, meint aber, es sei nicht sehr sinnvoll, solche Äußerungen ständig zu wiederholen, Selbstverständlichkeiten wiederhole man nicht ständig, man wiederhole ja auch nicht ständig, daß zwei mal zwei Bratwürste vier Bratwürste seien, daß wisse jeder, und damit gut.

Womit sie mir erstmalig Anlaß gibt, mich negativ auch über ihre Gesittung zu äußern, was ich hiermit tue.

Die beiden wissen ganz genau, daß ich heute noch nichts bekommen habe, außer

  • 1 Socke von Germanistenfuzzi
  • die Pappröhre aus der Klopapierrolle
  • 4 Tempotaschentücher
  • 1 Petflasche vom Marktplatz
  • 3 Leckerlis aus Germanistenfuzzis Jacke, wobei er sich vertan hat, eigentlich hätte ich nur 1 bekommen, dafür, daß ich die Petflasche wieder hingelegt habe, aber er hat mir zwei gegeben, wahrscheinlich hat er versehentlich zwei in die Greifhand bekommen
  • 1 Viertel von dem Mairübchen, was Germanistenfuzzis neue Freundin zum Frühstück besorgt hatte, und was eigentlich Germanistenfuzzi hätte essen sollen, aber der wollte nicht, er sagte, es schmecke ungefähr wie Petflasche, nach nichts nämlich, aber das stimmt nicht, Petflasche schmeckt nicht nach nichts, jedenfalls die vom Marktplatz nicht, denn die schmeckte sowohl nach Cora, nach ####, nach Kira, Kylie, Kenny, Kaja und der einen da, der kleinen, munteren, der die Zehe fehlt – Katy, genau, die alle schon damit gespielt und drauf rumgekaut hatten, als auch nach Paddy, der sie anscheinend gestern abend bereits markiert hatte, wie der ja alles markiert, was in seine Reichweite kommt und nicht schnell genug wegläuft, der Flegel, jedenfalls habe ich sie sicherheitshalber auch noch einmal markiert, damit nicht eine der Damen meint, ich wollte mich zur Ruhe setzen und aus dem Geschäft zurückziehen
  • 1 1/2 Minuten Gardinenpredigt von Germanistenfuzzi wg. der Socke
  • 4 1/2 Minuten Gardinenpredigt von Germanistenfuzzi wg. des Serranoschinkens
  • den Serranoschinken samt Einwickelpapier und Trennfolien

Je nun, sie waren vom Frühstückstisch aufgestanden und hatten den Schinken liegen lassen. Also wollten sie ihn nicht mehr. Was die Alphatiere liegen lassen, können wir uns holen, das war schon immer so.

Aber den Schinken hatte ich längst wieder vergessen, als Germanistenfuzzi von den Bratwürsten anfing, und seine neue Freundin die Bratwürste auch noch multiplizierte, und ich merkte, was für einen Hunger ich hatte. Aber in meinem Napf war gar nichts, und in dem Napf von meiner Frau war auch gar nichts, als ich auch den sicherheitshalber noch einmal ausleckte, was eine heikle Sache ist, wenn man von meiner Frau dabei erwischt wird, aber die war zur Pediküre und außerdem dachte ich, nach dem Streß wegen dem Schinken, käme es auf ein bißchen Streß mit meiner Frau eh schon gar nicht mehr an.

Es war aber wirklich nichts in den Näpfen, außer ein bißchen Speichel von mir, der vor der Inspektion nicht drin gewesen war, dessen war ich mir sicher, denn ich hatte sehr sorgfältig geleckt und hätte etwaigen Speichel sofort bemerkten müssen. Schuld an dem Speichel war natürlich Germanistenfuzzi mit seiner Speisekarte, denn ich mag Spaghetti Bolognese sehr gern, und Gemüsesuppe mit Fleischeinlage mag ich auch sehr gern, und für Bratwurst mit Kartoffelbrei würde ich Ihnen sofort und ohne Zögern meine Schwiegermutter verkaufen – was meinen Sie?

Sicher mit Papieren. Meine Schwiegermutter – kennen Sie meine Schwiegermutter? Kennen Sie meine Frau? – Meine Frau ist ja schon eingebildet, aber meine Schwiegermutter erst! Kunststück, Hamburgerin. Wenn Ihnen in Hamburg auf dem Gehsteig jemand entgegen kommt, der Sie keines Blickes würdigt, aber schon gar keines, und der andererseits aber auch keinen Millimeter beiseite gehen würde, um Sie etwa vorbeizulassen, und der, wenn eine halbe Steckrübe im Rinnstein liegt, achtlos dran vorbeiläuft und Sie auf Nachfrage wissen läßt, er frequentiere keine Rinnsteine – dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um meine Schwiegermutter – was?

