Die Maske des roten Sozis

Dieser Text unseres Autors Edgar Schäfer Gümbel Poe ist aus unerfindlichen Gründen von steinmeier:blog abgelehnt worden; ja, er wurde nicht einmal hingeschickt. Vielleicht zu lang?

Ich taufe mit Wasser;
aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt.
Der wird euch mit dem Klammerbeutel taufen.
Gerhard Schröder

Im dritten Jahr des Wütens der Schweinepest, als die Schweinepest in dem von ihr befallenen Lande gerade am schlimmsten wütete, lud Prinz Müntefering seine tausend Parteifreunde zu einem Maskenballe von ganz ungewöhnlicher Pracht ein.
Die Schar der Masken bot einen berauschenden Anblick dar, doch will ich erst die Räume beschreiben, in denen das Fest stattfand.

Es wird sich um eine dieser beliebten Mehrzweckhallen gehandelt haben, die so aussehen, wie sie heißen, quadratisch, praktisch, fies, mit einer runden Bühne in der Mitte, wie sie seit Altamont praktisch in jedem Rolling Stones Konzert zum Einsatz gekommen ist, und die dem bedürftigen Fan die Orientierung erleichtert, indem sie ihn auf den ersten benebelten Blick erkennen läßt, wo die Toilette nicht ist.

Am hinteren Bereich der Halle stand eine riesengroße Uhr aus Ebenholz. Ihr Pendel schwang mit dumpfem, schwerem, eintönigem Schlagen hin und her. Und wenn der Minutenzeiger seinen Kreislauf über das Zifferblatt beendet hatte und das Uhrwerk die Stunde zu schlagen begann, drang aus der metallenen Brust der Uhr ein voller, tiefer, wunderbar musikalisch klingender Ton hervor, der von so besonderem Klange, von so seltsamer Feierlichkeit war, daß nach Verlauf jeder Stunde die Sozialdemokraten sich wie von einer unerklärlichen Macht gezwungen fühlten, eine Pause zu machen und dem Tone zu lauschen; die Intrigierenden und Telefonierenden mußten plötzlich innehalten, ein kurzes Mißbehagen breitete sich über die ganze fröhliche Gesellschaft. Man sah, während die Glocken des Uhrwerkes tönten, die Leichtfertigsten erbleichen und die Älteren und Gesetzteren, wie in traumhaftem Nachdenken verloren, ihre Stirn in ihre Hand senken. Doch sobald der letzte Schlag verklungen war, brach die Gesellschaft wieder in heiteres Lachen aus, die vom linken Flügel blickten einander an, lächelten wie über eine Torheit und gelobten flüsternd, sich beim nächsten Stundenschlage nicht wieder in eine ähnliche Aufregung bringen zu lassen. Aber wenn nach Verlauf von sechzig Minuten (die dreitausendsechshundert Sekunden der flüchtigen Zeit bedeuten) neue Glockenklänge von der Uhr her tönten, dann schrak die fröhliche Sozenschar wie vorher auf und wartete wieder mit banger, verstörter Angst auf ihren letzten Schlag.

Und doch war’s trotz allem ein heiteres, köstliches Fest. Der Prinz hatte seinen ganz persönlichen Geschmack. Er liebte seltene Farben und Farbenwirkungen und verachtete alles Herkömmliche. Seine Pläne waren kühn und voller Leben, und aus seinen Entwürfen sprühte die Glut ferner, schöner Regierungsverantwortungen. Manche da draußen hatten ihn für wahnsinnig gehalten, wenn er für 2009 einen Stimmenanteil von 25 Prozent prognostizierte. Seine Hofgesellschaft wußte, daß dies ein Irrtum war; aber man mußte ihn selbst hören, ihn sehen, mußte mit ihm reden, um wirklich überzeugt zu sein, daß er es nicht war.

Da gab es Farbenpracht und Glanz und Glitzern, viel Phantasie und Pikanterie. Arabeskenhafte Gestalten mit seltsam verrenkten Gliedmaßen wandelten umher und gemahnten wohl an die Traumgebilde eines Tollen. Viel Schönes war da, viel Übermütiges, viel Bizarres, manches Schreckliche und nicht wenig, das widerwärtig wirkte.

