R.O.T.S.P.O.N. – Der volle Kanal

Wir alle kennen den Satz vom Internet, und daß wir dank seiner nunmehr wüßten, daß der Satz von den dreihundert Millionen Affen, die blindlings auf dreihundert Millionen Tastaturen herumhacken und dabei, wenn’s der Deubel will, aus Versehen Shakespeares gesammelte Werke produzieren, nicht stimmt. Die dreihundert Millionen Affen kriegten, so heißt es, noch nicht einmal den Satz von den dreihundert Millionen Affen, geschweige denn den vom Internet zuwege.

Stimmt.

Trotzdem schafft es immer mal wieder einer von ihnen in den Spiegel. Wobei das trotzdem unter Vorbehalt steht. Es ist ja nicht so, daß der Spiegel etwa darauf abonniert wäre, immer nur Texte Shakespeare’scher Qualität zu veröffentlichen, und auf Spiegel-Online sind solche meines Wissens sogar ein Grund für den Hinauswurf.

Aber dank des Internets wissen wir nun, daß dieser eine nicht nur nicht schreiben, sondern auch nicht lesen kann. Nicht, daß uns das wirklich wundern würde. Die Fähigkeit, nicht zu schreiben, verleiht ja auch die Fähigkeit, nicht am Pisa-Test teilzunehmen und also beim Leseverständnis Punkte zu sammeln oder abgezogen zu kriegen. Wir wissen schlicht nicht, ob Affen nicht lesen können, oder ob sie lesen können und es für sich behalten. Oder ob sie – geht ja auch – nicht lesen können und das für sich behalten.

So gesehen fehlt Jan Fleischhauer zum Affen streng genommen eine Schlüsselqualifikation, denn er kann zwar nicht lesen, behält es aber nicht für sich. Sondern schreibt es ins Internet.

Ich will das hier nicht alles wiederkäuen, denn nicht alles, was dreihundert Millionen Affen besinnungslos ins Internet hämmern, ist wert, daß man es copye und pastee, aber ich will es kurz zusammenfassen: Kennen Sie alle den Witz von dem Bäuerlein, das, nach langer Zeit, eines heiligen Sonntagsmorgens mal wieder zur Kirche geht und anschließend der Bäuerin Rede stehen soll, wie es gewesen sei, woraufhin es erzählt, daß der Pfarrer sehr, sehr schön gepredigt habe. Ja, worüber denn aber? Nun, über die Sünde. Und was er denn da gesagt habe? „Er war dagegen.“

Das ist in etwa die Quintessenz des Fleischhauerschen Artikels. Denn wie der Pfarrer, der ja auch, seiner Stänkerei ungeachtet, nicht wirklich gegen die Sünde ist, sondern weiß, was gut für ihn ist, so wie der Skarabäus, der den Mist ja nicht etwa deswegen von der Straße räumt, weil er etwa etwas gegen Mist hätte, so hat auch Fleischhauer nicht wirklich etwas gegen den Mindestlohn. Grad wieder hat er gezeigt, wie prima er von dem Mindestlohn leben kann, indem er gegen ihn anstänkert.

? – Ach, hatte ich das nicht gesagt? Ja, Aufhänger seiner Kolumne ist der Mindestlohn, und daß die taz ihn nicht wird zahlen können. Den Redakteuren vielleicht noch grademalsoeben, dem Volontär aber nimmermehr.

Ja und? Dann wird sich die bürgerliche Presse eben dazu bequemen müssen, ihr „ausgelagertes Volontariat“ (Gremliza über die taz) in Zukunft wieder selbst zu bezahlen. Davon wird die WELT, pardon, die Welt zwar ein erneutes Mal untergehen, aber das wird sie schon überleben. Es ist das ja nicht der erste Weltuntergang im Zusammenhang mit dem Mindestlohn, der uns in Aussicht gestellt worden ist. Davon geht die Welt schließlich nicht unter.

Aber vielleicht die taz? – Ich weiß es nicht. Kann sein. – Aber wen genau quält ausgerechnet diese Frage? Ausgerechnet den Herrn Fleischhauer?

