„Es gibt sie noch, die guten Deutschen“

„Wenn ich nicht schon von Geburt Kulturpessimist wäre,
würde mich der Niedergang des Kulturpessimismus in Deutschland dazu machen.“
A. Schmidt, dem es erspart geblieben ist

Das Wort „schonungslos“ hat in rechten Kreisen (ZDF et. al.) einen guten Klang. Seit es üblich geworden ist, Leute, die man gerade bewußtlos geschlagen hat, nun nicht etwa zu schonen, sondern statt dessen noch ein bißchen mit den Stiefeln gegen deren Kopf zu treten, weil man einmal dabei ist, seitdem ist die „Schonungslosigkeit“ beim ZDF positiv besetzt. Das Gegenteil von „Schonungslosigkeit“ nämlich wäre „Political Correctness“, und für einen Deutschen – besser: „Deutschen“ (cf. K. Tucholsky) – ist die Nachrede, politically correct zu sein, etwa so übel wie der Vorwurf, nicht rückwärts einparken zu können, für einen Mann – besser: „Mann“. Es ist die Bange vor der Political Correctness in diesem Land die somatische Repräsentation jener spezifischen Sorte von Kastrationsangst, die sich hauptsächlich bei Klappskallis findet und sich nicht so sehr dem väterlichen Inzesttabu verdankt als vielmehr der mütterlichen Anweisung, gefälligst im Sitzen zu pinkeln, bitteschön, wo sind wir denn hier, wir sind hier doch nicht auf dem Bahnhofsklo, und sie laufe noch eines Tages davon, sie habe die Schnauze jedenfalls voll davon, in diesem Haus nur die Putze zu sein. Es ist die Angst davor, von der eigenen Mutter, Gattin, Freundin, Geliebten, Zugehfrau etc. – allgemeiner: „Putze“ – verlassen zu werden, womöglich zugunsten eines anderen, der sich nichts gefallen läßt, und dem sie klaglos hinterherfeudelt, so ist das ja immer. Diese Angst schweißt sie zusammen, läßt sie Klappskalli-Bücher schreiben, Klappskalli-Verlage gründen und Klappskalli-Portale betreiben.

„Positiv besetzt“ ist auch die ZDF-Besetzungscouch, bzw. war die ZDF-Besetzungscouch, als im ZDF-Mittagsmagazin der derzeit beste der guten Deutschen, Piefke Pirinçci, ein Autor des Klapskalli-Verlages Manuscriptum, welcher dem ehemaligen Landesgeschäftsführer der „Kindersexpartei“ (cf. Pirinçci) gehört, darauf Platz nahm, und die ZDF-Moderatorin neben ihm, so daß die beiden dort eine artige Achse des ganz besonders Guten bildeten. Man kann nicht sagen, obwohl man es gern täte, daß die Couch „gut besetzt“ war, denn es hätten sehr viel mehr Gäste darauf Platz gehabt, bei Wetten, daß sitzen Stücker 10 Leute auf so einem Ding, und bei Wetten, daß kommt auf dem Sofa auch sehr viel mehr Intelligenz zusammen, selbst dann, wenn nur einer drauf sitzt und auch noch Markus Lanz heißt, aber anders als Wetten, daß ist das ZDF-Mittagsmagazin ja eine harmlose Unterhaltungssendung und kein philosophisches Symposion. Aber positiv besetzt war die Couch schon, denn der Autor, der nicht als Piefke geboren wurde, und sich – vielleicht gerade deswegen – als Superpiefke fühlt und aufführt, stellte sein neues Buch „Deutschland von Socken“ vor, einen Haufen Unrat, den er über dem Land auskübelt, um dem Land zu zeigen, wie sehr er es liebt, und die Moderatorin war ganz von den Socken und strahlte. Insofern hatten sich da zwei gefunden. Wie wir von vielen mißhandelten Frauen wissen, deuten diese männliche Gewalt ja häufig als Gunstbeweis, à la „Ich muß ihm sehr wichtig sein, wenn er sich die Mühe macht, mir sämtliche Knochen im Leib zu zerschlagen“, und vielleicht haben die Klappskallis sogar recht, wenn sie sagen, daß solche Frauen „von Natur aus“ – und nicht etwa „von Gender aus“ – eine ganz andere Hirnstruktur hätten, als, sagen wir mal, Thomas Hoof: vielleicht sage ich, denn ich glaube es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Klappskallis immer unrecht haben, ist sehr viel größer. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß sie auch dann noch meilenweit daneben liegen, wenn sie sagen, 2 x 2 sei 3,999998456, wie Piefke, der anscheinend noch einen Pentium verbaut hat, es in seinem Buch immer wieder behauptet.