In Hamburg liegen keine Steckrüben im Rinnstein? Was liegt da denn im Rinnstein? Bei uns liegen ständig Steckrüben im Rinnstein. Hamburger? In Hamburg liegen Hamburger im Rinnstein?

Ach solche Hamburger! Bitte tun Sie mir den Gefallen, und erwähnen Sie vorerst nichts mehr von solchen Hamburgern. Auch keine Cheeseburger. Oder Chickenburger. Es regt mich zu sehr auf.

Germanistenfuzzi war nämlich noch nicht fertig mit Gemeinheiten, und fügte noch hinzu, die Bundesbank sei nicht die einzige Behörde, die jetzt ihre Ernährungsgewohnheiten umstellen müsse, die Wirtschaftsministerien des Bundes und des Landes Niedersachsen seien bereits vorausgegangen und hätten den Speiseplan in der Kantine dem Alter der neuen Minister angepaßt. So gebe es im Bundeswirtschaftsministerium jetzt täglich Fischstäbchen mit Kartoffelbrei, und im Ministerium in Hannover Nudeln mit roter Soße als Stammessen I und Kartoffeln mit brauner Soße als Stammessen II.

Kurz hatte ich den Eindruck, daß der Napf meiner Frau nach Kartoffeln mit brauner Soße zu riechen begonnen hatte, und mein eigener nach Nudeln mit roter Soße, und einen Moment lang fühlte ich mich wie der Esel, von dem Germanistenfuzzi mir einmal erzählt hat, der sich nicht zwischen zwei Heuhaufen entscheiden konnte, und nach etlichem Hin und Her in deren Mitte verhungerte. Typisch Esel, hatte ich damals gedacht, das würde mir nie passieren, mit Heuhaufen jedenfalls nicht, denn ich mache mir aus Heu erst dann etwas, wenn der Esel es gefressen und wieder hergegeben hat, aber nach dieser irritierenden Erfahrung mit den leeren, duftenden Näpfen bin ich skeptischer. Gottseidank ist meine Frau immer in der Nähe, wenn wirklich etwas in den Näpfen ist, und beißt mich von ihrem weg, so daß ich mich nicht zu entscheiden brauche. Ich will dem niedersächsischen Wirtschaftsminister bloß wünschen, daß er immer jemanden hat, der ihn rechtzeitig wegbeißt, damit er nicht zwischen Stammessen I und Stammessen II verhungert.

Mit den jungen Ministern in den Ministerien, sagte Germanistenfuzzi, sei es so: bislang habe die Übereinkunft geherrscht, für solche Jobs brauche man ausgewachsene Alpha-Tiere, die entweder erfolgreich eine Art Gebrauchshundeprüfung abgelegt oder sich in der Praxis vergleichbare Fähigkeiten erworben hatten. Im letzten Jahr aber sei die Performance der Wirtschaftskapitäne weltweit derartig unterirdisch gewesen, daß es zu einem allgemeinen Umdenken gekommen sei, und nun heiße es überall: das können unsere Welpen auch. Er erwarte, daß man den eben frei werdenden Vorsitz der Deutschen Bahn seinem Neffen Jakob antragen werde, der zum letzten Geburtstag seine, Germanistenfuzzis, Schaffnertasche, die Kelle, Pfeife und Mütze bekommen habe und schon sehr kompetent damit umgehen könne.

Ich finde das nicht richtig. Welpen müssen sein, schon recht, aber man sollte sie auf ihren Platz verweisen, und ihnen in keinem Fall einen Fußbreit Sessel überlassen, sonst hat man einen Sessel gehabt. Natürlich fällt einem das schwer, wenn sie mit ihren tapsigen Pfoten und großen Köpfen und Kulleraugen daherkommen, einem die Mundwinkel lecken und ein Ministerium abhaben wollen, aber es muß sein. Bei mir jedenfalls bekommt keiner der Welpen, von denen #### behauptet, daß sie von mir seien, eine Schnitte, sondern regelmäßig, wenn ich sie wo sehe, eins übergezogen. Weiß ich denn, ob das wirklich meine sind, und nicht Paddy sein schmutziges Genom im Spiel hat? Oder sonst einer?

