R.O.T.S.P.O.N. – Der volle Kanal

Im Bestreben, uns zu zeigen, was wir weder wissen wollen noch infrage stellen, daß er nämlich seinen Privatkrieg gegen die Wahrheit, die Vernunft, die Sprache, die Logik und den Geschmack noch nicht verloren gibt, schreibt Jan Fleischhauer in einem Artikel über den Erzfeind aller linken, aller rechten und aller sonstigen Deutschen:

Wo sind eigentlich die Leute geblieben, die in der Wahlnacht 2012 Obama-Buttons trugen?

Äh, die sind zum Teil zuhause, einige arbeiten, etliche sind im Urlaub, manche entschuldigt wg. Krankheit, andere fehlen unentschuldigt, einige wenige sind gestorben, ausgewandert, haben sich entleibt, sind von Außerirdischen entführt worden oder legen Wert darauf, daß es ihre Privatsache sei und keinen was angehe. Die meisten sind aber da, wo sie in den Tagen vor bzw. nach der Wahlnacht auch waren. Warum fragt er? Ach, das will er gar nicht wissen? Er will vielmehr wissen, wo die ganzen Obama-Buttons hin sind? Nun, die liegen zum Teil in der Schublade mit den leeren Batterien, dem Kleingeld, der Sicherheitsnadel und dem halben Kugelschreiber, zum Teil sind sie in der Müllverbrennung, verloren gegangen, in die Spree geworfen worden, zu Mobiles verarbeitet, verschönern hier und da eine Hobbykellerwand – es wird ihnen nicht viel anders ergangen sein, als damals den Willy-wählen-Buttons seligen Angedenkens. Wie es Buttons halt so geht. Das Leben ist hart. Was denn, das will er auch nicht wissen? – Was will er dann wissen? – Er will gar nichts wissen, er will einfach bloß klugscheißen?

Ei so scheiße er klug.

Alle sind plötzlich furchtbar enttäuscht vom US-Präsidenten.

Alle nicht. Ich z.B. nicht. Warum soll ich enttäuscht sein – er ist doch immer noch schwarz, oder? In der Hinsicht hat er sein Wort doch gehalten. Und daß einer, bloß weil er schwarz ist, ein guter Präsident sein müßte, das ist doch Kappes. Ich weiß noch, wie sie mir im Zivildienst lästig gefallen sind mit der Zumutung, ich müsse als Kriegsdienstverweigerer doch auch für die Gleichberechtigung der Frau sein und darum die Binnenmajuskel im Munde führen. Ich sage, wieso muß ich das, das muß ich nicht. Und wenn ihr mich im Krieg gegen das Patriarchat als Waffenbruder haben wollt, sage ich, dann überlaßt ihr gefälligst mir, wie es unter Verbündeten üblich ist, die Wahl der von mir beizusteuernden Waffengattung. An der Binnenmajuskel, sage ich, bin ich nicht ausgebildet. Ich weiß nicht, wie man die einsetzt. Nachher geht der Zünder nicht, und ich fummel dran rum, und dann geht er doch, und es reißt mir den Finger ab oder Schlimmeres. Geht mir weg! Die Binnenmajuskel könnt ihr benutzen, wenn ich tot bin, in meiner Todesanzeige von mir aus, wenn auch nicht unbedingt ausgerechnet auf meinem Grabstein. Das wäre unfein und gehässig. Obwohl mir auch das dann wahrscheinlich egal wäre. Bis dahin aber könnt ihr euch die Binnenmajuskel dorthin stecken, wo ihr sie gerne hättet und ich sie nicht sehen muß.

