Unter Kollegen

Keine Nachsicht mit Weingummi!

Durch Zufall stoße ich am Sonntagabend – es ist gegen 23 Uhr, und ich will eigentlich ins Bett gehen, aber um ins Bett zu gehen, müßte ich zuvor ins Bad, Zähne putzen und vor allen Dingen noch einmal die Toilette aufsuchen, weil, wenn ich das nicht tue, dann habe ich doch allerhand Probleme mit dem Durchschlafen, denn irgendwann nachts ist es soweit, und man muß doch wieder raus und stellt fest: die Nachtruhe bis dahin war eine beschissene. Ohne Erholungswert. Man hätte sie sich auch schenken können – durch Zufall also stoße ich auf den Artikel von der Minderleisterin aus der FAZ-Redaktion – nicht von der Minderleisterin, über die hier neulich schon geschrieben wurde, eine der Minderleisterinnen, sollte ich wahrscheinlich besser sagen, die sie bei der FAZ durchfüttern, denn diese hier heißt anders als die von neulich, deswegen nehme ich an, daß sie bei der FAZ mehrere davon haben. Es könnte natürlich sein, daß sie nur eine Minderleisterin bei der FAZ haben, die aber, wie Kurt Tucholsky, unter fünf Pseudonymen schreibt – aber ich glaube das nicht. Ich glaube, daß sie bei der FAZ 5% Minderleisterinnen in der Redaktion haben, wie überall, wo nicht gar 10%, oder 15%, denn es ist schließlich die FAZ und nicht irgendein Käsblatt. Außerdem ist es gar nicht so ohne, fünf Pseudonyme am Laufen zu haben und so zu tun, als seien das fünf unterschiedliche Personen. Fragen Sie mich ruhig! Sie können natürlich auch jemand anderen fragen, der Ihnen dazu was sagen kann, das stelle ich selbstverständlich anheim. Aber mich können Sie auch fragen.

Weil ich aber zu faul bin, ins Bad zu gehen und die Hosen herunterzulassen – es ist immerhin schon weit im November und ungemütlich – tagsüber war ich auf dem Brocken oben, dort war es ganz nett und sonnig, und man sah hinab auf den Hochnebel ringsum, von oben herab guckt es sich ja immer so recht schadenfroh, was aber natürlich nicht von Dauer ist, denn man mußte ja wieder hinunter – und, wie gesagt, hier unten ist es diesig und unlieblich – zu faul, wollte ich sagen, mich der Mühe des Toilettengangs zu unterziehen, bleibe ich, wo ich bin, trete von einem Bein aufs andere und schreibe diesen Post hier. Und da wird mir plötzlich klar, wie diese FAZ-Meinungsartikel eigentlich zustande kommen: genauso. Sie empfinden einen ungeheuren Druck, und etwas muß raus, und bis zu einem gewissen Grad empfinden sie – das ist bei uns ja nicht anders – auch Wollust dabei, und dann kommt es eben zu Ersatzhandlungen, und anderntags steht der Scheiß in der Zeitung.

Thema des Artikels, wie bei Minderleisterinnen üblich: die Anderen. Da sind wir High-Performer bei Tropfen am Eimer ja anders. Wir schreiben ausschließlich über uns und sehen zu, daß wir uns selbst ins rechte Licht rücken. Und warum auch nicht? Wenn man sich nicht selbst ins beste Licht rücken will, was schreibt man dann erst? Egal, über was wir schreiben, letztendlich sind wir selbst das Thema. Es geht uns zum Beispiel nicht um die Minderleisterinnen in der FAZ-Redaktion, bewahre, die sind uns bloßer Hintergrund, auf den wir unseren wohlgeformten Schatten fallen lassen wollen. Es hat das, wenn Sie mich fragen, etwas zutiefst Menschenfreundliches, und wenn Sie jemand anders fragen, dann tun Sie das, aber ich frage mich natürlich, warum Sie jemand anders fragen wollen würden, wenn Sie genausogut mich fragen können?

Da schreibt also die Frau Dingenskirchen – sie heißt nicht Dingenskirchen, sie heißt auch nicht Thingummy, aber sie heißt so ähnlich, und ich würde mir diesen Namen niemals merken können, deswegen nenne ich sie Weingummi. Weingummi kann ich mir merken, denn das habe ich als Kind gegessen. Als Erwachsener nicht mehr, aber das liegt daran, daß das Weingummi nicht mehr diesen Proust’schen Geschmack hat, den Weingummi hatte, als es noch mit gesundheitsschädlichem Farbstoff hergestellt werden durfte. Das ist verboten. Statt dessen schreibt Frau Dingenskirchen gesundheitsschädliche Kommentare. Das ist nicht verboten, aber es ist natürlich geschmacklos. Geschmacklos wie das Weingummi von heute.