Das kann ich gut verstehen. Auch die Deutsche Bank sorgt sich ja bekanntlich um die Schwächsten der Schwachen, die, die keine Ausbildung haben, und kein eigenes Vermögen. Das und ist wichtig. Was braucht einer, der ein solides Familienvermögen hat, was braucht der beispielsweise einen soliden Doktortitel? Braucht der nicht. Aber die Schwachen, die brauchen – nicht unbedingt einen soliden Doktortitel, die brauchen auch keine Ausbildung, aber was sie brauchen, damit sie teilhaben können am gesellschaftlichen Leben, das ist ein Lohn unterhalb des Mindestlohns. Denn, wenn sie nur noch zum Mindestlohn und drüber beschäftigt werden dürfen, stellt sie keiner mehr ein. Dann haben sie gar nichts mehr, außer Hartz IV, und das kriegen sie sowieso schon. Darüber macht sich die Deutsche Bank so fürchterliche Sorgen, daß sie immer und immer wieder nachts wachliegt und grübelt und sich hin und her wälzt und sich bloßstrampelt und sich fragt, wie das nur erst werden soll, wenn die Schwächsten der Schwachen mehr Geld bekommen werden – sie hat schon Sorgenschwielen auf der Seele. Gestern morgen wußte sie sich nicht anders mehr zu helfen, als daß sie einen Mitarbeiter zum Deutschlandfunk schickte, damit der dort im Radio vor dem Mindestlohn warnte.

So ist es auch nicht verwunderlich, daß der Herr Fleischhauer nachts wachliegt und sich wälzt und bloßstrampelt, weil er sich Sorgen um das Schicksal der taz macht, und ich muß meine Leser um Entschuldigung dafür bitten, ihnen das Bild eines sich bloßgestrampelt habenden Herrn Fleischhauer zugemutet zu haben, aber es geht nicht anders. Nicht, wenn ich meiner Verantwortung gerecht werden will. Arno Schmidt hat einmal befohlen, der verantwortliche Blogger möge „die Nessel Wirklichkeit fest anfassen; und uns Alles zeigen: die schwarze schmierige Wurzel; den giftgrünen Natternstengel; die prahlende Blume (Blumenbüchse).“

Und die Schwielen, hat er noch vergessen. So, und nun will ich Ihnen die Schwielen des Herrn Fleischhauer zeigen. Indes, wie fang ich’s an? Erstmal einen zur Brust nehmen, würde ich sagen, und das sollten Sie auch in Erwägung ziehen, insbesondere, wenn Sie sich schon vor dem Bloßgestrampelten gegrault haben, was wir alle gut verstehen. Außerdem können wir es uns ruhig ein bißchen gemütlich miteinander machen, denn ich werde etwas ausholen, ich will ja niemandem unvermittelt mit einem schwieligen Affenarsch ins Gesicht springen. Zum Wohle!

Also – meine Leser kennen mich. Sie wissen, daß ich nicht der Mann bin, um den heißen Brei herumzuschreiben. Wenn ich einen Journalisten mit einem Affen vergleichen will, dann vergleiche ich ihn mit einem Affen, dann winde ich mich nicht und ziere mich und drehe Pirouetten und schreibe mal vom Affen und mal vom Journalisten und rede mich auf thematische Engführung hinaus, bei der es dann irgendwann so ist, daß keiner mehr weiß, wo der Affe anfängt und der Journalist aufhört, und wenn irgendwas sein sollte: ich habe nichts gesagt! Das ist nicht meine Art. Meine Rede sei jaja und neinnein. Ich nenne einen Spaten einen Spaten, wenn es sich um einen Spaten handelt. Und wenn es sich um einen Esel handelt, nenne ich den Spaten einen Esel.

Einerseits.

Andererseits bin ich Gefangener einer gründlichen Sozialisation durch Kinderbücher, und ganz besonders sozialisiert bin ich durch das Buch „Kamel-Karle“, in welchem der junge Karle es lernt, seine Freunde nicht mit Schimpfnamen aus dem Tierreich zu belegen. Denn immer, wenn er das tut, kriegt er nachts Besuch von dem genannten Tier, damit er mal eine Vorstellung davon kriegt, mit wem er seinen Kumpel da nachmittags eigentlich verglichen hat. Und so kann es gar nicht fehlen, daß Karle eines Nachts auch einen Schimpansen auf dem Fußende seines Bettes zu hocken hat, der sich ihm in jeder Hinsicht unannehmlich macht und, das ist mir noch in guter Erinnerung, sich als exzellenter Bananenschalenschütze entpuppt.