Also, ich bin nicht „plötzlich furchtbar enttäuscht vom US-Präsidenten“, ich bin seit langem furchtbar enttäuscht vom US-Präsidenten. Wenn einer hergeht und sich wählen läßt, weil er verspricht, Guantanmo dichtzumachen, und er wird gewählt und er macht Guantanamo nicht dicht, weil er sagt, die Republikaner wollen nicht, daß ich Guantanmo dichtmache, was soll ich machen, wer ist hier schließlich Präsident, die Republikaner oder ich? dann soll man wohl von ihm enttäuscht sein. Dann fragt man sich nämlich, wer denn eigentlich hier der Präsident ist, er oder die Republikaner oder wer?

Dabei ist die amerikanische Rundum-Spionage nur die Kehrseite seines Friedensversprechens.

Ach tatsächlich, ist sie das? Da sieh einer an. Ist es denn so, daß die amerikanische Rundum-Spionage ganz plötzlich aus der Kiste gehüpft kam und auf einmal da war, so wie die Enttäuschung über Obama? Ist nicht die amerikanische Rundum-Spionage vielmehr ein Kind von Bush und Cheney, ein widerwärtiger Wechselbalg, gezeugt in obszöner Umarmung auf schmierigem, wanzenverseuchtem Lager, das mittlerweile ein Dutzend häßlicher Jahre zählt, verwahrlost ist, keinerlei Erziehung genoß, und nun, cracksüchtig und frühreif, sich prostituierend, schwanger geht mit noch weitaus Ekelhafterem als sich selbst?

Aber gewiß doch.

Was denkt wohl das Nobel-Komitee in Oslo über seinen Friedenspreisträger von 2009? Ich habe gestern noch einmal die Begründung für die Vergabe des Nobelpreises an Barack Obama gelesen. „Als US-Präsident hat Obama ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen“, heißt es dort. Man verleihe ihm den Preis, „für seine außergewöhnlichen Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie“ und zur Zusammenarbeit zwischen den Völkern: „Es kommt nur selten vor, dass eine einzelne Person es in dem Maße wie Obama schafft, den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben.“

Was das Nobel-Komitee denkt, über seine Friedenspreisträger von 2009 oder sonstwen oder überhaupt, ist einem Manne von Geschmack aus tiefstem Herzensgrunde gleichgültig. Muß es sein, wenn er nicht über der Frage, was ein Komitee sich eigentlich denkt, ehe es einem Heinrich Böll den Nobelpreis für Literatur gibt, Hirnerweichung bekommen möchte. Oder einer Elfriede Jelinek. Wer so etwas tut, der kriegt es auch hin, der Europäischen Union den Friedensnobelpreis zu verleihen. Das Nobelpreiskomitee wollen wir also mal ganz schnell in der Crackpfeife rauchen. Sowieso war die Verleihung des Preises an Obama nur als Gemeinheit gegen diesen konzipiert und gedacht. Hat auch funktioniert. Wenn man einem amerikanischen Demokraten das Leben schwer machen will, dann präsentiere man ihm seinen Republikanern als Friedensfredi, als Weichei und Windelträger. Das mache man. Dann stelle man seinen Gegnern solcherart Munition zur Verfügung. Die sind an dieser Waffe ausgebildet, und zwar gut. Das Nobelpreiskomitee hat mit der Verleihung Obamas Ruf genauso ruiniert, wie es zuvor bereits den Ruf des Nobelpreiskomitees ruiniert hatte. Ja, man darf annehmen, daß das Komitee am Zustandekommen und am Erfolg der Tea-Party keinen geringeren Anteil hat, als ein Stalin am Zustandekommen des 50jährigen europäischen Friedens. Sowieso darf man fragen, wer eigentlich den Friedenspreis eher kriegen sollte, die Henne oder das Ei? Die Henne Stalin oder das Ei EU? Wer sollte den Preis überhaupt kriegen? Der Gesinnungsfredi oder der Verantwortungsfredi? Oder der, der, ohne Frieden zu wollen, den Krieg vorbereitet und damit in seiner historischen Sekunde genau das Richtige tut, wenn auch aus den komplett falschen Gründen, und ohne daß man sicher sein könnte, daß er überhaupt ein Herz hat, aus dessem Grunde ihm das gleichgültig sein könnte. Weil er nämlich als Mensch schlicht in die Kategorie ‚vollendeter Lump‘ gehört.

