In Michelangelo Antonionis Film Zabriskie Point kriegen die zwei jungen Männer, die sich in einem Knarrenladen eine Knarre kaufen, weil sie einen Polizisten erschießen möchten, oder zwei, oder vielmehr ein paar Bullenschweine, wie man in Studentenkreisen damals sagte, die kriegen von dem Knarrenladenbesitzer den Rat, gegebenenfalls ein Bullenschwein, das sie im Hof erschossen haben, in den Flur zu schleppen und auf Notwehr zu plädieren, denn im Haus ist es Notwehr, im Hof hingegen ist es jugendlicher Übermut.
Wobei der Knarrenladenbesitzer nicht explizit von Bullenschweinen sprach, die es, wenn sie denn totgeschossen, in den Flur zu schleppen gelte, sondern den Rat mehr allgemein hielt, aber er war ja auch, als Knarrenladenbesitzer und National Rifle Agent (NRA), nicht so tief in die Studentenbewegung verstrickt wie die beiden jungen Männer. Ein gut gemeinter Rat, zweifellos, aber auch ein guter? Oder ist auch der Weg ins Mündungsfeuer der Polizeiknarren mit gutgemeinten Ratschlägen gepflastert, wie der Weg in die Hölle? Denn wie wir alle wissen, geht die Geschichte nicht gut für den jungen Mann mit der Knarre im Stiefelschaft aus: nicht er erschießt Bullenschweine, die Bullenschweine erschießen ihn.
An diese Geschichte mußte ich denken, als ich im Fernsehen den CEO der National Rifle Foundation (NRF), Joachim Gauck – halt, Maschine stopp, Ruder hart Backbord: vertan! Gauck ist nicht CEO der National Rifle, Gauck ist Chefexekutionsoffizier der Nationalen Rüffel Agentur (NRA), und als solcher rüffelt er alles, was da kreucht und fleucht, zum Beispiel uns, an denen er kein gutes Haar läßt, da uns der Colt nicht so locker in der Ficke schlackert wie ihm – nicht wie ihm, er trägt die Knarre ja nicht selbst, muß er auch nicht in seiner Position -, sondern wie er denkt, daß unsere Kanonen schlackern sollten, wenn wir denn unsere Verantwortung so ernst nähmen, wie er es von uns erwarten darf. Der National Rifle Heini (NRH) hingegen, an den ich denke, der heißt Wayne LaPierre, und von ihm stammt der Ausspruch „a bad guy with a gun is a good guy with a gun“, und was zunächst einmal klingt wie einer weichen Birne entsickert, werden wir uns gleich noch genauer ansehen. Zunächst aber schadet es nicht, im Umkreis der National Rifle Association (NRA) mit allem Möglichen zu rechnen, auch und gerade und vor allen Dingen mit weichen Birnen.
Nun zu dem Zitat. Wenn man es sich genau ansieht, erkennt man, daß ich die einleitenden Worte: „The only thing that can stop“ weggelassen habe, denn der vollständige Satz lautet – also, wie wenn man die beiden Sachen hintereinander hängt. Das muß ich ja hier nicht unbedingt hinschreiben. Das kriegen Sie ja auch alleine hin, oder? Oder warten Sie: der vollständige Satz lautet: „The only thing that can stop a bad guy with a gun is a good guy with a gun“ und man kann zurecht einwenden, daß ich durch das Weglassen den Satz verkürzt hätte. So kann man argumentieren, ja. Ist ja auch so. Aber: was ist falsch an kurzen Sätzen? – Nichts. Und man kann nicht argumentieren, daß der Sinn des Satzes durch das Nichtweglassen der ersten sechs Wörtlein etwa gewönne, denn das tut er nicht. Er bleibt blöd, der Satz. Aber er wird natürlich länger, das gebe ich zu. Es ist auch nicht so, daß ich nicht verstünde, was Wayne LaPierre mir sagen will. Er will mir sagen, daß als letztes Mittel manchmal eine Abwehr von Aggression erforderlich sein könne, und daß man, wenn man den Einsatz von Schußwaffen als ultima ratio nicht von vornherein verwirft, das Opfer gegebenenfalls am besten in den Hausflur schafft.
