Armut schadet der Natur

Die Annahme, Wirtschaftswachstum, Industrialisierung und Technisierung seien die größten Feinde der Natur, gehört zum Kanon der gängigen Überzeugungen, die selten infrage gestellt werden, außer von uns beiden, die wir klüger sind. Dabei haben sie mehr mit Filmschnitt zu tun als mit meßbaren Tatsachen. Mit meßbaren Tatsachen hätten sie nur dann zu tun, wenn Wirtschaftswachstum, Industrialisierung und Technisierung hie mit Armut dort zu tun hätten, aber das ist natürlich Quatsch. Das wäre ja, als wollte man behaupten, daß das dry-aged Roastbeef vom Angusrind im Sternerestaurant ursächlich etwas mit dem giftigen Klärschlamm in den Klärschlammdeponien zu tun hätte! Das Angusrind ist doch nicht giftig, der Klärschlamm ist es. Deswegen hat man seine Lagerung in Deponien auch verboten. Richtig so!

Auch Armut sollte verboten werden.

Sehen wir uns doch unvoreingenommen um: eine Hightechschmiede in der Käsdorfer Heide. Flüsterleise, man sieht sie kaum, erst, wenn man direkt vor ihr steht. Der Chef kommt mit dem Tesla, die Sonne scheint, die Vögelein singen, im Moos tummeln sich die Eichhörnchen, drumherum Steinbock, Biber, Wildkatze, Bartgeier und Luchs. Sogar Wolf und Elch kehren zurück, sowie Germanistenfuzzi, der seine Hunde anschnauzt, daß sie den Aurochs loslassen sollen.

Hier werden die allermodernsten, allerfeinsten Elektronik-Gadgets entwickelt und designed, die Ingenieure kriegen ein Schweinegeld und keiner hüpft vom Dach. Warum auch? Kein Gebäude hat mehr als ein Stockwerk, es würde die Mühe nicht lohnen. Und dort, wo der Bettel gefertigt wird, hat man Fangnetze. Hüpft einer dennoch, kriegt er Prügel obendrein.

Hie also das Idyll. Dort aber der Moloch: die Armut. Sehet die Container mit Elektronikschrott, sehet die braunen Kinder mit den barften Füßen auf dem scharfgratigen Schrott herumklettern. Sie versuchen, den Schrott zu recyceln. Recycling ist gut, lautet die gängige Überzeugung, die auch selten infrage gestellt wird, außer von uns beiden, die wir dank Gottes Gnade tieferen Einblick in die Zusammenhänge haben.

Recycling ist böse. Es schafft Armut, siehe Indien, siehe die barfüßigen Kinder. Und Armut zieht Schrott an, siehe die vielen Schiffe, die den weiten Weg von Europa nach Indien finden! Sieht man diese Schrottberge bei uns? Nein. Nicht in den reichen Industrieländern wie Deutschland oder den Vereinigten Staaten. Denn es ist doch so: nicht der gutbezahlte Ingenieur pinkelt in seinen Swimmingpool, aber die armen Slumbewohner von Manila, sie pinkeln und kacken in die braune Brühe vor ihren Elendshütten, auf der ein paar Kinder auf Styroporbrocken herumpaddeln. Hat der Fluß das verdient? Nein, das hat er nicht verdient! Aber so ist sie halt zur Natur, die Armut. Gnadenlos.

Auf dem Rasen vor der Käsdorfer Gadgetschmiede äsen Einhörner und weiße Hindinnen, von denen es wieder mehr gibt als noch vor 50 oder gar 100 Jahren. Im Gnadenhof finden Esel, Hunde, Katzen und Hähne ein Unterkommen, die zu Grimms Zeiten noch allesamt im Suppentopf geendet wären. Aber wer kann sich einen Gnadenhof für nutzlose Nutztiere leisten, wenn nicht der Reichtum? Die Armut jedenfalls nicht. In China müssen alte und nutzlos gewordene Schweine zur Belustigung der Bevölkerung turmspringen, und in Vietnam werden „Glücksschweine“ bei lebendigem Leib in zwei Stücke gehauen, damit die abergläubische Bevölkerung Banknoten in deren Blut tauchen kann.

Aberglaube ist immer ein Produkt von Armut, das ist wissenschaftlich erwiesen. Mindestens von Armut im Geiste. Auch in Deutschland findet man ihn noch, unter den entsprechenden Leuten. Die glauben, daß Armut gut mache, Reichtum hingegen korrumpiere. Ein Blödsinn, der selten infrage gestellt wird, außer von reichen Leuten, wie zum Beispiel uns beiden. Wir wissen es besser: wir sind einfach die besseren Menschen. Wer sorgt denn dafür, daß hierzulande Schlachttiere in erbärmlichen Massenställen gehalten, und die Honorarschlachter ausgebeutet werden? Das sind doch diejenigen, die dem Aberglauben aufsitzen, Fleisch müsse billig sein, damit auch sie sich welches leisten können! Das sind doch nicht wir, das sind doch nicht die, die einen Hartz IV-Satz für ein dry-aged Roastbeef vom Angusrind ausgeben können!

Sie sind nicht überzeugt? Das wundert uns nicht. Wenn alle Leute so klug wären wie wir, gäbe es für unsere Besserwisserei keinen Markt. Drum: bleiben Sie, wir bitten Sie, wie sie sind: dumm. Wenn Sie es aber besser wissen wollen, dann fragen Sie ein Angusrind, ob es seine irische Weide mit einem Käsdorfer Schweinestall tauschen möchte. Und fragen sie die Käsdorfer Heide, ob sie gerne abgeholzt und durch eine Palmölplantage ersetzt werden möchte. Das würde ihr nämlich blühen, wäre Käsdorf so arm wie Kamerun. Und das kann schnell geschehen, wenn man den größten Steuerzahler mit unvernünftigen Forderungen zum Arbeits- und Umweltschutz an seinen Produktionsstandorten vergrätzt.

Wir brauchen kein Palmöl. Unser dry-aged Roastbeef vom Angusrind hat eine feine Fettmarmorierung und eine zwei Zentimeter dicke Fettschicht oben. Was sollen wir mit Palmöl?

Über ein paar Anteilsscheine an Kameruns Palmölplantagen, so als Absicherung unseres Alterswohlstands, könnte man reden.

Ein Kommentar zu “Armut schadet der Natur

  1. flurdab sagte am 24. Oktober 2013 um 07:39:

    Köstlich!


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