Über die natürliche Rolle der Frau im Abwaschwesen und ihre Beeinflussung durch die Unternehmenskultur

Wie mir am Dienstag auffiel – heute ist Mittwoch, und die Situation in der Teeküche ist nicht besser geworden -, hatte sich das schmutzige Geschirr in der Teeküche der Abteilung so stark vermehrt, daß ich keinen Platz für meine Teekanne mehr fand. Ich mußte erst einige schmutzige Teller übereinanderstapeln, um Platz zu schaffen, und um die Teller gescheit stapeln zu können, mußte ich die darauf liegenden Messer irgendwo anders hintun – normalerweise lasse ich die vom Teller ins Spülbecken purzeln, damit ich sie nicht anfassen muß, die sind schließlich schmutzig, aber das Spülbecken stand voll mit Kaffeebechern, und auf dem Ablaufbrett, auf das ich die Tassen hätte packen wollen, um Platz im Becken zu schaffen, standen sechs Isolierkannen, und daneben, wo eventuell noch drei Tassen hingepaßt hätten, lagen ineinandergekrumpelt Schwamm und dreckstarrender Spüllappen, beide klatschnaß, so daß ich sie nicht anfassen mochte. Ich kippte also die Messer auf den Spüllappendrecksschwammklumpatsch und stapelte ein paar Teller, bis ich Platz hatte, um die Teekanne dort zu parken.

Mir fiel wieder ein, daß ich schon am Montag die Arbeitsplatte als ungewöhnlich dicht bepackt empfunden hatte, und zurückgegangen war, um einen der Zettel aus dem Rollboy zu holen, die ich dort in der mittleren Schublade unter den Dienstreiseanträgen aufhebe, und die so aussehen:

Verbindliche Anmeldung zu dem Kurs / den Kursen
Kurs 1: Wie stelle ich einen benutzten Teller in die Spülmaschine? Wie ist das korrekte Procedere? Was muß ich zuerst tun?
und / oder
Kurs 2: Was ist ein Spülbecken? Welchem Zweck dient es? Wie unterscheidet es sich von einem Aufbewahrungsort für gebrauchtes Geschirr?
Name Kurs Vorkenntnisse
ja/nein
Email Tel. (freiwillige Angabe)

Bei Bedarf hefte ich die in der Küche mit Tesa an die Fliesen.

Nicht, daß ich erwartet hätte, daß sich jemand darin eingetragen hätte; von meiner Seite ist die Liste als purer Sarkasmus gedacht. Ist nicht jedermanns Sache, Sarkasmus, das weiß ich wohl, aber der normaldoofe Bürohumor à la „‚Wir werden sehen‘ sprach der Blinde“ oder „‚Irren ist menschlich‘ sprach der Igel und fiel von der Scheuerbürste“ ist schließlich auch nicht jedermanns Sache, meine jedenfalls nicht. Und es stand auch niemand drin. Es trägt sich nie einer ein. Bis auf einmal, da müssen die Kolleginnen sich abgesprochen haben, denn sie hatten sich allesamt zum Kurs 1 angemeldet und erwarteten jetzt von mir, daß ich ihnen die Spülmaschine erklärte. Da stand ich schön da! Erklären Sie mal drei Ingenieurinnen, einer Abteilungssekretärin, einer Auszubildenden, einer Finanzbuchhalterin, einer Organisationsassistentin, zwei Projektmanagerinnen, drei Vertriebsmitarbeiterinnen, einer Vertragsrechtlerin, zwei Beraterinnen und einer Abteilungsleiterin, wie man eine Spülmaschine einräumt! Das wissen die doch viel besser als Sie.

Das kriegte ich jedoch noch hin. Aber dann bestanden sie darauf, daß ich das Ding auch anwarf, und damit hatten sie mich. Die Sekretärin hat es mir schließlich erklärt. Man muß die Einknopfbedienung so und so weit nach da drehen, dann drücken, dann wieder zurück, kurz innehalten – „Helm vor die Fresse, stilles Gebet bis 10“ (Bürohumor) – dann erst den rechteckigen Knopf drücken, die Einknopfbedienung wieder rausziehen und mit dem Knie vor die Blende drücken – irgendsowas in der Art, ich hab’s gleich wieder vergessen. Darum packe ich die Maschine auch gar nicht erst an. Gestern aber schaute ich – nachmittags war die Situation so unhaltbar geworden, daß ich die Teekanne im Kabuff neben der Teeküche auf dem Kopierer abstellen mußte – neugierdehalber mal hinein. Auf geht sie nämlich ganz einfach, auch wenn sie läuft. Ob sie läuft, weiß man nicht so genau, denn leuchten tut sie auch dann, wenn sie nicht läuft. Gestern leuchtete sie auch, lief aber nicht, sondern war voll mit sauberem Geschirr.