Das könnte von Gauck sein. Ist es auch. Nicht das mit dem Hausflur, das habe ich hinzugedichtet, aber der Rest. Man kann argumentieren, daß ich Herrn Gauck da etwas unterschiebe, was er nicht gesagt hat – das habe ich ja auch -, aber man kann nicht argumentieren, daß ich es nicht mit den lautersten Absichten getan hätte. Manchmal ist das als letztes Mittel erforderlich. Um zu zeigen, wie sich die ultima ratio eines Good Guy (Gauck) und die prima ratio eines Halunken (Wayne LaPierre) doch gleichen, nämlich wie ein faules Ei dem anderen. Dem Toten im Flur, ja dem ist es egal. Der riecht eh nichts mehr.
Also: Wayne LaPierre wollte sagen: „Hände hoch!“ Bzw. „Hände weg!“ Vom 2nd Amendment der US-Verfassung nämlich, welches besagt, daß der freie Bürger eines freien Staates das Recht hat, soviele Knarren zu verkaufen, wie der Käufer in seiner Hose bergen kann, auch wenn das mit sich bringt, daß der Verkäufer, weil er nicht weiß wohin mit dem Geld, sich den Arsch einfach, zweifach, dreifach, vierfach, fünffach oder noch mehrfacher mit Blattgold belegen lassen muß: „The right of the people to have their asses gilded up to five or more times shall, if possible, not be infringed,“ wie es in besagtem Amendment heißt.
Das will er sagen, also könnte er es auch sagen. Tut er aber nicht. Warum nicht? Weil das Recht, das Publikum für dumm zu verkaufen, erlischt, wenn man es nicht mehr wahrnimmt? Ähnlich wie unser Wegerecht, das erlischt, wenn es seit 100 Jahren nicht in Anspruch genommen wurde. Wann immer ich mit einer Wanne voll Kochwäsche zum Waschplatz an der Aue unterwegs bin, wo ich sie spülen will, weist mir der Tankstellenpächter das Gartenpförtchen. Durch seinen Garten führt der Pfad, den so viele Füße müder Mägde und rheumageplagter Waschfrauen über Jahrhunderte unkrautfrei gehalten haben. Und wenn ich einen flammenden Aufruf bei Rewe ans schwarze Brett tackere, mir mir zusammen das Herkommen gegen den Emporkömmling zu verteidigen, dann kommt keiner. Nicht viel anders in Amerika: wenn dort nicht täglich mindestens einer erschossen wird, wird man annehmen, daß das Recht des Waffentragens, -putzens und -benutzens nicht mehr länger gebraucht wird und eingezogen werden sollte.
Die Gefahr ist natürlich gering, und um zu verhindern, daß sie größer wird, hat man Leute wie Wayne LaPierre. Gut möglich, daß er sich sorgt, das Recht, die Leute für dumm zu verkaufen, könnte ebenfalls eingezogen werden, wenn er sie weniger als einmal täglich für dumm verkauft. Aber auch die Gefahr ist nicht sehr groß. Eher schon kommen am Samstag ein Dutzend Leute zu meinem Wash-In am historischen Waschplatz an der Aue in Käsdorf.
Denn es ist natürlich ein Riesenblödsinn, zu behaupten, nur ein „good guy with a gun“ könne einen „bad guy with a gun“ stoppen. Ein „bad guy with a gun“ kann das auch. Ein „bad guy with a gun“ kann auch einen „good guy with a gun“ stoppen, und ein „bad guy with a good gun“ kann zwei „good guys with bad guns“ stoppen, und zwar locker. Zwei „bad guys with good guns“ können jede Menge „good guys“ stoppen, wenn sie sich geschickt verschanzt haben, und zwei andere „bad guys, even with rotten guns“ können die beiden ersten „bad guys“ stoppen, wenn sie zuerst schießen. Jedenfalls treffen. Selbst zwei „good guys“ können zwei „good guys“ stoppen, wenn sie sich vertun und sie für „bad guys“ halten. Oder zwar wissen, daß die beiden „good guys“ sind, aber noch eine Rechnung mit ihnen offen haben. Sowas kommt schließlich vor, und zwar in den besten Familien. Oder es sind gar nicht zwei „bad guys“, sondern einer ist ein „good guy“ (weiß) und einer ein „bad guy“ (schwarz), und sie sind aneinander gekettet, wie Joker und Noah in dem Film ‚Flucht in Ketten‘, und man zielt auf den „bad guy“, aber während man gerade abdrückt, beugt sich der „good guy“ vor und kriegt alles ab. Man kann ihn noch nicht mal in den Hausflur schleppen, weil der „bad guy“ noch dranhängt. Das ist dann Tragik. Da kann dann keiner was für.