Man könnte fragen, ob einem sein alter Chemielehrer nicht recht hatte, als dieser verlangte, Nobelpreise sollten überhaupt nur für Chemie verliehen werden, für andere Fächer nicht. Für Frieden und Literatur schon gleich überhaupt gar nicht, aber er für sein Teil mißtraue sogar der Physik. Erträge menschlicher Geistesanstrengung, die eines Nobelpreises würdig seien, sollten von der Art sein, die früher oder später Kawumm! macht.

Selbst das Nobel-Komitee hat nicht immer in der Hand, welchen Weg die Preisträger nach der Auszeichnung gehen. Arafat war auch nach der Salbung zum Friedensbringer nur schwer von der Idee abzubringen, dass Bomben auf israelische Straßencafés der beste Weg zum Palästinenserstaat seien. Henry Kissinger machte unverdrossen den Diktatoren in südamerikanischen Folterparadiesen den Hof, bevor ihn der Wahlsieg des Abrüstungsevangelisten Jimmy Carter seines Amtes als Außenminister beraubte.

Aber wahrscheinlich ist man auch in Norwegen ein wenig konsterniert, wie wenig sich der US-Präsident um die Hoffnung der Menschen auf eine bessere Zukunft schert – beziehungsweise welch eigenwillige Vorstellung er davon hat, wie das Klima in der internationalen Politik aussehen sollte, für dessen Neugestaltung er prämiert wurde. Da ist es nicht einmal mehr ein Trost, dass er eine Krankenversicherung für alle eingeführt hat.

Selbst das Nobel-Komitee? Was soll das heißen selbst das Nobel-Komitee? – Was mich bei Fleischhauer immer wieder zur Weißglut treibt, ist seine Sturheit, seine beinahe schon obamasche Art, Dinge einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Da hat man über zwei Absaätze hin dargelegt, daß es das Nobel-Komitee ist, das hier die eigenwilligen Vorstellungen von allem möglichen hat und nicht Obama, und was macht er, Fleischhauer? Schreibt weiter, als wäre nichts gewesen. Als hätte er nichts gehört. Als wären alle meine Bemühungen eitel Wind, der im Weinlaub raschelt.

Apropos Weinlaub. Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment, wärend ich den Korkenzieher suche.

Die Enttäuschung ist riesig

Ja, die Enttäuschung ist riesig. Prost! Obama muß damit rechnen, bei der Wahl zu seiner dritten Amtszeit auf die Stimmen aus Deutschland verzichten zu müssen. Aber um da anzuknüpfen, wo ich vor der Korkenziehersuche – nein, ich habe ihn nicht gefunden; aber ein altes Taschenmesser, in der Schublade mit der halben Wäscheklammern und dem trocken gewordenen Heftpflaster -, um also da anzuknüpfen, wo ich vorhin aufgehört habe: sage mir doch keiner, ich müsse berücksichtigen, daß Fleischhauer bei Niederschrift seines Stiefels meine Replik doch noch gar nicht habe kennen können, denn dazu sage ich Folgendes: ach ja? Muß ich das? Ich muß das, aber er muß das nicht? Dann erklären Sie mir mal folgenden Satz:

Man muss zur Ehrenrettung der guten Menschen von Oslo sagen: Sie waren in ihrer Anhimmelungs- und Verehrungsbereitschaft nicht allein.

Das Nobelkomitee, es war nicht allein, als es 2009 Obama den Friedenspreis einschenkte, denn schon drei Jahre später, 2012, fanden in Berlin – was war das, was fand da statt?

Als Obama im November zur Wiederwahl anstand, war ich auf den Wahlpartys in Berlin einer von drei Leuten, die keinen Obama-Button trugen.