So, nun habe ich zwar keine Bedenken, daß, wenn ich mich nun – rein hypothetisch gesprochen – zu dem Satz „Jan Fleischhauer ist ein Affe“ oder „Dieser Fleischhauer ist doch ein Affe“ – hinreißen ließe, daß dann heute Nacht ein Schimpanse auf meinem Bett säße. Das glaube ich natürlich nicht. Ich bin mittlerweile ein erwachsener Mann, der zwischen Realität von fiktion zu scheiden weiß. Aber sehen wir uns doch mal an, wie’s ist: als Karle nachmittags seinen Spielkameraden einen Affen schalt, da kam ihn wer besuchen? Der Affe. – Wenn ich aber den Fleischhauer – rein hypothetisch gesprochen – einen Makaken nennen würde, wer wäre dann objektiv der Beleidigte? – Ebeneben! Der Makake. – Und glauben Sie vielleicht, ich will des Nachts hier einen Fleischhauer auf meinem Fußende sitzen haben, der meine Orangen futtert und mit Bananenschalen schmeißt?

Neinnein. Es gibt da ja auch keinerlei Ähnlichkeiten. Und wenn es ein paar Ähnlichkeiten geben sollte, dann gibt es ebensoviele Unterschiede, wenn nicht mehr. Die Affen haben zum Teil sehr schwielige Hinterteile, was vom vielen Sitzen und auf-den-Tastaturen-Herumhämmern kommt. Herrn Fleischhauers Hinterteil wollen wir uns weder theororetisch noch praktisch nähern, auch nicht in der Phantasie, ich bitte Sie! Er hat die Schwielen woanders. Wenn die Zahl der Schwielen in einem linearen Abbildungsverhältnis zu der Häufigkeit der Ausübung der schwielenverursachenden Tatigkeit stünde, was ich nicht weiß, was ich aber mal schlankweg behaupte, warum den wohl auch nicht? Ja? Die Deutsche Bank dürfte steile Thesen in die Welt stemmen, und ich dürfte das nicht? Das gibt unsere Verfassung nicht her. Also: wenn, nein, falsch, nicht wenn: weil die Zahl und die Mächtigkeit der Schwielen eine homogene lineare Funktion der Häufigkeit der Inanspruchname des beschwielten Körperteils sind, darum ist die verschwielteste Körperregion bei Jan Fleischhauer das Wahrheitszentrum, von dem gilt, was ich eben über die spezifische Proportionalität von Schwielen sagte: ich habe keine Ahnung, ob es so etwas gibt. Und wo es sitzt. Ich vermute die Schläfenlappen. Warum nicht? Alles Interessante spielt sich angeblich in den Schläfenlappen ab, warum nicht auch Lüge und Wille zur Unwahrhaftigkeit?

Von dort aus müssen die Schwielen bei Fleischhauer gewandert sein oder ausgestrahlt haben, und zwar auf das Broca-Areal und das Wernicke-Zentrum, und, langer Rede Sinn: er kann nicht mehr lesen. So wie die Affen nicht mehr sitzen können. – Was denn? – Ja, im Prinzip, ja, haben Sie recht, erleichtern die Schwielen das Sitzen, dafür sind sie ja da. Aber nicht, wenn die Schwielen nach innen wachsen. Das tut gemein weh! Ich habe da eine Stelle am Fuß – gut, lassen wir das für den Moment. Halten wir uns an das, was klar zutage liegt, nämlich J.F.s Unfähigkeit zu lesen:

Die Kehrseite der Politik des reinen Herzens ist die Unduldsamkeit mit abweichenden Meinungen. Zu weitgehende Toleranz ist Verrat an der Idee. Mit Betroffenheit musste ich zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet die „taz“ meinem Chefredakteur gerade empfohlen hat, mich mit sofortiger Wirkung auf die Straße zu setzen. Meine Texte seien regelmäßig „unter dem Niveau des SPIEGEL, wenn er wieder ernster genommen werden will“. Der sicherste Weg diesen „schleichenden Bedeutungsverlust“ abzuwenden, sei mein Abschied aus der Redaktion.