Also nochmal: Frau Weingummi schreibt über eine Firma namens Yahoo, bei der ich in der frühen Neuzeit, im letzten Jahrtausend, mal einen Mail-Account gehabt haben muß, den ich aber nie benutzt habe, weil es, wenn man das Portal von Yahoo aufsuchte, dort zuging wie – ich will nicht sagen: oben auf dem Brocken, denn dort ist es, selbst an einem besucherreichen Tag, trotz Mountainbikern und Saufköppen in Rudel-T-Shirts, noch halbwegs nüchtern, kahl und dezent, aber so ähnlich wie oben auf dem Drachenfels, auf dem ich in meiner Weingummizeit einmal gewesen bin, und den ich als barockes Fest der Sinne in Erinnerung habe, als Rummelbusch & Cie., eitel Lärm und grellbuntes Zuckerherzgebaumel, wo man, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, den Papst Paul als Badethermometer kaufen konnte. Da ich mich von niemandem an den Papst Paul erinnern lassen muß, bin ich also nie wieder bei Yahoo gewesen, und es sei hier festgehalten, daß es mir von Herzen gleichgültig ist, wer bei Yahoo das Sagen hat, was er sagt, ob er tut, was er sagt, was das für Folgen hat und ob Yahoo pleite geht oder nicht; seitdem Yahoo Altavista übernommen hat, das bis dahin meine Suchmaschine war, ist mir das wurst. Bei welchem Stichwort mir einfällt, bzw. auffällt, daß, wenn die Abfassung dieses Posts sich noch lange hinziehen sollte, ich mein Vorhaben, solange den Stuhl zu verhalten, einer Revision werde unterziehen müssen. Ächz!

Aber noch mag es gehen. Meine Einstellung gegenüber der Frau Weingummi würde sonst entschieden nachsichtiger werden, und das will man ja vermeiden. Das ist ja nicht der Sinn der Sache. Das will man ja nicht nachlässig herbeiführen.

Nun aber: bei Yahoo gibt es seit irgendwann eine Vorstandsvorsitzende namens Marissa Mayer, und die hat irgendwann irgendeinen Zimt eingeführt zwecks Mitarbeiterbewertung, und hat den Zimt für alle verbindlich erklärt, und ein Teil der Leute hat sich dagegen verwahrt, und das ging durch die Presse und hat mich nicht interessiert. Das nutzt Frau Weingummi dazu, ihre eigene Agenda nach vorne an die Rampe zu schieben, und die eigene Agenda heißt: „Es giebt auch Zigeuner, die klauen. Und ich bin die einzige, die es sich sagen traut. Und jeder, der zu bedenken gibt, daß nicht alle Zigeuner ununterbrochen klauen, und daß nicht jeder, der klaut, automatisch Zigeuner ist, der will bloß ablenken.“

Nun sagt sie das nicht so wortwörtlich, denn dazu hat sie denn doch keine Traute. Der einzige, der den Mumm hat, zu sagen „Es giebt auch Zigeuner, die klauen,“ bin sowieso ich. Stimmt zwar nicht, der Satz stand mal wortwörtlich in der noch jungen Titanic, aber das muß ich ja nicht wissen, die frühe Titanic ist schließlich nicht online: wer also wollte mir den Diebstahl nachweisen? Doch was Frau Weingummi ist, die paraphrasiert und phantasiert sich die Welt, die sie versteht, widewide, so zurecht:

„Es giebt tatsächlich Leute in Unternehmen, die zu faul oder zu doof sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen, und ich, Bettina Weingummi, habe die Eier in der Hose, es auch zu sagen, und zu fordern, daß dieselben gehen sollen. Ich und Marissa. Und alle anderen halten den Kapitalismus verfehlterweise für eine Art behüteter Werkstatt, die er aber nicht ist. Aber ich durchschaue sie.“