Ach ja richtig, Wahlpartys, ich erinnere mich. Wir waren zu dritt, der eine war Fleischhauer, der andere ein älterer, schon etwas schusseliger Herr, der einen Willy-wählen-Button trug, und der dritte war ich. Ich trug meinen Rick-Perry-Button, nein, meinen Michelle-Bachmann-Button. Oder war es mein Newt-Gingrich-Button? Nein, es war mein Herman-Cain-Button!

Ich hatte Glück, dass die meisten dachten, ich hätte einen schlechten Scherz gemacht, weil ich mich stattdessen zu Romney bekannte.

Ja, er hatte Glück. Die Gedankenpolizei, die aufpaßt, daß man sich hierzulande nicht zu Mitt Romney bekennt, kam nicht zum Zug, weil sie sich nicht vorstellen konnte, daß man sich ernsthaft zu Mitt Romney bekennen könnte, und die Geschmackspolizei, zuständig für schlechte Scherze, war auf Betriebsausflug. Er wäre sonst abgeführt worden.

Romney, muß man dazu wissen, wurde im Wahlkampf 2012 von den Demokraten und von der Tea-Party unterstützt. Und von Jan Fleischhauer. Wir anderen Republikaner waren uns hingegen nicht einig, wen wir wollten. Wir waren uns nur einig, wen wir nicht wollten: Romney. Denn wir alle wußten, alle bis auf Jan Fleischhauer, heißt das, der einzige, der eine Chance hatte, die Wahlen gegen Obama zu verlieren, das war Romney. Deswegen wollte die Tea-Party ihn, denn sie wollte auf keinen Fall einen weißen Präsidenten, gegen wen hätte sie denn dann randalieren sollen? Sie wollte Obama behalten.

Auch ich möchte Jan Fleischhauer behalten, übrigens. Ich möchte nicht, daß auch er noch zur WELT wechselt. Jetzt, nachdem auch Matussek dahingegangen ist, ich meine: dahin gegangen ist, und die anderen schon da waren, könnte man den Verdacht haben, die WELT werde von den anderen Zeitungen sozusagen als Bad Bank geführt, in die man alle Knallköppe auslagern kann, so daß sie aus den Büchern verschwinden. Kann ja auch sein, daß es stimmt. Prost, übrigens – hatte ich schon gesagt? Schadet nichts – möge es nützen!

Denn es würde mich hart ankommen. So wie mir der Verlust von Herman Cain immer noch zu schaffen macht.

Jetzt ist die Enttäuschung natürlich riesig. Der „Stern“ verlangt die Aberkennung des Nobelpreises.

Geht das? Kann man das? Dann möchte ich beantragen, daß man Günter Grass den Literaturnobelpreis ab- und ihn statt dessen dem Stern zuerkennt, Sternchen vielmehr, dem Stern sein Kindelein, und zwar für den Abdruck von Jimmy, das Gummipferd.

Bei der „Zeit“, wo man traditionell Leute schätzt, die viel von globaler Verantwortung reden, sitzt der Schock so tief, dass man sich vor Schreck selber der Blauäugigkeit bezichtigt („Wir waren zu naiv“).

Waren? Imperfekt? Wieso Imperfekt? Ist Präsens zur ZEIT aus?

Es ist aber alles andere als ein Zufall, dass Obama die Spionage zur Chefsache gemacht hat. Der Bush-Nachfolger hat versprochen, Amerika aus Kriegen herauszuhalten und seine Soldaten wieder vorzugsweise dort zu stationieren, wo sie die Europäer am liebsten sehen, nämlich zu Hause.

