Offener Brief

an die Wirtschaftsweisen
wie immer beim Meckern

Und übrigens, meine Herren,

es eilt, deswegen muß es mal ohne Anrede gehen: und übrigens, wenn Sie jetzt am Rumpaulen sind, von wegen Koalitionspläne unbezahlbar und Arbeitsplatzvernichtung und so gräßlichen Dingen wie der Demografiefestigkeit von Rentensystemen – haben Sie eigentlich mal darüber nachgedacht, daß ihr unbedachtes Rumpaulen Angela Merkel dazu verführen könnte, Sie mit den Worten zu kontern, „Wir haben das alles sehr sorgsam durchgerechnet“?

Da hätten Sie aber mal drüber nachdenken sollen! Bzw., das hätte Ihnen von vornherein klar sein müssen. Frau Merkel wird immer dann, wenn sie sorgfältig sagen könnte, sorgsam sagen, und wenn sie sorgsam sagen könnte, wird sie sehr sorgsam sagen. Das ist nun einmal so bei ihr. Das hätte man wissen können. Und sie hätten es verhindern können, wo nicht in beiden Fällen müssen.

Nun aber zu meiner Frage: wenn Sie nun den Koalitionsvertrag dergestalt loben – das müssen Sie schon entschuldigen: natürlich kommt Ihre Kritik hier unten bei der SPD-Basis als Lob an, als was denn sonst? Das von Ihnen Gesagte mit minus eins zu multiplizieren, ist schließlich das Mindeste, was einer tun kann, wenn er versuchen will, aus dem Gesagten die Wahrheit herauszudestillieren. Das es ausreichend sei, behaupte ich nicht, aber man will es doch wenigstens versucht haben. Auch das hätten Sie sich immerhin denken können, Sie sind schließlich nicht auf den Kopf gefallen. D.h., das nehme ich als Spekulation wieder zurück. Das kann ich nicht wissen. Ich kenne Ihre Fallgeschichten ja nicht im einzelnen.

Es ist aber doch auffällig, wie sehr sich die Stinkstiefelpresse darin ergeht, den Koalitionsvertrag als das Sozialdemokratischste zu loben, das ihr je unter die Augen gekommen sei. Das kommt aus dem Mund von Leuten, die bis gestern noch behauptet haben, die CDU und Merkel seien das Sozialdemokratischste, was ihnen je unter die Augen gekommen sei, bzw., sozialdemokratisch sei heutzutage jedermann und alles, bis auf die FDP. Ich brauche hier keine Links zu setzen, es genügt, wenn Sie wahllos ein bißchen in der Gegend herumklicken: Sie können heute (Donnerstag) einen Artikel à la „Die Sozialdemokraten haben viel erreicht“, „Die SPD hat gut verhandelt“ o.ä. gar nicht verfehlen.

Deswegen meine Frage: Was haben Sie vor? Sollen wir als Basis eingelullt werden? Und wenn ja, in welche Richtung? Sollen wir dem Vertrag zustimmen? Ist er wirklich so schlecht?

Ich will Ihnen was sagen: mal angenommen, wir lehnten ihn ab, was wären die beiden Alternativen? Neuwahlen, nun gut. Glauben Sie wirklich, daß sich die Mehrheitsverhältnisse so dramatisch ändern würden? Ich glaube das eigentlich nicht. Die AfD könnte in den Bundestag einrücken, ja. Aber was wäre für die CDU gewonnen? Soll sie den Wählern einen komplett anderen Koalitionsvertrag zu verkaufen versuchen, mit dem Argument, der mit der SPD, der sei nicht so gemeint gewesen, den habe sie nur der SPD zuliebe unterschrieben? Der mit der AfD hingegen sei ihr komplett von der AfD diktiert, sie, die CDU, habe nämlich eigentlich keine eigenen Ideen, die sie irgendwo einbringen könnte, sie gebe dem Ganzen nur die Masse, so wie das Mondamin der Soße, oder das Gottesteilchen dem Universum?

Oder aber, sie könnte, die CDU, gleich mit den Grünen koalieren. Was würde dadurch anders werden? Würden die Grünen verlangen, die für den Weltuntergang verantwortlichen 8 Euro fünfzig rückgängig zu machen? Zu bessern, zu mindern oder zu wandeln? Würde die CDU sagen, juhu, nun haben wir die Chance, den ungeliebten Mindestlohn, den 73% unserer eigenen Wähler gutheißen, auf dem Altar von irgendwas zu opfern, was 73% der Grünen-Wähler heilig ist? Und was könnte das sein? Verbesserte Kontrollen in der Massentierhaltung? Kann es das wirklich sein? Kann es ein Land von der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands, ein Exportweltmeister wie es nicht viele gibt, ein Vorbild unter Vorbildern, kann ein solches Land es sich leisten, die eigenen Schweinezüchter zu zwingen, die eigenen Gesetze einzuhalten? Können wir das wollen? Können Sie das wollen? Sind Sie doch auf die Köpfe gefallen?

Ja, was ich sagen wollte: wir Basis haben es gar nicht mehr in der Hand. Die CDU wird den Mindestlohn, der sie selbst am allerwenigsten kostet, komme was wolle durchziehen. Die Chance, zu demonstrieren, daß die SPD für gar nichts mehr gebraucht wird, nicht einmal dafür, wird sie sich nicht entgehen lassen.

Aber das ist halt Merkel. Das sind nicht Sie. Die mag auf den Mund gefallen sein oder einen Knick im Sprachzentrum haben, oder vielleicht ist sie nicht ganz sattelfest auf dem Zungenbein, aber wenn wo ein Quentchen Machtzuwachs herausschaut oder auch nicht herausschaut und unsichtbar gut verpackt verborgen ist, das wittert sie, wie ein erfahrener Kater einen vergammelnden Bratrollmops. Wenn’s bei ihr dazu nicht gelangt haben würde, aber es hat gelangt, und sie weiß das, dann wäre sie vielleicht auch bloß Wirtschaftsweise geworden.

Sehen wir uns bei Philippi, ich meine, am 14. Dezember? – Sie kommen? – Ich komme nicht. Ich kann nicht, und ich will nicht. Meine Frau hat Geburtstag. Man muß auch mal Prioritäten setzen. Was ist schon eine Große Koalition verglichen mit einer Glücklichen Ehe?

Phphpht!

Gero

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


× fünf = 40

Navigation