Zwar giebt es große, erfolgreiche Industrieunternehmen, die sich genau solche Abteilungen leisten, in denen Mitarbeiter, die anderswo tatsächlich überfordert wären und untergingen, Beschäftigung finden, in Zusammenarbeit von Arbeitsdirektion und Betriebsrat so organisiert, daß die Betroffenen sich nicht bloßgestellt fühlen müssen. Aber das sind alles Konzerne, in denen Marissa Mayer nicht Vorstandsvorsitzende ist. Zufall? Es giebt keinen Zufall. Wir brauchen da gar nicht weit zu laufen: die FAZ ist so ein Beispiel, dort betraut man die Minderleisterinnen mit der Abfassung von Meinungsartikeln, was noch nie jemanden überfordert hat. Ich sage ja: wenn man es geschickt macht, muß das nicht einmal diskriminierend wirken. Allerdings ist das die Realität, und was hat die Realität in diesem Post verloren? Raus mit ihr!

(Exit Realität)

Kehren wir lieber zurück zu Frau Weingummi. Die schreibt, zwar könne man die Strategie von Yahoo kritisieren, sämtliche Abteilungen über denselben Leisten zu schlagen und so zu behandeln, wie die bayerische Schulbehörde es von ihren Mathelehrerinnen verlangt. Die müssen fehlerlose Arbeiten mit „fünf“ oder „sechs“ bewerten und guten Schülern „Förder“-Unterricht angedeihen lassen, weil die Quotenidioten im Ministerium sonst nicht mitkommen. Das, schreibt Frau Weingummi, könne man zurecht kritisieren als ein Zeichen dafür, daß ein Teil der grauen Zellen in Marissa Mayers Kopf – ca. 5 bis 15% – ihren Job nicht machen. Das schreibt sie. Sie könnte statt dessen auch schreiben: „Man kann zurecht einwenden, daß alles, was ich bis hierher geschrieben habe, Blödsinn war, und das, was ich weiterhin schreiben werde, Blödsinn sein wird“, aber das schreibt sie nicht.

Dabei ist es so. Denn genau dieses Mayer’sche Blindnietenmanagement war es ja, das FAZauf, FAZab kritisiert worden war und für Spott gesorgt hatte, und zwar völlig zurecht. Wie es ja auch völlig zurecht für Spott sorgen würde, wenn ein Startup-Unternehmen in – sagen wir mal – Berlin etwa auf die Idee kommen wollte, Mitarbeiter mit Schippe und Karre loszuschicken, den Hundekot vom Asphalt zu kratzen, weil der kostbare Scheiß hervorragend geeignet sei, feinstes Leder damit zu beizen, und das Startup würde mit diesem vorgestrigen Geschäftsmodell nicht den erhofften Börsenwert erlangen, und Marissa Mayer würde als Vorstand geholt, den Karren aus dem Kot zu ziehen, und als erstes fiele ihr ein, die fünf Prozent Underperformer, die nicht ausreichend von der unverkäuflichen Scheiße ankarren, von der Straße zu holen und auf die Straße zu werfen. Den Rest aber würde sie belobigen -: das würde ja auch für Spott sorgen.

Aber in all diesem Kot wittert Frau Weingummi ihre Chance. Sie weist uns nach, daß es in Wahrheit nicht die Mayerschen Unfugsmaßnahmen sind, um derentwillen dieselbe derzeit durch die Gassen geschleift wird, sondern in Wahrheit wollten wir bloß davon ablenken, verkappte Sozialromantiker zu sein:

Den Konzern möchte ich sehen, wo unter 100 Leuten keine fünf Zitronen zu finden sind, auf die man – im Sinne des Unternehmens – nicht gut verzichten könnte! Drückeberger, die sich auf Kosten der Kollegen einen lauen Lenz machen. Die die Arbeit behindern, weil sie nicht wollen oder es nicht besser können. Die anderen qualifizierten Bewerbern die Chance versperren, den Job besser zu erledigen. Sozial ist ein solches Verhalten nicht.