Diese ominöse „Politik des reinen Herzens“, die er da spazieren führt, ist ein Quatsch, den er sich ein paar Zeilen zuvor aus dem Federkiel gesogen hat. Es gibt sie nicht, kümmern Sie sich einfach nicht drum. Etwas anderes ist die „abweichende Meinung“ (TM), beachten Sie die Einzahl; es geht nicht etwa um abweichende Meinungen, iwo. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie haben eine Meinung zu einem beliebigen Thema, oder auch nicht, das ist zunächst einmal vollkommen zweitrangig. Dann nehmen Sie die Menge aller Meinungen zu diesem Thema, alle, das ist wichtig! Egal welche! Vernünftige, durchdachte, undurchdachte, idiotische, vollkommen behämmerte, weit verbreitete, vereinzelte – das spielt alles keine Rolle. Wichtig ist, daß es alle sind. Daraus machen Sie einen hübschen Strauß, binden ein Strick drumzu und hängen ein Schildchen dran: „Herrschende Meinung“ (auch TM). Beachten Sie die Einzahl! Dann ziehen Sie die Meinung, die Sie als abweichende promoten wollen, aus dem Strauß heraus, et voilà!

Das kann Ihre Meinung sein, irgendjemandes Meinung, die von Thilo Sarrazin, die der FDP, die der SPON-Kommentatoren, eine Mehrheitsmeinung, eine Minderheitsmeinung, das alles ist vollkommen egal. Sie ist jetzt die abweichende Meinung (TM). das ist wie beim Plumpsack: wer das Taschentuch hat, ist der Plumpsack. Wenn Sie der Plumpsack sind, müssen Sie um den Kreis herumschreiten und „Dreht Euch nicht um!“ singen, und wenn Ihre Meinung die abweichende Meinung ist, dann müssen Sie zusehen, daß sie möglichst laut „Rabäh!“ schreien, und daß man Sie nicht toleriere.

Und wenn man Sie aber doch toleriert? Dann müssen Sie noch ein wenig lauter „Rabäh!“ schreien. Lassen Sie sich nichts gefallen!

Was übrigens das Verteufeln Andersdenkender angeht, so erinnert sich der eine oder andere sicher ebenso gerne wie ich an Dr. Muffels Telebrause allerseligsten Angedenkens, speziell an die Umfrage zum Thema „Soll man Andersdenkende verteufeln?“, was, wie Sie sich, sofern Sie sich nicht mehr erinnern, sicher denken können, unisono verneint wird. Solange jedenfalls verneint wird, wie der Umfrager nicht an den Vertreter der Andersdenkenden gerät. Ich denke jedoch, beides sind Extrempositionen, das Verteufeln wie das Nichtverteufeln. Es gibt auch hier den goldenen Mittelweg, er will nur beschritten sein: man sollte nicht fragen, was der Andersdenkende denkt, man sollte fragen, wie er heißt. Heißt er nämlich Fleischhauer, sollte man ungesäumt mit dem Verteufeln anfangen.

Und was die „Unduldsamkeit mit“ angeht, so verweise ich auf Die Wahrheit vom 2. August d.J. in der der „Respekt zum Deutsch“ eingefordert wird. Dort ist man sehr duldsam über so etwas.

Zitiert aber habe ich den Absatz nicht wegen dieses Sums‘, sondern wegen des dritten Satzes. Das ist der Satz, der mit der dreifachen Lüge anfängt, er, Fleischhauer, habe irgendwas zur Kenntnis genommen, nehmen müssen, und sei nun darob betroffen. Nicht etwa davon betroffen, weil es ihn nämlich beträfe, sondern er meint schon die spätsiebziger, frühachtziger Edelschimmelbetroffenheit, die ausschließlich bei Nichtbetroffenen anzutreffen war, dort aber in allen möglichen Schmeißfliegenfarben schillerte.