Aha. Deswegen paßte nichts mehr hinein. Es hätte also bloß mal eine der Kolleginnen die Maschine aus- und das saubere Geschirr in die Schränke räumen müssen, und gut wär’s gewesen. Warum das nicht geschehen war, stand nicht dran. Das Sekretariat war in dieser Woche nicht besetzt, wegen Fortbildung und Berufsschule. Das wußte ich, denn da hatte es eine Mail gegeben, die ich aber gleich gelöscht hatte, im Vertrauen darauf, daß mich das schon nichts angehen werde. Die Abteilungsleiterin hatte es seit letzter Woche mit dem Ischias, das wußte ich vom Hörensagen. Da mochte man ihr das Bücken vorerst nicht zumuten, außerdem war sie auch gar nicht im Haus. Die Vertrieblerinnen kommen bloß zu uns rüber, wenn es was umsonst gibt; die haben drüben ihre eigene Küche; und wenn ich das richtig gesehen habe, als ich dort war, weil bei uns der Kopierer mal wieder auf den Service wartet – was auch sein Gutes hat, kann man ihn doch als Abstellfläche mitbenutzen -, dann haben sie sogar einen Tisch in der Küche. Mit Tischdecke und Blumenvase. Wenn wir einen Tisch hätten, wäre der wahrscheinlich auch voll mit Geschirr gewesen. Aber was war mit den anderen?

Die beiden Muttersprachlerinnen waren auf Dienstreise in ihren jeweiligen Zukunftsmärkten, wie ich später herausfand. Die Ingenieurinnen und die Assistentin hatten irgendeinen Workshop und aßen vermutlich im Hotel, wo man ihnen den Bettel nachräumen würde und sie sich um nichts zu kümmern brauchten, während unsereiner sehen konnte, wo er blieb. Was war eigentlich mit der Finanzbuchhalterin? War die überhaupt mal drei Wochen am Stück im Haus, oder ließen das ihre zahlreichen Urlaubsverpflichtungen gar nicht zu?

Blieben die beiden Projektmanagerinnen. Wenn man sie nicht brauchte, standen sie einem auf den Zehen herum, weil sie wissen wollten, wann im Jahr 2017 man Urlaub zu machen gedachte, damit sie ihre Ressourcenplanung auf Vordermann halten und rechtzeitig Bescheid sagen können, wenn ihre Projekte understaffed zu sein drohen. Dabei hält keines unserer Projekte bis 2017. Bis jetzt waren noch alle mangels Anschlußfinanzierung eingestellt worden. Aber die Projektpläne waren vom Feinsten. Wenn die Projektmanagerinnen da gewesen wären, hätte man sie mal bitten können, darin nachzusehen, wann sie wiederkommen.

Aber so!?

Was tun? Ich konnte doch nicht einen unserer Oracle-Spezialisten in die Küche schicken, damit der da mal aufräumte. Solche Leute kosten ein Schweinegeld. Außerdem wäre der damit überfordert. Wenn so einer versucht, seine Pizzaschachtel zu entsorgen, ist der Mülleimer für den Rest der Woche blockiert. Ich glaube auch nicht, daß es in deren Datenbanken besser aussieht als in unserer Teeküche. Was man da manchmal an Daten drin findet, hat große Ähnlichkeit mit einem Spüllappen, der seit drei Tagen im eigenen Saft vor sich hingammelt. Am besten wäre es, wenn die Reinigungsfirma beauftragt würde, die Spülmaschine ein- und auszuräumen, aber das macht der Controller nicht mit. Die Geschäftsleitung hat beschlossen, daß Reinigungsfirmen nur noch so und soviel im Jahr kosten dürfen. Außer im Controlling. Dort haben sie noch festangestellte Angestellte. Die haben Festgehalt und feste Arbeitszeiten. Denen ist es fschistko jädno, die räumen auch die Spülmaschine aus. Aber bei uns?

Nun, wir würden sehen. „Wir werden ja sehen, sprach der Igel und kletterte zurück auf die Spülbürste.“

Noch war ja Platz auf dem Kopierer.

Nachtrag am Donnerstag:

Hat sich erledigt. Heute morgen kam die Kollegin Vertragsrechtlerin, die als Selbständige immer auf Anschlußverträge angewiesen ist, und wollte uns den vorweihnachtlichen Bestechungschriststollen bringen. Sie ist noch teurer als Oracle-Leute, muß dafür aber auch Klinken putzen. Das brauchen die nicht. Die würden den Stollen aber auch vergessen, oder unterwegs verlieren. Sie fand keinen Platz, auf dem sie den Stollen hätte abstellen können, parkte ihn auf dem Kopierer und machte sich an die Arbeit. 10 Minuten später war alles erledigt.

Es war eine Wohltat, in einer solchen Küche den Tee zu kochen! Ich schnitt mir ein ordentliches Stück vom Stollen, gönnte mir eine saubere Tasse und ging wieder an die Arbeit.

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