So „schonungslos“ leitete die Moderatorin, die, wahrscheinlich von Natur aus oder warum auch immer, ist doch völlig egal, eine völlig verbumfeite Hirnstruktur hat, das Interview ein, so schonungslos wie Piefke habe noch niemand über Türken geschrieben – was schon mal nicht stimmt, denn was ist mit Ludwig Uhland? „Als er das Tier zu Fall gebracht / da faßt er erst sein Schwert mit Macht, / er schwingt es auf des Reiters Kopf, / haut durch bis auf den Sattelknopf, / haut auch den Sattel noch zu Stücken / und tief noch in des Pferdes Rücken. / Zur Rechten sah man wie zur Linken / einen halben Türken heruntersinken.“ Das nenne ich schonungslos über Türken schreiben -, und Stefan Niggemeier meint dazu: „Damit hat man schon den Ton gesetzt: Pirinçci schreibt „schonungslos“. Das suggeriert, dass er Dinge sagt, die schmerzhaft sind, aber wahr.“

Mag sein, aber mir ist nicht klar, was das „aber“ hier soll? Tritte gegen den Kopf sind doch schmerzhaft, und sie sind wahr. Was hat die Wahrheit hier verloren? Oder im ZDF, was das angeht? Ich glaube eher, es geht dem ZDF um die Schonungslosigkeit als solche, um die politische Unkorrektheit als solche, bzw. es geht ihm „in Wahrheit“ um das wiederholte, sinnlose Aneinanderreihen von Wörtern, Begriffen und Satzfragmenten:

„Deutschland von Socken“ heißt das wahrscheinlich politisch unkorrekteste Buch des Jahres hier in Deutschland.

Abmoderation ZDF. – So ist das nämlich bei Tourettern.

Apropos Touretter: genug von der Moderatorin, nun zu Piefke. Der spricht aus der Fülle seiner Erfahrung – und wer wäre geeigneter, uns über die Beschaffenheit der Welt Auskunft zu erteilen, als der Mann von Welt? Wer hätte mehr Ahnung vom Angeln als der Wurm? – So spricht der Wurm:

Prostituierte gibt es nicht, weil Männer dafür Geld zu zahlen bereit sind, sondern weil es Prostituierte gibt. Diesen Job kann nämlich die überwältigende Mehrheit der Frauen nicht verrichten, man muss dafür mehr oder weniger geboren sein.

Da treffen sich schon wieder zwei, Puffgänger und Prostituierte diesmal, denn auch zum Freier muß man geboren sein. Die überwältigende Mehrheit der Männer dürfte Schwierigkeiten haben, diesen Job zu verrichten, und zwar unüberwindbare Schwierigkeiten, weil dem Manne die Vorstellung, daß Piefke fünf Minuten vor ihm dran war, die eigene Vorstellung verhageln dürfte. Da packt einen doch erst einmal das Mitleid. Da hat man doch das Bedürfnis, die Frau zu trösten, sie wieder aufzurichten und ihr frischen Lebensmut zuzusprechen. Und dafür ist man schließlich nicht in den Puff gekommen. Man geht ja auch nicht zum Zahnarzt, um dem frischen Lebensmut zuzusprechen, sondern weil man was von ihm will. Zwar würde man auch seinem Zahnarzt sein Mitleid nicht versagen, wenn man wüßte, daß Piefke vor fünf Minuten bei ihm gewesen ist, allerdings bestünde man auf einem frischen Wasserbecher. – Aber das ist beim Zahnarzt ja auch ohne weiteres möglich.