Von der ist er ja aber gar nicht betroffen, weil er ja, als Primärbetroffener, nicht unter die Nichtbetroffenen fällt. Denn man will ihn ja auf die Straße setzen, bzw. niemand will ihn auf die Straße setzen, das redet er nur so daher. Aber wenn man ihn auf die Straße setzen wollen würde, dann wäre er ein Primärbetroffener. Nur will das ja niemand, also ist er doch ein Edelschimmelbetroffener, was er ja aber selbst nicht glaubt, denn er meint das ja ironisch, hält sich selbst also weder für betroffen, noch „betroffen“, und hat sein Humor daher den illuminatorischen Gehalt eines Lübkewitzes und die Relevanz einer mutigen Philippika gegen die Aktion Saubere Leinwand.

Aber halt, ich will ihm doch zugutehalten, daß er sich subjektiv zu den Betroffenen, nicht den „Betroffenen“, zählt: er glaubt ja, glaubt man ihm, man wolle ihn auf die Straße setzen, respektive man habe seinem Chefredakteur nahegelegt, das zu tun. Stimmt beides nicht, nichts davon steht da, weshalb mein Argument – das mir nunmehr auf die Füße fällt, ich sehe es ein – oben ja auch war: er kann nicht lesen. Wenn ich ihm aber bezüglich seines „Betroffenheits“-Schmarrens Ironietechniken von Anno Tuk unterschieben will – und warum sollte ich darauf verzichten wollen? -, dann muß er gewußt haben, daß er lügt.

Aber sollte es nicht auch hier den goldenen Mittelweg geben? Kann es nicht sein, daß einer beides ist und beides tut? Muß denn immer so abendländisch dualistisch gedacht sein? Ist es nicht sehr abendländisch, überhaupt so zu fragen? Kann eins nicht beides sein, Abendländer und Morgenländer? Unfähig zu lesen und der Frau Wahrheit ungetreu?

Doch.

Was da, wo es steht, steht, abgesehen von dem, was nicht da steht, von dem Fleischhauer aber glaubt, daß es da steht, oder zumindest sagt, daß er es glaubt, das ist nicht etwa der Appell an den neuen Spiegel-Chef, den Fleischhauer an die frische Luft zu setzen, sondern die rein hypothetische Überlegung, „vielleicht“ – vielleicht! – „vielleicht“ lasse sich der Spiegel-Chef die Personalie Fleischhauer noch einmal durch den Kopf gehen. Daß Fleischhauer Angst davor hat, weil er sich sagt, sich die Personalie Fleischhauer noch einmal durch den Kopf gehen lassen und den Fleischhauer an die frische Luft setzen das ist ein und dasselbe, muß es ja sein, kann es nur sein, das ist zwar verständlich, aber – das ist seine subjektive Sicht. Der muß ihn ja nicht so gut kennen, der neue Chef, wie er sich selbst kennt. Ja, wenn er der neue Chef wäre, und einer wie er käme des Wegs, der hätte nichts zu lachen.

Nun gut. Außerdem ist in dem ganzen taz-Artikel von frischer Luft keine Rede. Was der neue Chef machen sollte oder könnte, wenn er die Akte Fleischhauer auf dem Tisch gehabt hat, ist nicht ausgeführt. Aus dem Zusammenhang könnte man zwar folgern, daß es etwas Ähnliches sein könnte, wie das, was er mit Matthias Matussek gemacht hat: ihn ziehen lassen nämlich. Vom Spiegel zur WELT, woraufhin, wie es das bekannte Will Rogers Phänomen vorschreibt, in beiden Häusern das mittlere Niveau einen Satz nach oben tat.

Aber das ist auch alles. Ich weiß das deswegen so genau, weil ich befürchte, daß es genau dazu kommt, und deswegen alle Ohren spitze und überall die Flöhe husten höre. Werweiß, irgendwann hat er es satt, dort der Depp zu sein, wo man ihn als solchen wahrnimmt und dafür bezahlt, und will lieber dort der Depp sein, wo die anderen Deppen auch sind. Wo er ganz Depp sein darf. Irgendwann sehnt sich ja auch der domestizierteste Makake, der der Star und der Stolz einer Donnerstagsserie im Fernsehen ist, zurück auf den Felsen von Gibraltar, wo er seinen schwieligen Hintern herzeigen darf, und keiner denkt sich was dabei.