Einmal hat #### mir sogar einen Windhund unterschieben wollen, aber der konnte ja nun nicht von mir sein, und von ihr auch nicht, denn #### ist recht hübsch und stämmig, und ich bin ein gut aussehender Königspudel mit englischer Schur. Selbst Germanistenfuzzis neue Freundin stimmt mir da zu: sie kenne sich zwar mit Hunden und Welpen nicht so gut aus, aber sie erkenne einen Knackarsch, wenn sie einen Knackarsch sehe, und von einem meiner Nachkommen müsse man einfach erwarten dürfen, daß er ebenfalls einen Knackarsch habe, was dieses traurige Klappergestell von Windhundbankert an der Stelle habe, wo andere ihren Knackarsch trügen, sei aber nicht der Rede wert, ein Jammerhintern, eine Spottgestalt ehrlichen Sitzfleisches, eine Beleidigung ihres Kennerauges, und sollte in einer besseren Welt von einer möglichst faltenreichen Hose gnädig verdeckt werden.

Ich zog also dem Windhund eins über und schickte ihn nach Hause. Aber selbst, wenn er von mir wäre, kriegte er kein Stück Bratwurst von mir, wenn ich irgendwie an Bratwurst zu kommen wüßte, aber mir fällt im Moment keine Methode ein. Denn bei Bratwurst hört bei mir der Spaß auf, und bei abwesender Bratwurst ist es schon ganz vorbei, die kann man nur schlecht verteidigen, weil man nicht weiß, wo sie ist. Da muß man den Gegner vorsichtshalber bei jeder Bewegung an den Hals gehen, was sehr kräftezehrend ist.

Manche Flachschnauzer, sagt Germanistenfuzzi, namentlich ein gewisser Pawlow, der mit seinem anscheinend unterbelichteten Dackel allerlei sittlich verwahrloste, mißbräuchlichen Einsatz von Lebensmitteln befördernde Experimente veranstaltet hat, sowie ein Herr Skinner – was, wie Germanistenfuzzi sagt, ihn einen guten Namen für einen Windhund deucht -, unterstellten uns Tieren, namentlich uns Hunden, reine Stimulus-Response-Automaten zu sein, die nicht in der Lage wären, über abwesende Gegenstände, namentlich abwesende Bratwürste, zu reflektieren.

Trottel.

Es gebe aber auch gegenteilige Meinungen. Der heilige Thomas von Aquin spreche uns Tieren die Fähigkeit, uns abwesende Dinge in der Phantasie vorzustellen, ausdrücklich zu. So fliehe das Schaf den Wolf nicht aufgrund der unmittelbar wahrgenommenen Farbe oder Gestalt, sondern aufgrund einer aufbewahrten Gestalt.

Aha.

Also müßte ich irgendwo die Gestalt einer Bratwurst aufbewahrt haben? Nicht, daß ich wüßte. Normalerweise hebe ich Sachen, die ich für mich behalten will, unter dem Buchsbaum auf. Aber als ich hinging und nachsah, waren da zwei verscharrte Büffelhautknochen, die aber noch nicht durch waren, das Ostheimer Zebra ohne Ohren, Germanistenfuzzis linker Latschen, das Fensterleder, der andere Socken und ein BH. Keine Gestalt einer Bratwurst dabei.

Es ist aber auch weniger die Gestalt der Wurst, als vielmehr ihr Geruch.

Das sei interessant, sagte Germanistenfuzzi, als ich es ihm mitteilte. Ob das wohl heiße, daß der Herr Lavater, wenn er Pudel gewesen wäre, das Alphabet Gottes nicht mit Hilfe von Silhouetten zu entziffern versucht haben würde, sondern mit Hilfe von Düften? Ob er den Achselgeruch von Persönlichkeiten, ihren Fußschweiß, den Geruch ihrer Talgdrüsen und das Aroma ihres Ohrenschmalzes zur Grundlage der Deutung ihres Charakters gemacht haben würde?

Was sind das für dämliche Fragen! Natürlich würde er das. Was hätte er denn sonst nehmen sollen?

Er habe es mit ihren Silhouetten probiert, sagt Germanistenfuzzi. Habe lauter Scherenschnitte gesammelt, gesichtet, kategorisiert, und schließlich mit Pelikanol in Photoalben geklebt. Die habe er sich immer und immer wieder angesehen, und darauf gewartet, daß es dadurch bei ihm zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe komme.