Gut möglich ist auch, und man müßte die Klappskallis befragen, ob es stimmt, daß die Puffgänger ebenfalls von Natur oder Gender aus eine völlig verrückte Hirnstruktur haben. Wir hatten ja vor einiger Zeit den Fall, daß eine erkennbar aus dem Ruder gelaufene Hirnstruktur sich vor Gericht einfand, um Feststellungsklage zu führen, daß sie kein Puffgänger sei und nicht so genannt werden dürfe. Frage: warum tat sie das? Wenn es nicht so verdammt nahe gelegen hätte, es aber anzunehmen?

Wobei wir von der Hirnstruktur Piefkes lieber gar nicht reden wollen, es handelt sich um eine große Wüstenei, voller Kutteln und Fäkalien, in der keine Synapsen erkennbar sind, außer am äußersten rechten Rand, wo sie aber nicht gebraucht sondern durch Geschrei substituiert werden. Aus dem dann natürlich so was herauskommt, wie soll es anders sein: nach dem Fest, als das ZDF so recht von den Socken war, was es da über den Mittagsäther hatte wabern lassen, und sich erstmal den Unrat von der Weste bürsten mußte, um zu schauen, was von dem Unrat sich für die Mediathek empfehle, da brüllte Piefke in einem der Klappskalli-Blogs, „Nie, nie, nie“ hätte er es für möglich gehalten, „niemals“, daß im Fernsehen Zensur ausgeübt werde. „Niemals! Das hätte ich nie geglaubt. – Das habe ich immer geschrieben, das ja. Aber doch nicht geglaubt! – Das schreiben doch alle! Sonst hätte ich es doch nicht geschrieben. Ich bin doch nicht der einzige, der das geschrieben hat, das steht doch in zwei von drei Blogs, das schreibt doch jeder! Aber glauben tut das doch keiner. – Das müßt ihr mir glauben, Freunde!“

All die Klappskallis, all die Klappskalli-Blogs, all die Klappskalli-Claqueure, alle würden immerfort schreiben, daß im Fernsehn und im Radio und in der Presse und wo nicht überall und in den Köpfen sowieso Zensur ausgeübt würde. Nur glauben würde das niemand, denn so blöd sei doch keiner. So blöd seien doch nicht einmal die Klappskallis.

So blöd vielleicht nicht, aber blöd genug:

Falsch gedacht! Es gibt bei den Öffentlich-Rechtlich (sic) also doch die hammerharte, primitive Zensur. Schämt euch!

Und ich sag’s noch.

Soviel zu Superpiefke, nun zu seinem Verleger:

Nachdem dessen Partei (s.o.) die Forderung nach Abschaffung des Paragraphen 182 aus dem Parteiprogramm geworfen hatte, verlor er das Interesse an der Politik und gründete lieber seinen Versandladen für Bakelitlichtschalter und ähnlich rückwärtsgewandtes Zeugs, unter dem Motto: Es gibt sie noch, die guten Dinge. Dafür nistete er sich in einer stillgelegten Zeche ein, aus der heraus er es bedauerte, daß sich dort schon lange keine Bergleute mehr eine Staublunge holen dürfen, um anschließend als 55jährige Frührentner hustend das Straßenbild zu prägen, wie es in seiner Jugend noch üblich gewesen war. Man muß zugeben, daß man selbst die Zechenschließungen im Ruhrgebiet mit einem rechten und einem linken Auge zu sehen gewohnt ist: einerseits waren die Zechenhaussiedlungen, in deren Küchen man zu Gast hatte sein dürfen – in die Kammer zu gehen, gehörte sich nicht, und in der Stube hatte man nichts verloren, dort wurde der Frührentner aufgebahrt, wenn die Lunge den Kampf gegen den Smog endlich verloren hatte; der Schulkamerad machte die Hausaufgaben am Küchentisch und schlief auf dem Kanapee -, einerseits also war es dort erbärmlich beengt, so daß man niemanden dahin zurückverwünschen möchte; mit dem kulturpessimistischen Auge aber sieht man warmen Herzens die gediegene Einrichtung der Wohnung: wo etwa noch ein Volksempfänger auf dem Küchenschrank gestanden hatte, war dessen Gehäuse zwar aus Bakelit gewesen, aber er hatte dort gestanden, weil er, wie alles, über Generationen vom Frührentner auf den Sohn überkommen war, nicht weil irgendjemand die Sorte Geld übrig gehabt hätte, die man braucht, um Retroplunder bei Manufactum zu kaufen.

Man muß ferner zugeben, daß man selbst ein Stück Rasierseife aus jenem Versand besitzt, jedenfalls, wenn man ich ist. Man schämt sich dessen. Man schämt sich, seit man erfahren hat, daß der Versand irgendwann anfing, auch Klappskalli-Bücher zu verlegen („Es gibt sie noch, die guten Bücher“), anstatt dabei zu bleiben, gemeinfreie Literatur, die es umsonst im Internet gibt, zu Manufaktum-Preisen an Leute zu verkaufen, die diese Sorte Geld übrig haben. Nun aber möchte man, da selbst der Manufactum-Versand angesichts Piefkes Buchs aus Sorge um sein Ansehen bei der betuchten Kundschaft gewisse weltanschauliche Differenzen zwischen Bakelitlichtschaltern und den Klappskalli-Texten einräumt und sich in gewohnt gediegener Art sachte von jenen distanziert, einen Schritt weitergehen und den Dachs, der für meinen Rasierpinsel die Haare hat lassen müssen, um Verzeihung bitten: du starbest umsonst, edler Pelzträger. Denn ich werde hinfürder keinen Rasierpinsel mehr an mein Kinn lassen, der im selben Tiegel lag wie eine Seife, die sich mit Piefkes Buch zusammen in einer stillgelegten Zeche herumgetrieben hat, die Hur‘. Ich will weiter gehen und inskünftig mein Kinn nicht mehr schaben. Gar nicht mehr. Ich will einen Bart wuchern lassen, in dem Bienen ein- und ausfliegen können und ihren Honig in Sicherheit wissen. Grimbart selbst soll neidisch werden, wenn er mich sieht. Das Wachs will ich einmal im Jahr ernten und an Manufactum verkaufen (16,25 Euro / 100g), daß ich die Kosten für die Rasierseife wieder reinkriege.

Da steht er dabei, der große Verleger, während Piefke seiner „Geliebten“, der Sprache Goethes, Herders und Thilo Sarrazins seine Gunst beweist, indem er ihr schonungslos die Zähne in den Rachen tritt, nennt Leute, die Mitleid mit der Frau haben, sie aufrichten und ihr frischen Lebensmut zusprechen wollen, vorab schon mal „Betschwestern“ und hält uns ein philosophisches Privatissimum:

Da sollte man sich an Nietzsche halten, von dem zu lernen ist, dass die groß Verachtenden immer auch die groß Verehrenden sind.

Und ich sag’s noch. Da haben sich zwei gefunden.

Piefke Pirinçci: „Deutschland von Socken – der irre Hype um zusammengefegten Kommentarspaltenmüll, den es zigtausendfach umsonst im Internet gibt“. Edition Klappskalli bei Manuscriptum, 33. Aufl., 276 Seiten, 3 1/2 Gedanken, klosteinfarbener Schmuckschuber, Fadenheftung, Büttenvorsatz, Leseband. 16,25 Euro / 100g.

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