Amazon liefert Pakete, bevor sie bestellt werden

Pre-Order-Prime nennt sich der neue Service von Amazon, von dem Jeff Bezos möchte, daß er so schnell wie möglich für marktreif erklärt wird. Er verspricht, die Ware, die der Kunde bestellen will, auszuliefern, ehe „die Schnarchnase“ (Amazonisch für ‚Kunde‘) sich endlich durch den Bestellprozeß gequält hat. Hört sich irre an, ist auch irre und kommt deswegen schon ganz bald, ehe wir Schnarchnasen uns ganz klar geworden sind, was das denn nun wieder soll, und ob wir das haben wollen.

Darauf könne er nicht warten, läßt Jeff Bezos ausrichten, er habe ein Unternehmen zu führen und könne es sich nicht leisten, tatenlos rumzusitzen, bis die klüngeligen Kunden in die Strümpfe kämen. Die würden das schon wollen, wenn sie es einmal haben, glaubt Bezos.

Möglich macht den Service einmal mehr Big Data. Die Analyse der hektischen Mausfuhrwerkerei von x-Millionen unentschlossener Kunden in den Wochen, Tagen und Stunden vor dem Kauf, hat zutage gefördert, daß zwar jede Jeck anders es, daß aber auch jede Jeck seinen eigenen, einzigartigen, unverwechselbaren Hibbel- und Hampelabdruck hat, bevor er zum endgültigen Klick auf den Bestellbutton ansetzt. Die dazu verwendete Software hat ursprünglich zu dem Roboter gehört, der von emsigen Japanern gebaut worden war, um bei dem Spiel Stein, Schere, Papier sein menschliches Gegenüber zu bescheißen. Der konnte anhand winzigster Körperbewegungen, Muskelkontraktionen, Gewichtsverlagerung vom Standbeil auf das Spielbein erkennen, für welche Figur der Mensch sich entscheiden würde, noch bevor dieser es selbst wußte, und kam ihm dann zuvor. Jetzt soll die Software den Amazon-Kunden bescheißen, indem sie erkennt, was er kaufen wird, noch bevor er weiß, daß er es kaufen wird.

Sagte ich Standbeil? Um Vergebung. Standbei-n hatte ich sagen wollen.

Da sei keine Hellseherei dabei, läßt Bezos ausrichten – er hat dafür einen Sprachroboter, der unsere Fragen beantwortet, noch bevor wir sie zuende formuliert haben; soviel Zeit wie wir habe er nicht, sagt der -, das sei Schnellseherei. Fixigkeit plus eine solide Datenbasis. Wenn etwa einer wochenlang einen Kühlschrank im Warenkorb habe und ihn immer weder raushole und aufmache und nach der Energieeffizienzklasse suche, und ihn dann wieder in den Warenkorb lege, und noch zwei andere dazu, davon eine Gefrierkombination, und dann die Kombination wieder raus, und den mit der zweiflügligen Tür und dem Caipirinha-Fach rein, und dann wieder raus, und den ersten auch raus, und dann den dritten raus, und den ersten wieder rein – dann nehme man einfach mal seine Kontodaten dazu, und siehe da, es sei kurz vorm ersten und er habe nichts mehr, und wie am dreißigsten das Weihnachtsgeld auf seinem Konto sei, da sei der Kühlschrank auch schon bestellt, so schnell könne man gar nicht kucken.

Könne man nicht kucken, die Software könne das schon. Und die werte halt alle solche Daten aus. Sie habe ja auch alles, was sie brauche: den Kontostand, wie hoch man bei der Schufa in der Kreide steht, wie weit das Konto im Schnitt überzogen wird, wieviel man zum Ausgeben zur Verfügung hat, die Spargewohnheiten. Sie wisse, was der Kunde als Geschenk verpacken lasse, wie teuer das im Schnitt sei, an welche Alternativadressen die Geschenke geliefert würden, was Oma letztes Jahr bekommen hat, und was im Jahr davor, und und und. „Nennen Sie uns irgendein Datum – unsere Software hat es. Wissen Sie noch, wann Sie Ihren Staubsauger gekauft haben? – Aber sie weiß es. Sie weiß auch, wie lange das Modell im Durchschnitt hält. Und daß Sie umgezogen sind, weiß sie. Und wie groß die Wohnung ist, denn sie weiß, wer vorher da gewohnt hat und was der für einen hatte. So’ne große Wohnung halten Sie mit dem ollen Staubsauger nicht mehr lange sauber, was wetten wir?“

„Warum sollen wir Ihnen da nicht rechtzeitig einen neuen Staubsauger an die Tür bringen? Per Oktokopter? Wir wissen schließlich eher als sie, wann das Weihnachtsgeld auf dem Konto ist. Außerdem hätten Sie sich doch eh nicht entscheiden können zwischen dem Staubsauger und der neuen Kaffeemaschine. Sie nicht. Aber wir. Wir haben die Kaffeemaschine auf die Wunschliste verschoben. Ihre alte macht es noch ein paar Tage, glauben Sie uns. Ich hab‘ nämlich die gleiche, die sind ganz robust, die Dinger.“