Was ist denn das für ein Blödsinn? Die Silhouette ist doch vollkommen abhängig von der Schur! Wenn ich mich – was nicht vorkommen wird, solange ich Zähne habe, mich zu wehren – morgen zu einer modernen Schur zwingen ließe, dänn sähe ich zwar zum Davonlaufen aus, aber ich wäre doch immer noch derselbe feine Kerl, der ich bin. Und auf dem Scherenschnitt eines Schäferhundbastards wie Paddy einer ist, würden Sie vielleicht seinen Angeberschwanz sehen können, nicht aber seine dreckigen Krallen, die sehr viel mehr über seinen Charakter verraten, wenn nicht alles. Und wenn meine Schwiegermutter sich im März, im Juni und im September hat trimmen lassen, glauben Sie vielleicht, daß sie die Nase deswegen noch höher halten würde, als ohnehin schon? Würde Sie schon, wenn das ginge, aber das geht nicht.

Feiner Kerl? fragte Germanistenfuzzi betont skeptisch. Nunja, würde er heute morgen noch unterschrieben haben. Aber nach der Sache mit dem Serranoschinken …

Er muß reden! Vielmehr, er sollte endlich aufhören zu reden. Von Essen zu reden. Ich weiß ja, daß ich nach einem halben Pfund Schinken nichts mehr kriegen werde, und ich weiß auch, daß der Schinken mehr gekostet hat, als das Sarrazinsche Bundesbankkantinenmenü für eine ganze Woche, Germanistenfuzzi hat es mir schließlich schon dreimal vorgerrechnet. Aber soo gut war er eigentlich gar nicht. Bzw., wegen der Trennfolien konnte ich ihn schlecht beißen, deswegen habe ich ihn im Ganzen runtergeschluckt, und nicht viel geschmeckt.

Der Socken war besser.

Vielleicht nicht besser. Aber genauso gut.

Vielleicht könnten wir uns auf „Feiner Kerl, mit leichtem Hang zum Sockendiebstahl“ einigen, fuhr Germanistenfuzzi fort, und klebte ein Scherenschnittmotiv von mir, von dem ich gar nicht wußte, daß es das gab, mit Pelikanol auf ein Blatt Papier. Den Scherenschnitt habe seine neue Freundin gemacht, antwortete er, die habe ein Händchen für sowas. Dann schrieb er mit Filzstift „Wanted:“ oben auf das Papier, und „for theft of sock and other items“ darunter. Apropos, sagte er dabei, apropos ‚other items‘.

Ja?

Seine neue Freundin habe sich gestern zum erstenmal unschmeichelhaft über meine Gesittung geäußert. Es sei da von einem BH die Rede gewesen.

Ja?

Nun sei es so, daß er seine neue Freundin zu beruhigen versucht und sie gebeten habe, sich nicht aufzuregen, er werde ihr einen neuen BH besorgen. Gestern sei das gewesen.

Ja?

Gestern sei das gewesen, und er noch in Unkenntnis darüber, was solche Dinger kosten können. Heute wisse er, daß man davon den gesamten Bundesbankvorstand ein halbes Jahr ernähren könnte! Ausreichend!! Abwechslungsreich!!!

Ja?

Ob ich mich mal dazu verhalten könnte?

Also, das war so. Sie hatte morgens, als ich unter dem Briefkasten saß, und sie zu ihrem Fiat gegangen war, da hatte sie gemerkt, wie warm es war, und dann hatte sie erst ihre Handtasche auf den Rücksitz gelegt, und dann hatte sie unter ihrer Bluse genestelt, und dann hatte sie den BH auch auf die Rückbank gelegt, und dann hatte sie die Handtasche wieder hervorgeholt und darin herumgekramt, und dann hatte sie „Ach, menno!“ gesagt und hatte die Handtasche wieder auf die Rückbank geworfen, und dann war sie noch mal zum Haus gegangen, und ich war zum Auto gelaufen, und hatte an der Handtasche geschnuppert, und an dem BH hatte ich auch geschnuppert, und ich wollte ihn eigentlich gar nicht haben, aber dann war sie schon zurückgekommen, und dann mußte ich mich beeilen und bin mit dem BH schnell hinter das Haus gelaufen und habe ihn mit der Schnauze unter den Buchsbaum geschoben, und sie hatte hinter mir hergeschimpft, aber ich hatte so getan, als hätte ich nichts gehört.