Ich weiß nicht, ob man die FAZ mit Fug als Konzern bezeichnen könnte, und wenn ja, ob dieser dann als Gegenbeispiel taugen würde. Wahrscheinlich beides nicht. Aber es ist ja auch ganz egal. Was mir indes nicht egal ist – es drückt mich schon eine Weile, und irgendwann muß es ja doch raus: mein Geständnis, warum ich mich eigentlich derartig lange mit diesem unterperformanten Kommentar aufhalte. Nun, das hat zum einen sportliche Gründe, wie oben angedeutet, und zu dem anderen Grund komme ich gleich. Außerdem sind mir die vielen Menschen auf dem Brocken auf den Keks gegangen, wobei es die Mountainbiker sind, die ich ganz besonders tadelnd erwähnen möchte. Der Goetheweg war zur Rechten wie zur Linken auf voller Länge zugeschissen, ob von Menschen oder Mountainbikern, könnt‘ ich nicht sagen. Keinen Hund hätte man dort frei laufen lassen mögen! Drum tat ich dort oben das Gelübde, das erste, was mir zuhause aus dem Internet entgegen gelaufen käme, zur Schnecke zu machen, um mich zu rächen. Und das erste, was mir entgegen gelaufen kam, war nun mal Frau Weingummi. – Ich kann ihn nicht ab, diesen falschen Zungenschlag, diesen rhetorischen Kniff, den Aristoteles den Fleischhauer genannt hat: erst einem anderen etwas in den Mund legen, das er nicht gesagt und nicht gemeint hat, um es sodann genüßlich zu dekonstruieren: das ist rhetorisches Neanderthal. Das ist Gesinnungsmasturbation. Das ist Pippi Langstrumpf für Infantilgebliebene.

Wenn Faulenzer nicht sanktioniert werden, ist es kein Wunder, wenn andere innerlich kündigen

Aber das darf man ja nicht laut sagen.

Das

… darf man in der Tat nicht laut sagen, wenn Tropfen am Eimer in Hörweite ist.

Sonst gerät man ruck, zuck in den Ruf, Turbokapitalist zu sein, kalt und herzlos.

Nein, das nicht. Aber wenn man hierzulande etwas nicht laut sagen darf, und zwar solange ich noch einen Jaucheschepper zu führen weiß, dann ist das, daß man hierzulande nicht laut sagen dürfe, was man gerade laut gesagt hat. Wolfgang Neuss hat einmal gefragt, ob man nicht die Todesstrafe einführen könne, für Leute, die sie fordern, und ganz in diesem Sinne, habe ich ein absolutes Verbot erlassen, zu behaupten, man dürfe nicht sagen, was man gerade gesagt hat. Schuld ist Tante Bettina, Gott hab‘ sie selig, aber mir ging sie auf die Nerven. Tante Bettina ist diejenige, die mich mit auf den Drachenfels geschleift hat. Aber das ist es nicht, was ich ihr übelnehme. Schlimm war, daß sie die Umerziehung nicht verdaut hatte. Ihr fehlte ein Enzym. Vielen Deutschen fehlt dieses Enzym. Tante Bettina hatte besonders wenig davon. Sie war des Glaubens, vor der Umerziehung hätte einer alles sagen dürfen, wonach ihm das Mütchen stand, und es nur deshalb nicht getan, weil ja alles in Ordnung gewesen sei, und es nichts zu kritisieren gegeben habe. Nach der Umerziehung jedoch habe es etwas zu kritisieren gegeben, die Umerziehung nämlich, sowie die Tatsache, das derjenige, der sie kritisierte, praktisch ununterbrochen den Löwen vorgeworfen wurde. Auch wenn Tante Bettina nicht mehr unter uns ist, und ich gehalten bin, nicht schlecht über sie zu sprechen, so gebietet es doch die mir angeborene Wahrheitsliebe, darauf hinzuweisen, daß das nicht stimmt. Wo wir heute wären, wären jährlich auch nur 5% der Deutschen den Löwen vorgeworfen worden, kann man aus diesem kleinen Diagramm abgreifen:

Ich will das gar nicht in „Daumen hoch – Daumen runter“-Manier bewerten, wie wir dies bedauerlicherweise aus dem Colosseum und von Facebook kennen, ich will nur sagen: wenn Tante Bettina recht gehabt hätte, wäre es heute auf dem Brocken nicht so unangenehm voll gewesen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie mal in die Büsche müssen; wir Kreativen jedenfalls haben es gar nicht gerne, wenn wir irgendwas ausdrücken wollen und feststellen, daß vor uns schon siebenundzwanzig andere die gleiche Idee hatten.