„Was denn, Sie verbitten sich die Zustellung per Drohne? Hermes wollen Sie nicht, weil die immer bloß Kärtchen in den Briefkasten werfen, UPS wollen sie nicht, weil die stuhlgangfarbenen Uniformen sie an alte Zeiten erinnern, Drohne wollen Sie auch nicht, was wollen Sie denn? Die Drohne schmeißt ihnen kein Kärtchen in den Briefkasten, die Drohne fliegt bloß los, wenn sie weiß, daß Sie zuhause sind. – Wie, woher sie das weiß? Was wollen Sie damit sagen, woher weiß sie das denn? Von der Schwesterdrohne weiß sie das, die gerade den Kühlschrank an ihren Nachbarn geliefert hat. Die hat ihr Auto gesehen, und gesehen, daß im Arbeitszimmer Licht brennt. Ihr Vormieter hatte da das Kinderzimmer, bzw. eins der Kinderzimmer, der hatte ja vier. Der eine studiert jetzt, der andere macht sein soziales Jahr, und die beiden Jüngsten gehen noch zur Schule. Die Tochter liest ja sehr viel, hat sie von der Mutter. Der Vater nicht so. DVDs ohne Ende, das schon, solange sie keinen Blu-ray-Player hatten, danach dann halt Blu-rays. Und Platten, ja, der Alte sammelt Platten. Diese Vinyl-Dinger. Hatte auch einen wunderschönen Plattenspieler, Sugden Connoisseur, riemengetrieben – ich weiß das, weil er über Jahre hin alles an Ersatzriemen aufgekauft hat, was er kriegen konnte. Also so was Schönes! Zum Analogwerden.“

„Jetzt sind die Riemen wohl endgültig alle, er hat sich im Marketplace gebraucht einen Micro gekauft, direct drive, auch nicht häßlich, aber es ist halt kein Connoisseur. Vielleicht hat er sich auch nur einen Jugendtraum erfüllt, denn so einen hat er sich früher nie leisten können. Ich weiß ja, was er früher verdiente, und was er heute verdient – das hätte ich auch gerne! Aber der Bezos ist ein Knickstiebel. – So. Wo soll der Garmin hingeliefert werden, an die übliche Adresse? – Wie, Sie wollen keinen haben, ist doch bald Weihnachten? – Na, kommen Sie. wer hat sich denn im Herbst den ganzen Outdoor-Plunder bestellt, das waren doch nicht die Heinzelmännchen, das waren doch Sie! – Na, nun nehmen Sie ihn erstmal, probieren sie ihn aus, Sie werden ihn schon behalten wollen. – Zu teuer, wenn ich das schon immer höre! Bei Ihnen ist es doch auch nicht mehr so knapp wie damals, als sie noch für UPS gearbeitet haben. Der war doch schließlich in Ihrem Warenkorb! Für den Warenkorb war er nicht zu teuer, oder wie sehe ich das? – Das sind mir die richtigen Schnarchnasen, in den Warenkorb reinpacken, was nur immer reingeht – haben Sie einen Schimmer davon, wieviel Milliarden bei uns im Warenkorb vor sich hin gammeln und nicht realisiert werden können, weil die Schnarchnasen den Arsch nicht hoch kriegen? Und wenn es erst ans Bezahlen geht, oho, dann kennen die feinen Herrschaften plötzlich ihre Kreditkartennummer nicht mehr. – Aber keine Sorge nicht, wir kennen die.“

„Apropos: vergessen Sie bitte nicht, daß Ihre Kreditkarte im Januar abläuft. Ich hab Ihnen schon mal eine von unseren mit ins Paket gepackt, nicht, daß sie nachher nackend da stehen. Also, das Paket geht an die neue Wohnung, nehme ich mal an? Gehen Sie mal runter, die Drohne hat es grade eingeworfen. Wir sollten dem Vermieter mal eine Reihe größerer Briefkästen zustellen, sagt sie. Früher sei der Hausflur übrigens nicht so zugemüllt gewesen, sagt sie auch. Und eine Zwillingskarre stehe da, die sei neu. Wissen Sie, wem die gehört? Die brauchen doch bestimmt allerhand. Die hätten uns ruhig mal ein Update schicken können, das würde denen nicht wehgetan haben! Und Sie? Sie schicken bitte umgehend den Kreditkartenantrag zurück, Schnarchnase? Unterschrieben, bitte, diesmal. Nicht daß wir wieder dieses Hin und Her haben, wie bei Ihrem Providerwechsel neulich. Gibt’s dreißig Euro Gutschrift für, dann ist auch der Garmin nicht mehr so teuer. – Ts. Noch so ein Knickstiebel! Das habe ich schon gerne: 160-Quadratmeter-Wohnung, aber keine 160 Euro für ein ordentliches GPS-Gerät überhaben wollen.“

[Beiseite]

„Woher ich das weiß, woher ich das weiß! Das mit dem Provider. Ja, woher weiß ich das wohl! Warum fragt er mich nicht gleich, woher ich weiß, wie meine Oma heißt!?“

„Ich weiß ja sogar, wie seine Oma heißt.“

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