Aber Riesenblödsinn oder nicht, die Leute lassen sich für dumm verkaufen, und glauben Wayne LaPierre. Und plappern es ihm nach. Siehe unser „good guy“ Gauck. Oder nicht? Ist nicht er der Gute, LaPierre der Böse? Auffallen tut uns, daß beide die notorisch große Klappe halten, nun, da in Missouri ein „bad guy with a gun“ das getan hat, was „bad guys“ tun sollen, wenn sie im Sinne der National Shutgun Association (NSA) tätig werden: den Knarrenladenbesitzern einen Anlaß geben, nach Bewaffnung der „good guys“ zu schreien, indem er einen umgenietet und versäumt hat, ihn in den Hausflur zu schleifen, bevor die Polizei da war. Na! Unfug! Die Polizei war ja schon da. Aber die Knarrenladenbesitzer, sie schreien nicht. „Good guys“ ohne Ende strömen auf die Straße, protestieren, schmeißen mit Sachen, legen Feuer, plündern Läden – aber einer, der ihnen nahelegen würde, sich mit Handfeuerwaffen zu versehen? – Fehlanzeige.
Nicht, daß ich das für falsch hielte. Ich halte es für richtig, die Zivilbevölkerung nicht zu bewaffnen. Ich finde, es sollte ein Gewaltmonopol geben, und das Monopol sollte beim Staat liegen. Der kann es dann, am besten nach festen, transparenten Regeln, delegieren, z.B. an Polizisten. Das ständige Waffengefuchtel selbsternannter „good guys“, das wäre mir viel zu unübersichtlich. Man stelle sich vor, man käme als Fremder in eine fremde Stadt geritten, und jeder, dem man auf der Straße begegnete, trüge den Sheriffstern – wer wollte sich denn da noch zurechtfinden? Man würde den Colt doch vorsichtshalber gar nicht mehr aus der Hand legen!
Aber ich bin ja auch nicht Gauck. Was ist mit ihm? Er ist schließlich Gauck. Warum schweigt er? Wäre es nicht an der Zeit, daß die Bundesrepublik „sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen“ täte? Und die Ordnung in Ferguson wieder herstellte? Es müßte ja keine „rein militärische Lösung“ sein, man könnte ja „besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen.“ „Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird,“ und da bin ich ja gerade dabei, „Einsatz der Bundeswehr “ nämlich, „dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip Nein noch reflexhaft Ja sagen.“ Sag ich ja. Bzw., das hat alles Gauck gesagt. Hat gesagt. Im Winter, auf einer Wehrsportveranstaltung oder wehrkundlichen Tagung oder irgendwas mit „Wehr und Waffen“ im Namen – wie bitte? Eine ‚Sicherheitskonferenz‘ war das? Sischer dat! Und dies hier ist ein ‚Informationsmedium‘ -, der Punkt ist: er hat es gesagt. Nun hält er den Rand. Kein „Deutschland steht an der Seite der Unterdrückten“ mehr. Kein „Es kämpft für Menschenrechte.“ Auch kein „Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“ Das war mal: am 14.6. im Deutschlandfunk. Das war rein theoretisch-rhetorisch in die Tüte geplaudert. Jetzt, wo ich ihn hinterwärts auf sein Geplauder festnageln will, da geht er mir aus dem Weg.
Ich darf doch bitten: in Ferguson sind Menschenrechte verletzt worden! Jemand ist nur aufgrund seiner Hautfarbe erschossen worden, ein Verstoß gegen die Artikel 1, 2 und 3. Sowie 7, 10 und gegebenenfalls 11. Die einheimische Bevölkerung ist nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft gegen dieses Verbrechen zu wehren, weil der Täter sich in den einstweiligen Ruhestand abgesetzt hat. Also bitte! Wenn wir jetzt nicht zu den Waffen greifen, wann dann?
Nicht, daß ich es für richtig hielte, in Ferguson einzumarschieren. Ich bin nicht der Meinung, daß man die Menschenrechte allein um der Rechte der Menschen willen verteidigen sollte. Oft klappt das nicht, denn die Träger der zu verteidigenden Rechte sind hinterher töter als vorher, und oft sind Kriege, bei denen es ums Prinzip geht, grausamer als die, bei denen es bloß um Land, eisfreie Häfen oder Rohstoffe geht. Man sollte immer beides miteinander zu kombinieren versuchen. Wenn es dann mit den Menschenrechten nicht klappt, hat man immerhin das Öl. Das gibt dem Krieg ein menschliches Antlitz.