Aber Tante Bettina hatte unrecht. Und das nicht nur diesbezüglich. Als Umerziehungsberechtigte wollte sie mir doch beibringen, zu glauben, man dürfe heutzutage – womit sie seinerzeit meinte – nicht mehr sagen, es gebe auch Zigeuner, die klauen. Dabei hatte sie es gerade selbst gesagt! Sie wollte es sogar beweisen, indem sie zum wiederholten Male die Geschichte von Dr. Dr. Laufkötter erzählte. Ein etwas eigenwilliger Beweis, nach dem der Dr. Dr. Laufkötter eines Nachts, als eine handvoll Großfamilien vermeintlich fahrenden, in Wahrheit aber hauptsächlich parkenden Volks auf dem Behelfsparkplatz hinter dem Bahnhof parkte, von zwei rumänisch aussehenden Herren aus dem Schlaf geholt und an ein Kindbettfieberbett gerufen worden, und der Doktor hatte nicht lange gefackelt, hatte seinen Koffer genommen, war zu den Herren in den Mercedes geklettert und hatte die Mutter eines neugeborenen Würmchens richtig aus dem Kindbettfieber wieder herausgeholt. Wofür er alsbald von den rumänisch aussehenden Herren mit Goldringen und Teppichen überschüttet worden war, und alle Scheren in seiner Praxis umsonst geschliffen gekriegt hatte. Aber das war es nicht, woran die Phantasie der Bürger sich entzündet hatte, sondern der Doktor konnte, so wollte es die urbane Legende, anschließend seinen Audi 100 unabgeschlossen hinter dem Bahnhof stehen lassen, ohne daß dem dort etwas passiert wäre.

Womit bewiesen wäre, daß Zigeuner klauen, denn wenn sie es nicht täten, wäre das mit dem Audi 100 ja nicht weiter erwähnenswert gewesen. Ein – wie gesagt – unorthodoxer Beweis, der aber der Qualität des Weingummi’schen „Den Konzern möchte ich sehen, bei dem es anders zugeht, als ich es sage!“ nicht nachsteht. Unser Auto war zwar niemals aufgebrochen worden, aber das mag daran gelegen haben mag, daß wir keins hatten. Tante Bettina hatte eins, einen DAF, ein Auto, das man aufbrechen konnte, indem man es finster ansah. Auch der DAF ist niemals aufgebrochen worden. Es wäre auch nichts drin gewesen, was die Mühe gerechtfertigt hätte. Nachts stand er in der Garage und tagsüber fuhr niemand damit. Wer es doch tat, überlegte es sich, ob er es ein zweites Mal tun wollte. Dennoch war Tante Bettina überzeugt, daß die Zigeuner es nur darauf abgesehen hatten. Insgeheim, glaube ich, nahm sie es Dr. Dr. Laufkötter übel, wie er so leichtfertig eine Frau im gebärfähigen Alter und also Mutter potentieller Diebe sowie potentielle Mutter von Dieben vor dem Tode bewahrt hatte. Ich darf es eigentlich nicht laut sagen, denn sonst gerate ich in den Ruf, ein kalter und herzloser Neffe zu sein: aber Tante Bettina machte einen Unterschied, zwischen Menschen und Menschen im engeren Sinn. Man hatte es ihr in ihrer Jugend leider, leider so beigebracht. Sie hielt das für Christenlehre.

Werweiß, vielleicht zurecht. Einer von uns beiden wird schon unrecht haben. Wer wäre ich, zu entscheiden, wer? Außer der Tatsache, daß ich von Kindespfoten an neben Weingummi auch die Weisheit nur so in mich hineingelöffelt habe, weiß ich nichts zu meinen Gunsten vorzubringen. – Aber selbstverständlich folgte ich ihr darin nicht, und widerstand ihren diesbezüglichen Umerziehungsversuchen. Ich unterscheide lediglich zwischen Menschen im engeren Sinn und Mountainbikern. Damals jedenfalls erließ ich das Verbot, nicht nur für leibliche Tanten, sondern für jedermann, zu behaupten, man dürfe hierzulande heutzutage irgendetwas nicht sagen. Es ist mir dies ernst. Ich bin in der Hinsicht völlig humorlos. Wer’s dennoch tut, wer gegen das Verbot verstößt, dem werde ich zwar nicht ins Gesicht hinein sagen, daß er Unrat daherredet, aber ich werde ihn auch nicht im Zweifel darüber lassen, was es sei, das er daherredet: Unrat. Ich werde ihn, beziehungsweise sie, durch Wort- und Themenwahl immer tiefer in einen leitmotivischen Fäkalkonnex hineinzerren.

Lieber Himmel, was muß ich nötig auf’s Klo! – Das werde ich der Frau Weingummi auch nicht so schnell verzeihen, mich hier an meine Tante Bettina erinnnert zu haben, aus heiterem Himmel. Aus diesigem Himmel vielmehr.

