Eine Landmine in Guinea-Bissau hat das getan, wozu sie da ist: sie hat einen Kleinbus in der Luft zerrissen und mit ihm die Leute, die in und auf diesem Kleinbus, der völlig überfüllt gewesen sein soll, herumsaßen.
Der Spiegel, dem ich diese Tatsache entnehme, nennt das Ganze ein Unglück, und glaubt nicht, daß die Mine mit Absicht detonierte. Das glaube ich auch nicht, aber sie wurde mit Absicht dort hingelegt. Ein Unglück wäre es, etwa, wenn ein Windstoß einen Baukran umschmisse, der dadurch alles zerdepperte, was er eigentlich aufbauen sollte. Das wäre ein Unglück. Aber diese Mine lag nicht da, um irgendetwas aufzubauen, diese Mine lag da, um Kleinbusse in die Luft zu jagen. Zu diesem Zweck wurde sie gebaut. Zu diesem Zweck wurde sie entworfen, geliefert, bezahlt und transportiert und ausgelegt.
Vielleicht glaubt der Spiegel ja, daß der Zweck der Mine ursprünglich mal ein ganz anderer war, zum Beispiel die Sicherung des Friedens zwischen den portugiesischen Kolonialherren und den Aufständischen der Unabhängigkeitsbewegung von Guinea-Bissau. Kann sein. Kann sein, daß der Spiegel das glaubt, meine ich, aber dann irrt der Spiegel sich eben. – Friedenssicherung? Soll ich da jetzt drüber lachen? – Ich bin jetzt seit x Jahren auf der Welt, seit y Jahren kann ich lesen, und seit z Jahren glaube ich, das eine oder andere, was ich von der Welt mitkriege, wenigstens zu begreifen, wenn mir auch mit der Zeit jedes Verständnis dahinsiecht. Und in diesen z Jahren ist der Frieden mit einer Wucht, einem Nachdruck und einer Vehemenz gesichert worden, daß es nur so krachte. Es gellen einem die Ohren bis heute. Ich weiß von wenigstens 2z Friedenssicherungen in dieser Zeit, eingeschlossen die Friedenssicherung in Guinea-Bissau, die von 1961 bis 1974 dauerte. Dann war erstmal die Luft raus, und die Friedenssicherer mußten mal durchschnaufen.
Aus jener Zeit soll die Mine stammen, meint der Spiegel. Kann sein. Ca. 800.000 Zivilisten sollen, sagt mir Wikipedia, in den letzten 30 Jahren durch Landminen ums Leben gekommen sein, 800.000 Zivilisten plus 200.000 Friedenssicherer. Plus die 22, die jetzt auf dem Kleinbus gesessen haben. Verletzte und Schwerverletzte nicht mitgerechnet.
800.022. Tjaja, ein Unglück kommt selten allein.
Privatisierung der Flüchtlingsbewirtschaftung leistet genau das, was sie soll
Im Zuge der stetig wachsenden weltweiten Friedenssicherung kommen immer mehr Flüchtlinge ins Land, und die früher mal für sowas zuständigen Behörden wären längst mit deren Verwaltung überfordert – denn sie müßten ja alle Angestellten nach BAT bezahlen, um des lieben Himmels, wo soll das hinführen? -, wenn sie denn noch zuständig wären. Gottlob gibt es mittlerweile die Richtlinie, daß alle öffentlichen Auftraggeber, in der Hoffnung, ihre Kosten zu minimieren, jede nachgefragte Dienstleistung diskriminierungsfrei, transparent und rechtsstaatlich zu vergeben, sprich: auszuschreiben gehalten sind. Anders als der Privatmann, der sich den Dienstleister vorher ansehen und gegebenenfalls sagen darf, daß er sich von einem, der sich „Sieben auf einen Streich“ aufs Wams gestickt hat, die Kehle nicht rasieren lassen will, schönen Dank, muß die öffentliche Hand immer den billigsten Jakob nehmen. Tut sie auch. Was mittlerweile dazu führt, daß sich die Ausschreibung auf die Qualität der Dienstleistungen in etwa so auswirkt, wie die Friedenssicherung auf die Qualität des Weltfriedens: nicht so gut. Hingegen höchst positiv auf den Profit der Hersteller von Landminen.
Das Äquivalent der Landmine im Dienstleistungssektor ist der private Sicherheitsdienst. Wenn Ihnen irgendwo im öffentlichen Raum eine Bande von Halunkengesichtern in diesen hypermaskulinen Klamotten auffällt, die ich mal als das optische Äquivalent zum Bocksgestank bezeichnen möchte, eine Bande, bei deren Anblick sie sich instantan in einem Pitbullzwinger besser aufgehoben wähnen denn in deren Mitte, bei deren Anblick Sie sich denken: Ach nein, dies sind nicht eben die Herren, denen ich meine Freundin anvertrauen würde, mit der Bitte, ein Dreiviertelstündchen auf sie aufzupassen, während ich mich zur Aussage vor dem Ausschuß für Friedenssicherungsverweigerer einfinde – dann schauen Sie sich gut um: in der Nähe solcher Banden lauert oft schon der Rekrutierungssergeant der nächstbesten Schlägertruppe, der der Staat sein Gewaltmonopol anvertraut hat mit der Bitte, gut drauf aufzupassen, während er grad mal seine Kosten minimieren muß. Sagte ich Schlägertruppe? Private Friedenssicherungsagentur wollte ich sagen. Der wird die Halunken zu ködern versuchen, mit der Aussicht auf Löhne am unteren Rand des Einkommensspektrums, die Option auf Aufstockung durch die Bundesagentur für Arbeit, martialische Kluft, ausreichend Gelegenheit zu einfacher körperlicher Gewalt sowie die Bewunderung der Weiber. Außerdem 3 Luisdor auf die Hand, um den Staub von der Kehle zu spülen und auf Thomas de Maizières Gesundheit zu trinken.
Jetzt ist in einem Flüchtlingsbewirtschaftungsheim in Burbach so eine Mine hochgegangen, wo sie, wie Minen pflegen, den Frieden sicherte, indem sie ihren Opfern auf die Pelle rückte. Alle Welt schreit zeter, manch einer sogar mordio. Und das Handelsblatt fragt, ob Privatisierung um jeden Preis sein müsse, ob nicht Privatisierung um jeden Preis nicht am Ende dem Image der Privatisierung abträglich wäre?
Klares Gut Möglich. Wir sollten nicht jeden Preis zahlen, den sie fordert. Wir sollten die Privatisierung europaweit ausschreiben. Dann nehmen wir die, die am billigsten ist.