Betr. soziale Gerechtigkeit, hier: die Mütterrente

Betrifft aber auch das Rumgenerde, das trostlose Technokratenkauderwelsch in der Folge der nun gottseidank verbesserten Anerkennung der Kindererziehungszeiten für Rentnerinnen – ist das denn wohl nicht ganz egal, wer die Rente bezahlt, die Arbeitnehmer oder der Steuerzahler? Ist es nicht vielmehr die Hauptsache, daß sie kommt, die Rente? Sollten wir uns nicht, was das Ziel angeht, immerhin einig sein, selbst wenn wir uns über den Weg streiten? Insbesondere dann, wenn wir uns einig sind, daß der Weg das Ziel sein sollte, und es das Ziel sein muß, spätestens 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen? Ein ausgeglichener Haushalt, o denket an! Wann gab es das schon mal? In den Achtzigern unter Stoltenberg, wohl wahr, was bloß leider nichts genutzt hat, weil mit dem gesparten Geld die DDR gekauft werden mußte. Ist aber nicht abzusehen, daß wir in naher Zukunft Zukäufe tätigen müßten; Griechenland, Portugal, Spanien und Italien gehören uns schon, und die Ukraine kann so teuer nicht sein. Die ist ja bloß noch halb.

Sehen wir das ganze doch einmal unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit: kann es denn gerecht sein, die Mütter von Politikern, Parlamentariern, Beamten und Selbständigen von der Rentenerhöhung auszunehmen? Was können denn die Mütter dafür, daß ihre Söhne und Töchter in die CDU, in die SPD oder in gottweißwas für Parteien eingetreten sind? Das hat keine Mutter gerne, aber das kann sie doch nicht verhindern. Glauben Sie mir, meine Mutter hat Rotz und Wasser geheult, als sie erfuhr, daß ich der CDU beigetreten war. Tagelang. Wochenlang. Dafür habe sie nicht zwanzig Jahre ihres Lebens in meine Erziehung investiert, hat sie ein ums andere Mal geschluchzt, damit ihr Sohn sich dergestalt wegwerfe. Sie hat sich sogar geweigert, die 28 Euro 14 im Monat anzunehmen, die ihr für meine Erziehung zustehen, hat sie zu Boden geworfen und mit dem Fuß gestoßen, und später hat sie sie wieder aufgeklaubt und hat sie Erdbebenopfern zukommen lassen. Sie fühle mit den Müttern Haitis, sagte sie, sie wisse es schließlich – wer, wenn nicht sie? -, wie es sei, wenn einem der sicher geglaubte Boden unter den Füßen schwanke, wenn kein Stein des Weltengebäudes mehr auf dem anderen bleibe, wenn man einen Sohn, der einmal Stütze des Alters hatte sein sollen, im Rachen einer Naturgemeinheit verschwinden sehe.

Ähnlich hatte sich auch die Käsdorfer CDU zum gleichen Thema geäußert, und als ich die CDU zugunsten der Grünen verließ – zugunsten der CDU, wie die Grünen behaupten – da war es meiner Mutter kein Trost. Seitdem irrt sie stumpfen Blicks umher, und von hier und dort wird berichtet, daß sie gesehen worden sei, gestikulierend, mit sich selber redend, murmelnd stehen bleibend und den Kopf kraftvoll gegen kantige Objekte rammend. Was ich sagen will, ist: eine Mutter hat es doch nicht in der Hand, was sie da im Schoß hat. Es wäre nicht recht, ihr die Rentenerhöhung zu versagen, nur weil sie Politiker, Rechtsanwälte, Unternehmensberater, Steuerberater und Lobbyisten in die Welt gesetzt hat, die sich jetzt alle davor drücken, ihre Rentenerhöhung mitzutragen. Oder jenes Heer von Beamten, das für die Ausfeilung der Gesetzentwürfe zuständig ist. Es wäre dies nicht Recht, es wäre das nicht rechtens, es wäre eine Rohheit.