Aber ich bin ja auch nicht Gauck. Gauck ist Gauck, und Gauck will mehr. Gauck will, daß wir an der Seite der Unterdrückten stehen, auch und gerade dann, wenn diese kein Öl haben. Aus Prinzip. Weil wir die Guten sind. Nun denn, in Ferguson gibt es kein Öl – zu den Waffen! Meinetwegen zu den nicht letalen Waffen, wenn das Verteidigungsministerium darauf bestehen sollte – was schade wäre, denn es impliziert, daß wir Frau v.d. Leyen nicht nach Ferguson schicken können. Auf der anderen Seite ist den „good guys“ da drüben mit schußsicheren Westen sehr viel besser gedient als mit Frau v.d. Leyen, von der sie nicht wirklich etwas hätten. Schußsichere Westen aber sind genau das, was die Leute in Ferguson brauchen.
Aber Gauck scheint nicht zu wollen. Er ist ja auch nicht ich. Vielleicht hält er es nicht für angezeigt, in einem befreundeten, bewunderten, mit Respekt betrachtetem Land, das obendrein mit dem eigenen verbündet ist und von dem man in vielfältiger Weise abhängig ist, einzumarschieren. Um dort den Menschenrechten zu ihrem Recht zu verhelfen. – Ich hielte das für angezeigt. Ich glaube, die Amerikaner warten nur darauf. Ich glaube, sie lassen sich gern belehren. Besonders, wenn es auf eine impertinente und ganz und gar humorlose Art geschieht, eine Art, die eigentlich nur bei uns zu haben ist. Ich glaube, sie lieben uns dafür. Heimlich vielleicht, so, wie sie Angela Merkels Telefon heimlich abgehört haben – aber das ist es ja eben! Wer würde sich das antun wollen, wenn nicht der verliebte Jüngling, der heimlich im Tagebuch der Angebeteten schmökert, um zu sehen, was sie über ihn schreibt. Vielleicht wären sie sogar bereit, nach der Befreiung Fergusons Gauck als ihren Präsidenten zu adoptieren, denn ihren eigenen scheinen sie ja nicht wirklich gern zu haben.
Gauck scheint das anders zu sehen. Vielleicht meint er, daß die beiden Merkmale – 1. Verletzte Menschenrechte, 2. Kein Öl, keine Bodenschätze. Keine eisfreien Häfen – daß diese Merkmale ein Land doch noch nicht ausreichend für den Genuß deutschen Zurseitestehens qualifizieren, vielleicht muß noch ein 3. hinzukommen. Etwa, 3. daß der betreffende Staat – oder das staatenähnliche Gebilde, die schäbigen Überreste dessen, was einmal Staat sich nannte – im Grunde nichts zu sagen hat. Im Sinne von: nicht mitreden darf. Einem nicht auf Augenhöhe begegnen kann und nicht satisfaktionsfähig ist. Der nicht gefragt werden muß, und der im Idealfall eine lange Geschichte der Erziehung durch europäische Patenstaaten hinter sich hat, zwar möglicherweise jetzt im Flegelalter ist, dem man aber doch zumindest prinzipielle Schulreife unterstellen darf. Z.B. der Irak, der ja eigentlich kein Staat ist, sondern ein künstliches Gebilde von Engelands Gnaden. Hat keine handlungsfähige Regierung, kann seine Minderheiten nicht schützen, z.B. die Jesiden, die wir auf einmal so lieb gewonnen haben, seit wir wissen, daß es sie gibt. Als vor drei Jahren ein jesidischer Vater vorm Jugendamt im niedersächsischen Stolzenau seine jesidische Tochter erschoß, da hatten wir noch keine Verwendung für dergleichen Feinheiten, da kam es uns besser zupaß, Ehrenmörder grundsätzlich als Muslime zu führen, und den Kasus in der Schachtel mit der Aufschrift ‚Islam = böse‘ abzulegen. Heute paßt es uns besser, die Unterschiede herauszustellen, denn sonst täten wir uns schwerer damit, ihre Verfolgung durch den ‚Islamischen Staat‘ zu erklären. So aber können wir den gleichen Schuhkarton weiterverwenden.