Ja, die Europäer, vorneweg die Deutschen! Von Kriegstreibern zu Kriegshintertreibern mutiert – den Amerikanern würde es so schnell nicht einfallen, ihre Soldaten am liebsten zuhause zu sehen, den Müttern nicht, den Vätern nicht, den Kindern nicht, nicht Braut, nicht Bräutigam, nicht Präsident und nicht Kongreß. Nicht einmal Ron Paul. Von den Kollateraltoten hie und da auf der Welt erst gar nicht geredet; die sind tot, was interessiert’s die noch? Nicht einmal den Soldaten selbst. Die sind am allerliebsten da, wo sie mit gutem Grund gehaßt werden, wo der Hinterhalt möglichst dicht ist, jedes Kind eine Sprengfalle sein kann und jede Hochzeit ein Trupp Taliban. Wo man so nette Bildchen mit dem iPhone machen kann. Dann, nachdem sie die Grundlage für eine ordentliche posttraumatische Belastungsstörung gelegt gekriegt haben und eventuell noch am Leben sind, wollen sie immer noch nicht nachhause. Was sollen sie da? Haben die größten Schwierigkeiten, sich im zivilen Leben zurechtzufinden, laufen Amok, hängen sich auf und warten jahrelang auf ihre Rente.

Mit anderen Worten: sie haben Unternehmungsgeist. Der gute alte Spirit vom guten alten Wounded Knee.

Soweit das Amerikabild des Jan Fleischhauer. Nun zum Amerikabild der Deutschen: es ist so ähnlich. Machen wir uns nichts vor, Jimmy, das hohe Roß des Antiamerikanismus, gehört bei uns in jede Redaktion. Es hat dort Kost und Logis. Meist häng es schlaff in der Besenkammer am Haken, aber momentan steht es bis zum Bersten aufgepustet mitten in der Teeküche und schnaubt. In manchen Blogs hat man ihm schon mit hörbarem Plopp den Korken aus dem Hintern gezogen, um es fliegen zu lassen. Vorerst macht es aber nur Wind.

Dafür wurde er von allen geliebt, vorneweg von den Deutschen, die am liebsten Frieden ohne Waffen schaffen. Weil Obama aber nicht der rehäugige Bürgerrechtler ist, für den ihn viele hierzulande hielten, sondern ein Machtpolitiker aus Chicago – einer der kältesten, härtesten und übrigens auch korruptesten Städte der USA -, hat er sein Versprechen mit dem Sicherheitsbedürfnis seiner Landsleute in Einklang gebracht.

Das kann man wohl sagen, daß Chicago korrupt ist. Fragt sich bloß, warum man das sagt. Um Obama eng passang noch eine zu verpulen? Bzw. seinen Fans, den Deutschen? Dann hätte da aber noch einer draufgepaßt. Denn wo liegt Chicago? In Illinois? Dessen Gouverneur (ein Demokrat, natürlich!) versuchte, nach Obamas Wahl zum Präsidenten dessen freiwerdenden Senatssitz zu verkaufen, wofür er in den Knast wanderte. Und wer ist Bürgermeister von Chicago? Vielleicht der ehemalige Stabschef des weißen Hauses? Stabschef unter Obama, wohlgemerkt?

Vielleicht. – Was sagt uns das? Chicago ist Obama und Obama ist Chicago. Böse und korrupt bis in die kalten, windigen Knochen. Bad, bad Leroy Brown.

Und wer sagt uns das? Ein Mann aus Hamburg, kriminalstatistisch gesehen einer Stadt ausgesprochenen Mittelmaßes, mit lauter sympathischen Kleinverbrechern und lauter sympathischen Polizisten, wenn wir dem Großstadtrevier trauen dürfen, was wir natürlich tun. Aber auch einer Stadt mit der weitaus größten Journalistendichte, weshalb man sie sicher zu den verlogensten Städten Deutschlands zählen darf. Als Beweis diene der folgende Absatz:

Wer die Sicherheit Amerikas ohne Truppeneinsätze garantieren will, muss sich andere Formen des Heimatschutzes überlegen. Deshalb schickt Obama Drohnen mit einer solchen Häufigkeit, dass man mit deren Flugplan einen eigenen Airport unterhalten könnte, und lässt seine Späher den halben Globus belauschen. Die Totalüberwachung ist die Kehrseite seines Friedensversprechens, das ihm den Nobelpreis eintrug. Gut möglich, dass auch ein Mitt Romney den Abhörexperten der NSA freie Hand gelassen hätte. Aber die Republikaner rennen auch nicht durch die Gegend und lassen sich dafür feiern, wie sie die Welt verbessern wollen.