Darum können wir das auch nicht machen. Wenn die genannten Herrschaften zu sparsam sind, die Renten ihrer eigenen Mütter zu bezahlen, dann müssen wir das eben tun. Wir können sie doch nicht in Sippenhaft nehmen. Es ist schon schlimm genug, daß wir ihre Enkel nicht mehr werden alimentieren können, denn wenn wir erst einen ausgeglichenen Haushalt haben, mein lieber Mann! Dann hat es sich was mit dem sorglosen Leben reicher Enkel. Dann machen wir nämlich keine Schulden mehr, und die Enkel reicher Mütter, die sich schon darauf eingerichtet haben, daß sie früher oder später einen Haufen Forderungen, Forderungen an uns, ihre Schuldiger, erben werden und von Stund an nicht mehr zu arbeiten brauchen, die können sich mal mit der Hand über den Hintern fahren. So ist das nämlich im Kapitalismus, da fliegen einem keine gebratenen Tauben ins Maul! Keinem von uns.

Die werden arbeiten müssen, diese armen Enkel, sprich: unbezahlte Praktika machen, und wie jeder Enkel, der ein unbezahltes Praktikum machen muß, werden sie es nicht nur begrüßen, sie werden es geradezu erwarten, von der Oma etwas zugesteckt zu bekommen. Da wird es gut sein, wenn die Oma 28 Euro 14 mehr im Monat zum Zustecken hat, als sie hätte, wenn wir sie ihr nicht geben würden. Also seien wir doch bitte mal nicht so!

Andererseits, wenn Sie partout nicht wollen – und ich wende mich jetzt ganz persönlich an Sie, meine Leser – wenn Sie der Meinung sind, die Finanzierung der Rente mit 63 für jene 63jährigen, die nach der Lehre, mit 18, von der Firma übernommen wurden, in der Paps schon war, und Opa auch, die nie im Leben was auszustehen hatten, die klug genug waren, als Mann auf die Welt zu kommen, wie Opa und Paps, und die schließlich auch nichts dafür können, daß andere Leute – Frauen etwa – solche vergurkten Erwerbsbiographien haben, daß sie nun bis 67 arbeitslos sein müssen, tja, so ist das nun mal im Kapitalismus. Schweine mit Messer und Gabel im Rücken gibt es nirgends – doch, die gibt es schon, im Schlaraffenland, aber der Weg dahin führt durch einen dicken Grießbreiberg – apropos Grießbreiberg: wenn Sie partout nicht wollen und der Meinung sind, mit der Finanzierung der Rente mit 63 sei es nun auch mal gut, so wie es ja auch einige unentwegte CDUler gibt, die diesen Teil des Rentenpaketes kippen wollen: was meinen Sie, käme der lange Marsch durch den Grießbreiberg für Sie infrage? Sprich: ist Ihre Mutter schon tot oder vielleicht dement? Oder Sie ein herzloser Gesell? In dem Fall würde sich, so meine ich, eine CDU-Mitgliedschaft anbieten.

Ich weiß, ich weiß, Sie und ich, wir neigen dazu, uns angesichts der Welt Elend die Hände lieber nicht schmutzig zu machen, uns in die Büsche zu schlagen, das Handtuch zu werfen, das Abo zu kündigen, wenn uns der Leitartikel nicht paßt, uns abzuseilen anstatt uns einzubringen, und von der Terrasse des Grandhotels Abgrund den Aperitif ins Korn zu schütten. Aber überlegen Sie doch mal: Sie könnten mitgestalten. Ich habe es doch auch geschafft. „Es lohnt sich.“ (K.T. zu Guttenberg) Ich habe die besten Erfahrungen dort gemacht. Die CDU ist eine Partei, die sich freut, wenn neue Mitglieder eintreten, und die sich freut, wenn neu eingetretene Mitglieder konstruktive Anträge stellen, sagen wir mal: Anträge auf regelmäßige Bibelleseabende. Darauf sollten Sie nicht verzichten. Die fehlen der CDU, und auf die freut sie sich. Und wenn sie sich nicht freuen sollte, so sind sie doch gut für sie. Und wenn sie nicht gut für sie sein sollten: tja nun, so ist das Leben!