Ich bin allerdings etwas anderer Meinung als Gauck. Nichts dagegen, die Jesiden durch die Kurden retten zu lassen, wenn die Kurden dies wünschen; uns drauf besinnen, daß es Teufelsanbeter sind, die wir hier bei uns nicht haben wollen, können wir immer noch. Aber ich finde es ungerecht, nur wirtschaftlich, militärisch und politisch unterlegenen Staaten unsere Hilfe aufzunötigen. Wenn es Amerika nicht sein kann, weil weder Gauck noch ich das wollen, dann sollten wir bei unseren europäischen Nachbarn nach dem Rechten schauen. Z.B. in Frankreich. Wir haben immer zuerst in Frankreich nach dem Rechten geschaut; ganz zuallererst natürlich, buchstäblich en passant, in Belgien. Und warum auch nicht, dort ist es nicht besser, als in Frankreich: auch da werden Frauen unterdrückt! Sie dürfen sich dort nicht vermummen. Die Männer hingegen dürfen rumlaufen wie Pierre Vogel, und keiner sagt was. Ich sage: niemand darf aufgrund seines Geschlechtes benachteiligt werden. Entweder das Burkaverbot aufgehoben, oder die salafistischen Männer zwangsrasiert! Ich persönlich tendiere ein klein wenig zu letzterem, so wie ich auch der Meinung bin, daß die amerikanische Polizei nicht immer nur schwarze Jugendliche erschießen sollte. Hin und wieder zwischendurch einen Weißen erschossen, und schon wird das Vertrauen der Schwarzen in eine Polizei, die auch die ihre sein sollte, wieder zunehmen, zaghaft zunächst, gewiß, aber mit jedem toten Teenager ein wenig mehr. Ich bin überzeugt, auch Wayne LaPierre wird sich dann wieder auf die Pflichten des ehrbaren Kaufmanns besinnen und zu massenhaften Waffenkäufen aufrufen. Zurecht, denn die weißen Kids verfügen doch über eine ganz andere Kaufkraft als die schwarzen. Wo ein Schwarzer sich die Knarre vom Munde absparen muß, haben gleichaltrige Weiße drei davon in der Hose und noch Geld für Munition übrig.
Der weiße Student mit der Knarre im Stiefel, der in Antonionis Film von einem Bullenschwein erschossen wird, wird dies übrigens nicht wegen seiner Hautfarbe, sondern weil er ein Flugzeug geklaut hat, das er allerdings zurückbringen will – schön dumm, hätte er’s behalten, könnte er noch leben. Insofern handelt es sich nicht um eine Menschenrechtskiste, sondern um jugendlichen Übermut, und das Bullenschwein ist eigentlich gar kein Bullenschwein, sondern gehört eher in die Kategorie „good guy“, Typ 3b: „good guy with a gun stops good guy with a gun“. Ein Einmarsch in Kalifornien erübrigte sich daher. Das hinderte Antonioni aber nicht daran, seiner weiblichen Hauptdarstellerin, die vom Tod des Freundes im Autoradio hören muß, mit einer wundersam entlastenden Rache Linderung zu verschaffen. Rache an ihrem Chef, der zwar nichts dafür kann, aber was soll’s, so ist das nun mal mit der Rache. Wenn Gauck zum erstenmal wo einmarschieren läßt, wird’s dort auch jede Menge Leute treffen, die nichts dafür können. Mitgefangen, mitbefreit. Oder mitgesprengt. Denn vor Darias innerem Tollkirschenauge fliegt die Wüstenvilla des Chefs in die Luft, immer und immer und immer wieder, in Zeitlupe, zu Kiffermusik von Pink Floyd und mit einem sehr satten, sehr befriedigenden Explosionsgeräusch. Dreizehnmal ist gerade die richtige Dosis, und danach schweben die Dinge sehr bunt noch stundenlang in der Schwerelosigkeit umher und der Kiffer in uns versöhnt sich irgendwie mit allem und jedem, und irgendwann ist’s auch mal gut. Daria kann wieder lächeln, Abendkühle überall, am Bache singt die Nachtigall, die Kamera reitet in den Sonnenuntergang, Roy Orbison fängt an zu singen, und der „good guy“ im Zuschauer hat irgendwie moralisch doch noch gewonnen. Das Merkwürdige ist: es funktioniert auch heute noch.
Ich habe die Sequenz als Schnipsel abgespeichert, und wenn ich im Autoradio hören muß, was Good Guy Gauck mal wieder irgendwo verzapft hat, stoppe ich alle Maschinen, halte mich steuerbord, hole das Tablet hervor, stöpsle mir die Ohren und lasse den Tanz beginnen. Es ist zwar nicht das Schloß Bellevue, aber wer weiß, ob das so schön gleichmäßig und malerisch in die Luft fliegen würde, wie die Wüstenvilla. Die ist ja doch ein Stück kleiner und da oben auf dem Felsen sehr viel spektakulärer gelegen.
Immerhin wäre es schön, wenn das Wulffsche Bobby-Car mit von der Partie sein könnte, zusammen mit der Stehlampe, den Büchern und dem Truthahn.