Und ich will nicht, daß es dazu kommt. Ich will, daß er beim Spiegel bleibt. Soll ich vielleicht in Zukunft die WELT lesen? Und dafür bezahlen? – Was? – Jaja, schon richtig, aber ich habe meine 20 Artikel auf. Ich müßte ab jetzt dafür bezahlen. – Neinnein, das stimmt nicht, was Sie da sagen. Man kann die Bezahlschranke der WELT nicht umgehen. Das geht nicht. – Wollen Sie wohl still sein! Kusch! – Die WELT zu lesen, kostet Geld, Punkt. Glauben Sie mir. – Und ich finde das auch richtig so; denn wenn einer ins Hurenhaus geht, um sich verhauen zu lassen, muß er ja auch dafür bezahlen.

Darum soll er bleiben, und ich an seiner Stelle wäre auch vorsichtig: Es stimmt zwar nicht, was er im Folgesatz (s.o.) behauptet, daß in der taz nämlich gestanden hätte:

Meine Texte seien regelmäßig „unter dem Niveau des SPIEGEL, wenn er wieder ernster genommen werden will“.

Das in Tüttelchen gesetzte Satzfragment steht zwar so in der taz, und auf genau den etwas wackeligen Syntaxbeinen, aber es bezieht sich nicht auf Fleischhauers Texte insgesamt, das lügt dieser wiederum hinzu, es bezieht sich vielmehr auf dessen Antwort auf die Frage, warum er die FDP wähle: Weil es sonst keiner tue.

Das ist natürlich eine schwächliche Antwort, aber es ist ja auch eine schwache Frage. Eines Mannes Antwort darauf hätte etwa lauten können wie die, die George Mallory gab, als er während eines Interviews mit der New York Times auf seinen Stuhl kletterte, und gefragt wurde, warum er das tue: „Because it’s there.“ Dann fiel er um und legte sich auf die Nase. Später verscholl er. Seine Antwort aber wurde weltberühmt. Nun, das ist die New York Times, eine Qualitätszeitung. Die kriegt natürlich auch Qualtätsantworten.

Aber Fleischhauers Antwort, die die taz, „ausgerechnet die taz“ (Fleischhauer), für unter Spiegel-Nieveau hält, „ausgerechnet Spiegel-Niveau“ (Pürckhauer), zeigt sehr schön seinen Willen, sich wider alle Wahrheit (knapp 2,1 Millionen Zweitstimmen für die FDP) als großer Singulär und Outlaw-Maxe zu verkaufen, der sich traut, was sich „sonst keiner“ (Fleischhauer) traut.

Daß er, darüberhinaus, den Anwurf, niveaulos zu sein, freiwillig und ohne Not auf die Gesamtheit seiner Artikel bezieht, macht mich hoffen. Vielleicht hat er ja Schiß, daß, wenn er den Spiegel in Richtung WELT verläßt, das Niveau beim Spiegel zwar steigt, bei der WELT aber nicht. Oder das Niveau beim Spiegel gleichbleibt, bei der WELT aber sinkt. Werweiß. Der ist vielleicht gar nicht so unberechtigt, der Schiß. Vielleicht bleibt er da ja lieber.

Ich brauche ihn nämlich noch. Noch bin ich nicht soweit, daß ich einen ganzen Kanal vollgefaselt kriegte, ohne ihn wenigstens als Stichwortgeber dabeizuhaben, aber ich arbeite dran. Heute z.B. habe ich nur einen Absatz (= 5 Sätze, 75 Wörter, 534 Zeichen) von ihm zitiert, das ist nicht schlecht. Das war schon mal erheblich mehr.

Ich muß nur lockerer werden. Einfach alles aufschreiben, was mir so durch die Birne schießt.

Frisch ans Werk und blindlings auf die Tastatur gehämmert!

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