Sie dürfen allerdings nicht erwarten, daß sich die Freude etwa darin äußerte, daß man Ihnen mit offenen Armen um den Hals fiele. Die spezifisch christdemokratische Willkommenskultur besteht darin, mit den Augen zu rollen, wenn man den Neuankömmling nur von Ferne sieht. Machen Sie sich nichts daraus. Pfeifen Sie drauf! Rollen Sie zurück. Bekreuzigen Sie sich, wenn der Name Volker Kauder fällt. Loben Sie die AfD. Stecken sie sich Bildchen von Philipp Mißfelder und Vladimir Putin ins Portemonnaie. Stellen Sie den Antrag auf Ausschluß Ungarns aus der EU. Schließlich: wer hat denn damals die Türken bis kurz vor Wien gelassen!? Mitgestaltung heißt Mitgestaltung, weil es von Gestalt kommt. Und von Mit. Und von ung. Glauben Sie wirklich, daß Mitgliedschaft im ADAC sich mit Mitgliedschaft in der CDU verträgt? Ich glaube das auch nicht. Gehen Sie’s an! Es gibt viel zu wenig Unvereinbarkeitsbeschlüsse in der CDU.

Und in der SPD nicht minder, wie mir scheinen will. Sollte Ihre Mutter also noch leben und nicht dement, und Sie ein rücksichtsvoller Mensch sein, könnten Sie es mit einer SPD-Mitgliedschaft probieren. Aber ich muß Sie warnen: SPD ist teuer. Wenn Sie auch nur einigermaßen ein bißchen was eigenes Geld verdienen, hält die SPD die Hand auf. CDU und Grüne sind billiger, 1% vom Netto die Grünen, 1% vom Brutto die CDU, allerdings mit integriertem Auslandsschutzbrief und mit Sammelalbum für Ursula-von-der-Leyen-Bildchen. Aber die SPD kostet richtig Geld. Wenn Sie ein Habenichts sind, kriegen Sie’s etwas billiger, aber das auch nur um den Preis, daß Sie ein Habenichts bleiben. Denn die SPD holt es sich indirekt von Ihnen zurück. Da denken Sie an nichts Böses, und müssen plötzlich zwei Jahre länger arbeitslos bleiben, ehe Sie in Rente gehen dürfen. Und das für die gleiche Armutsrente, die es zuvor ab 65 gab. Von dem so gesparten Geld finanziert Andrea Nahles die Rente mit 63 für Ortskartellvorsitzende. Es sei denn, Sie verhindern es noch: treten Sie ein! Verhindern Sie es. Werden Sie Mitglied. Gestalten Sie mit, gestalten Sie um. Aber übernehmen Sie sich nicht finanziell!

Manch einer hat feststellen müssen, daß er, einmal in der SPD, zwar noch genug Geld hatte, um entweder a) die Rente für seine Mutter zu finanzieren, oder b) den Mitgliedsbeitrag für die Partei, aber nicht c) beides. Andrea Nahles zum Beispiel.

Darum müssen wir es jetzt tun. Aber ist das nicht ganz egal? Ist es nicht die Hauptsache, daß sie die Rente kriegt, die Mutter? Auch eine Arbeitsministerin muß erzogen sein, auch eine Arbeitsministerin macht ihrer Mutter Mühe und Kummer.

Und dann: kann Andrea Nahles‘ Mutter denn wohl etwas dazu? Ist es etwa an uns, sie zu kujonieren und zu viehkatzen? Hat eine Mutter kein Herz? Ein einstmals reines Herz, und unter dem Schmutz der Welt wohl immer noch so rein wie je? Blutet sie nicht, wenn sie sich in den Finger schneidet? Muß sie nicht niesen, wenn die Polle fliegt? Hat sie nicht Augen zu sehen und eine Brust zu atmen? Hat sie nicht Hand, Organe, Sinne, Leidenschaften wie wir alle? Ist sie nicht durch dieselbe Speise genährt, über denselben Löffel balbiert, mit demselben Klammerbeutel gepudert wie jede Arbeitsministerin? Wenn wir sie kitzeln, lacht sie nicht?

Und wenn wir in die CDU eintreten, weint sie sich nicht die Augen aus und stößt ihren Kopf gegen Buchenstämme?

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