Die Truppeneinsätze, die zu beenden Obama im Wahlkampf 2008 versprochen hatte, und zwar seinen Wählern, Amerikanern, nicht etwa Deutschen, denn die Deutschen waren 2008 aufgrund einer noch aus dem kalten Krieg stammenden Vereinbarung bei der Wahl des amerikanischen Präsidenten noch gar nicht stimmberechtigt, ein Versprechen, für das er, so müssen wir annehmen, sogar gewählt worden ist, diese Truppeneinsätze, zum Beispiel der im Irak, diese Truppeneinsätze dienten also der amerikanischen Sicherheit? – Lüge #1.

Lüge #2: Obama schicke Drohnen, weil er ja irgendwie sicherstellen müsse, daß das Leben weitergeht, auch nach den Truppenabzügen. Also nicht das Leben, sondern – das Leben gerade nicht – also – Sie wissen schon, was ich meine. – Titelvorschlag für eine Agentenkomödie: Barack O. schickt seine Drohne. Derek Flint schickte seine Leiche, Barack O. schickt seine Drohne. Barack O. schickt seine Drohnen, weil Drohnen schicken preiswerter ist als Fußbodenkriege führen. Auch deren ideelle Kosten sind geringer. Man denke, wieviele vietnamesische Zivilisten sterben mußten, und nicht einfach bloß sterben, sondern qualvoll verbrennen, bzw. im Fall des Überlebens immerhin noch die Haut abgezogen kriegen, weil sich das Napalm anders nicht entfernen ließ. Und das alles nur, damit die Amerikaner einen Krieg verlieren konnten. Bzw. Le Duc Tho und Kissinger den Friedensnobelpreis abräumen. Eine Drohne, die braucht man nur in die Hände des Gegners fallen zu lassen, schon ist der Krieg vorbei. – Drohnen brauchen keine Gefängnisse, in denen amerikanische Aufseher amerikanisches Ansehen herabsetzen könnten, indem sie mit dem iPhone neckische Filmchen drehen. Und anders als Veteranen, die, je länger sie Amoklauf und Strick überleben, volkswirtschaftlich betrachtet immer teurer werden, werden Drohnen immer billiger. Mittlerweile gibt es sie beim Mediamarkt in den Grabbelkörben vor der Kasse.

Lüge #3: ER lasse SEine Späher den halben Globus belauschen. Falesch! Der Globus – und nicht nur der halbe -, er belauscht sich selbst. Schneidet alles mit. Schickt es auf die Reise. Leitet es in Siele und Schächte, in Pumpwerke, Rückhaltebecken und Absperreinrichtungen. SEine Späher – und nicht nur die seinen, die unseren sind da immer mittenmang, sie gehen damit bloß nicht so hausieren – stellen sich den Liegestuhl daneben und müssen nur noch die Goldpfanne in den Sammler halten und sie hin und wieder umdrehen, damit es nicht zum Nuggetstau kommt. Big Data muß – der Name will es – ‚big‘ sein, sonst kommen keine Prospektoren; in der Seseke wäscht keiner Gold. Herrschaftszeiten, 2001, da haben wir unsere Downloads noch auf dem Zip drive gespeichert, und sind uns wer weiß wie vorne vorgekommen. Damals war eine externe Festplatte noch sehr viel teurer als ein konventioneller Krieg. Damals hätte ein Rechner mit der Kpazität, eine Drohne zu steuern, noch einen kompletten Lastwagenanhänger eingenommen. – Ok, das war jetzt übertrieben. Aber das war der Zip drive auch schon, und keiner hat was gemerkt. Also bitte!

Man muß doch auch mal historisch denken.