Ok, sagte Germanistenfuzzi, er schlage jetzt folgendes Prozedere vor: während er hier diesen Steckbrief vollende, ginge ich nach draußen, holte den BH, den unversehrten BH, und brächte ihn zu ihm. Danach sähe ich zu, daß ich auf meinen Platz käme, die Klappe hielte und mich abwechslungshalber mal zwei Stunden lang nicht muckste. Im Zuwiderhandlungsfall …

Ja?

Im Zuwiderhandlungsfall kriegte ich für den Rest der Woche nur noch Sarrazino-Schinken. Jetzt schrieb er noch „Reward: 4 Bratwürste“ unten auf den Steckbrief.

Das klang ja erst mal nicht schlecht. Was das denn für einen Schinken sei, wollte ich wissen, und wie der schmecke. Besser als Socke?

Da sollte ich meine Augen mal ganz fest zumachen, sagte Germanistenfuzzi. Was ich dann sehen könnte, das sei Sarrazino-Schinken.

Ich machte die Augen zu. Ich konnte zwei große Berge mit Schinken sehen, geschnitten, am Stück, geräuchert, lufttrocken, gekocht, in der Asche gegart, Burgunderschinken, Heuschinken, Prager, Tiroler, Schwarzwälder, Ardenner, Westfälischer, Holsteiner, Schinkenspeck, Nußschinken, Lachsschinken, Pfefferschinken, Kräuterschinken, Weinschinken, Honigschinken, Senfschinken, Knoblauchschinken, Kümmelschinken, Wacholderschinken, Lorbeerschinken, Paprikaschinken, Parma, Serrano, Knochenschinken, Kernschinken, Rollschinken, Katenschinken, Ammerländer, Norderneyer, Schüttorfer, Bacon, Ham, Jambon, Prosciutto, Jamon, Hinterschinken, Vorderschinken, Rauchfleisch, Bündnerfleisch, Schopfspeck, Karrespeck, Kaiserspeck, Bauchspeck, Salzspeck, Seitenspeck, Landschinken, Bauernschinken – und ich sah zwei Esel, die mit gierigen, gelben Zähnen davon fraßen. In der Mitte sah ich mich, der ich mich nicht entscheiden konnte, wenn von den beiden ich zuerst verbellen und verbeißen sollte, so daß ich die Augen lieber wieder aufmachte.

Germanistenfuzzi hatte in der Zwischenzeit den Steckbrief an den Kühlschrank gepappt, über das Bild von Günther Oettinger.

Das beste Diätschwein, daß er je gehabt habe, sagte er. Es habe ihn zuverlässig vom Kühlschrank vertrieben, wann immer er müßiger Weise in dessen Nähe gekommen sei. Aber nun habe es ausgedient. Nunmehr tue es not, immer daran zu denken, mir nichts mehr aus dem Kühlschrank zu geben. Und zwar so lange nicht, bis alle ‚items‘ ihren rechtmäßigen Eigentümern restituiert seien.

O Mann! Vielleicht gebe ich den BH doch besser zurück. Das kleine Loch, daß ich in den rechten Cup geknabbert habe, fällt vielleicht nicht auf. Und daß der Bügel verbogen ist, wird schon nicht so schlimm sein.

Andererseits soll ich danach zwei Stunden auf meinen Platz und mich nicht mucksen. Und Germanistenfuzzis Steckbrief hängt am Kühlschrank, und immer wenn ich ein bißchen vor der Kühlschranktür schnuppern will, werde ich an vier abwesende Bratwürste erinnert.

Ich habe noch einen anderen BH, aber der gehört ####, und da geht auch mehr rein. Ich weiß noch, wie sie damals danach gesucht haben, aber nicht lange, weil Germanistenfuzzi gedacht hat, #### hat ihn wieder angezogen, und #### hat gedacht, Germanistenfuzzi hat ihn als Trophäe in die Hosentasche gestopft; aber da lag er in Wirklichkeit schon zusammen mit dem Beinscheibenknochen vom Mittagessen vergraben unter dem Rhododendron. Mit Germanistenfuzzis DNA-Spuren drauf.
Vielleicht kann ich den seiner neuen Freundin bringen.

Die gibt mir bestimmt eine Bratwurst dafür. Mal sehen.

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