Anders geht es nicht.

O doch! Das geht sehr wohl auch anders. – Ja, Tante Bettina! Ihr Vater, mein Opa, der ihr den ganzen Unfug beigebracht hat, hätte sie statt dessen lieber den Umgang mit dem Jaucheschepper lehren sollen. Mich hat er ihn gelehrt. Wir kippten die Jauche an die Erdbeeren. Wir stellten jeweils zwei Blecheimer auf eine hölzerne Schubkarre und schoben sie von der Jauchegrube zum Erdbeerbeet. Dabei rann es außen an den Eimern herab. Falls Sie sich schon einmal gefragt haben, worauf der Name dieses Blogs eigentlich anspielt, und falls Sie tatsächlich bis hierher gelesen haben sollten, dann wissen Sie es jetzt. Nach und nach rann es auch aus den Ritzen der Karre, und irgendwann war der Weg schlimmer bekleckert als der Goetheweg vom Torfhaus zum Brocken. Das waren alles Sachen, die wir schon mal gegessen hatten. Da waren auch Erdbeeren dabei. Nächstes Jahr würden wir sie noch einmal essen. Wir kippten jetzt sozusagen ehemalige Erdbeeren an die Erdbeeren. Auf die Dauer reicherten sich die Erdbeeren in den Erdbeeren an, und was dann auf meinem Geburtstagskuchen landete, waren 105prozentige Erdbeeren. Es war dies so, als wenn man in einer Firma, deren Belegschaft sich zu 20 Prozent aus Stars, 70 Prozent Durchschnitt und 10 Prozent Luschen zusammensetzt, jedes Jahr die Luschen hinauswirft. Denn die Neueinstellung folgt ja wieder der 20-70-10 Regel, und nach 1 Jahr hat man also 33% Stars, 66% Durchschnitt und bloß noch 1% Luschen. Davon muß man 10% hinauswerfen, und da man nicht mehr genug Luschen hat, wirft man 9% Durchschnitt hinterdrein, und nach sieben Jahren kippt das Ganze, da hat man schon mehr Stars als Durchschnitt, und die Luschen sind nicht mehr der Rede wert. Im siebten Jahr aber wären meine Erdbeeren bei 140 Prozent Erdbeeren angelangt, vorausgesetzt, meine Ernährung bestünde zu fünf Prozent aus Erdbeeren. Daran denkt sie zwar gar nicht, meine Ernährung, aber die Belegschaft eines normalen Betriebes denkt ja auch gar nicht daran, zu zehn Prozent aus Idioten zu bestehen. Bei der FAZ mag das anders sein, aber wir sprechen von normalen Betrieben.

Und nach dreizehn Jahren – das hat mit Sozialromantik überhaupt nichts zu tun, das geht ganz automatisch, das ist reine Mathematik -, nach dreizehn Jahren muß man nolens volens anfangen, die Elite, hinaus… Wie meinen Frau Weingummi?

Ein gewisser Teil aber wird immer resistent bleiben. Diese „low performer“ muss man benennen dürfen und auch beziffern. Fünf Prozent scheinen da nicht zu hoch gegriffen.

Ach, ich weiß nicht. Fünf Prozent – das würde bedeuten, daß meine Ernährung immerhin noch zu 2,5% aus Erdbeeren bestünde. Das halte ich für hochgegriffen. Vielleicht nicht zu hoch, aber hoch. Man sollte doch bedenken, daß Erdbeeren Saisonware sind. Aber jetzt wollen Sie mich bitte entschuldigen – was immer es ist, was ich aß, und wie die prozentuale Zusammensetzung auch sei – es ist nunmehr reif für die Erdbeeren. – Bin gleich wieder da.

 

Aaahh! – Ist das eine Wohltat?!

Coda: Wenn man bei Google – nicht bei Yahoo, bei Google – nach den Suchbegriffen „ist das eine wohltat!“ und „wie ich den krieg gewann“ sucht, dann kriegt man folgende Anzeige zu sehen:

Man fragt sich: Häh? Hat Google einen Dada-Modus?

Haben die 600 Minderperformer, die Yahoo angeblich bereits hinausgeworfen hat, haben die bei Google angeheuert? Oder ist das altersbedingt?

Google ist ja jetzt 15, da kommt man langsam in das Alter, in dem man seine Exceeds hinauswirft.

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