Die Sprachlosigkeit der amerikanischen Administration

Zu Recht wird jetzt die Frage gestellt, warum es ein besonderer Skandal sein soll, wenn sich herausstellt, dass auch das Handy der Kanzlerin nicht sicher ist. Merkel selber ist stinksauer, wie man hört – aber nicht darüber, dass man erfahren will, mit wem sie den ganzen Tag telefoniert. Da sie ohnehin davon ausgeht, dass die Russen und die Chinesen mithören, redet oder simst sie immer so, dass man ihr daraus keinen Strick drehen kann, sollte es öffentlich werden. Merkel ist sauer, dass sie auf so kaltschnäuzige Weise an der Nase herumgeführt wurde. Es ist auf der obersten Staatsebene wie im normalen Leben: Man will von Leuten, mit denen man öfter zu tun hat, nicht angelogen werden.

Worüber Merkel stinksauer ist, ist dem Manne von Geschmack aus tiefstem Herzen gleichgültig. Als Regierungschefin muß sie damit rechnen, abgehört zu werden, das zu verhindern, sofern möglich, hat sie Fachleute, es aus der Welt zu schaffen, wenn es trotzdem vorkommt, ihre Rottweiler. Ich meine: das diplomatische Chorps. In voller Öffentlichkeit darob die Contenance zu verlieren, ist entweder Taktik oder unprofessionell. Willy Brandt hat seinerzeit eine solche Situation als Vorwand zum Rücktritt mißbraucht. Taktik oder Unprofessionalität? Pardon-Herausgeber Nikel soll damals getobt haben: „Unmöglich, dieser Brandt! Jede Seite versucht, ihre Mikrophone so nah an die Betten der anderen Seite zu bringen, wie es geht. Wenn er ja noch zurückgetreten wäre, weil er das Betriebsverfassungsgesetz nicht durchgekriegt hat …“

Recht hat er gehabt. Und noch eins: Merkels Telephon abzuhören, ist klassische Spionage. Absolut seventies. Das ist in jeder Hinsicht vollkommen uninteressant. Das hat auch keine neue Qualität. Das macht den NSA-Skandal weder aus noch fett. Man hätte ihr statt dessen einen Romeo ins Bett schmuggeln können. Hätte das wen gejuckt? – Wen? – Sie? – Darf ich Sie mal etwas näher sehen? Können Sie ein bißchen nach vorne kommen, ins Licht – ja, so, danke, reicht schon. So also sieht jemand aus, den es jucken würde, wenn man Merkel einen Spion ins Bett geschmuggelt hätte? – Watt nich all gifft!

Mich würde das nicht jucken.

Sei Brandts Reaktion mal unbewertet da oder dort hingestellt, professionell war damals zumindest das Krisenmanagement. Hätte man Guillaumes wegen vielleicht einen Bruch mit der DDR riskiert? Man bedenke doch bitte, daß die Leute, die ihm damals den Spion ins Bett pfefferten, diejenigen sind, die bei uns heute die Bundeskanzlerin stellen. Ja was denn, was denn?! Etwa nicht? Hätte man sich damals so etepetete anstellen wollen wie Merkel heute, dann könnte Merkel sich heute nicht so etepetete anstellen, wie sie es tut, denn dann wäre sie heute nicht Kanzlerin. Dann hätten wir ’89, als unsere Brüder und Schwestern die Nasen über die Mauer streckten, peinlich berührt zur Seite geschaut und so getan, als hätten wir nichts gesehen.

Ok, ok, wenn Sie meinen, dann differenziere ich eben. Ich differenziere und gebe zu: es gibt einen Unterschied zwischen Stasi und Volk, ok? Und was kriege ich dafür? Kriege ich, wenn ich im Gegenzug eine Differenzierung zwischen NSA und Amerikanern haben will, zwischen Obama und Kongreß, zwischen Legislative und Regierung, kriege ich die dann auch?

Schlimmer als der Zugriff auf das Handy der Kanzlerin ist die Sprachlosigkeit der US-Regierung. Ausgerechnet der Mann, der für seine Eloquenz gelobt wurde, findet keine Worte. Es gibt noch nicht einmal eine vernünftige Erklärung seines neuen Botschafters in Berlin.

Schlimmer als der Zugriff auf Merkels Handy ist die Sprachlosigkeit der deutschen Regierung. Vergessen, daß diese Regierung einen Trojaner auf jedem Rechner haben wollte? Sie vielleicht, sie wahrscheinlich nicht. Hat sie das Ansinnen aufgegeben, nur weil die gesetzgebende Versammlung nicht mitzog? – Das wird sie uns nicht sagen. Beweis: sagt sie es uns etwa? Sie verliert darüber kein Wort. Sie verlor auch kein Wort über den eigentlichen Schaden der NSA-Angelegenheit: die Korrumpierung des Internets und das Verderben der Sitten, indem man Andere zur Komplizenschaft zwingt. Und anschließend noch nicht einmal auf die Daten aufpaßt.

Dieser Schaden ist einer Merkel aus tiefstem Herzen gleichgültig. Mein alter Chemielehrer hatte nicht umsonst seine Vorbehalte gegen Physiker. Sie wird sich ihre Empörung teuer abkaufen lassen, am liebsten durch Aufnahme in die – und wenn das nicht geht durch „privilegierte Partnerschaft“ (Merkel) mit den – „Five Eyes“. Dann fehlt nur noch die ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat – und Deutschland wird wieder das sein, was es immer war: nicht Kriegsabstinenzler, Kriegsgewinnler.

Alles, was es gibt, ist der Auftritt des Alt-Atlantikers John Kornblum, der bei „Günther Jauch“ zu erklären versucht, warum die Amerikaner nicht Freunde, sondern Partner der Deutschen sein. Abgesehen davon, dass es immer eigenartig ist, in der Diplomatie in Kategorien von Liebesbeziehungen zu reden, sind das semantische Feinheiten.

Lügen #4 und #5: Das sind gar keine semantischen Feinheiten, und Kornblum hat ganz recht. Partner ist ein Wort aus dem Rotwelschen, aus der Gaunersprache. Beweis: Geschäftspartner, Sozialpartner, Natopartner. Es hat mit Liebesbeziehungen „überhaupt nichts zu tun. Das ist ne ganz andere Geschichte. Hat damit überhaupt nichts zu tun. Nicht das Geringste hat es damit zu tun. Wenn das einer annehmen sollte … das sind zwei völlig verschiedene Angelegenheiten – faß mich nicht immer an!“ (Karl Dall). Als man aus Freund und Freundin Partner und Partnerin machte, fingen die auch an, sich so zu benehmen. Beweis: „Eine Partnerin, die sich nichts zuschulden kommen läßt, hat auch nichts zu verbergen. Die braucht auch keine Angst davor zu haben, daß ihr Partner ihre Emails kontrolliert. Also sei nicht gleich beleidigt. Du bist schließlich die einzige, deren Email ich kontrolliere. Das zeigt dir, daß du mir wichtig bist. Bei meinen Freundinnen mache ich das nicht.“ (Germanistenfuzzi)

Vielleicht ist es Obama auch einfach egal, was die Deutschen von ihm halten. Das wäre dann die ultimative Kränkung seiner Anhänger.

Lüge #6: Muß es nicht wenigstens heißen: „Kränkung seiner deutschen Anhänger“?

Romney hatte übrigens, im Gegensatz zu Obama, auch keine amerikanischen Anhänger. Nicht einen. Nicht einmal einen fürs Urlaubsgepäck. Als er mal seinen Hund mit in den Urlaub nehmen wollte, und im Auto kein Platz mehr war, mußte er ihn aufs Dach schnallen.

Anderntags trug Jan Fleischhauer einen Romney-Button.

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