Der Festesrausch stieg höher und höher, bis endlich die Uhr die Mitternachtsstunde zu schlagen begann. Und nun, wie bei jedem Stundenschlage, bricht die Rede des Redenden plötzlich ab; die Deligierten bleiben starr sitzen, überall tritt, wie vorher, eine unheimliche Ruhe ein. Aber diesmal waren es zwölf Schläge, die von der Uhr ertönten, und daher kam es auch wohl, daß in der längeren Zeit den Nachdenklicheren unter den Genossen tiefere und ernstere Gedanken kamen. Und daher kam es auch wohl, daß, noch ehe der letzte Schlag in der Stille verklungen war, mehrere aus der Menge sich der Gegenwart einer Gestalt bewußt wurden, die bis dahin noch keiner von ihnen bemerkt hatte. Als das Gerücht von der Anwesenheit dieser neuen Erscheinung flüsternd die Runde gemacht, ertönte aus der ganzen Gesellschaft ein Murmeln des Staunens, der Mißbilligung – das sich endlich zu einem Ausdruck des Schreckens, des Entsetzens und des Abscheus steigerte.

Es läßt sich denken, daß es schon eine ganze ungewöhnliche Maske sein mußte, die in einer so phantastisch gekleideten Gesellschaft eine derartige Erregung hervorbringen konnte. Die Maskenfreiheit war in der Tat für jene Nacht fast unbeschränkt, aber die unbekannte Erscheinung ging sogar über des Prinzen weitgehendste Erlaubnis hinaus. Selbst in den leichtfertigsten, frivolsten Herzen gibt es Saiten, bei deren Berührung der Mensch erbebt. Und selbst für die Verlorenen, denen Leben und Tod nur noch ein Spott ist, gibt es Dinge, die sie nicht zu ihrem Gespött machen wollen. Die ganze Gesellschaft schien auch hier von dem Gefühl durchdrungen, daß in dem Kostüm und dem Auftreten des Fremden weder Geist noch die geringste Empfindung für Schicklichkeit zu erkennen sei. Seine Gestalt war kompakt und besenschrankförmig und vom Kopfe bis zu den Füßen in Dolce & Gabbana gehüllt.

Nein, es war nicht Gerhard Schröder.

Die Larve, die er an der Stelle trug, an der bei einem Menschen das Gesicht zu erwarten wäre, war der grauenhaften Öde der Physiognomie eines leeren DIN-A-4-Blattes so exakt nachempfunden, daß man auch bei genauester Prüfung die Täuschung kaum erkennen konnte. Doch dies alles hätten die tollen Festgenossen – vielleicht nicht gebilligt, aber doch noch erträglich gefunden. Aber der Vermummte war so weit gegangen, den Typus eines Oberbürgermeisters aus den 70ern anzunehmen, der in seiner Freizeit mit Müllverbrennungsanlagen handelt.

Als die Augen des Prinzen Müntefering die gespenstische Erscheinung erblickten, welche mit langsamen, feierlichen Schritten, als wolle sie ihre Rolle möglichst gut markieren, zwischen den Tagenden auf und ab schritt, bemerkte man, daß er im ersten Augenblick in heftigem Schauder, voll Schrecken oder Abscheu, zusammenzuckte. Doch dann stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht.
»Wer wagt es«, fragte er mit heiserer Stimme den Erzabt Wasserhövel, der in seiner Nähe stand, »uns durch diesen gotteslästerlichen Spott zu beleidigen? Ergreift ihn und reißt ihm die Maske ab, damit wir sehen, wen wir bei Sonnenaufgang an den Zinnen der Mehrzweckhalle aufhängen lassen!«

Der Prinz befand sich in der Nähe eines der nicht abgeschalteten Mikros, als er diese Worte sprach. Sie tönten laut und klar durch die Mehrzweckräumlichkeiten – denn der Prinz war ein kühner, kraftvoller Mann, und die Musik hatte ein Wink seiner Hand zum Schweigen gebracht.

Auf der runden Bühne also stand der Prinz, umgeben von einer Schar Höflinge, denen das Blut aus dem Antlitz gewichen war. Als er zu sprechen begonnen hatte, machte sich in der Gruppe eine leichte Bewegung auf den Eindringling zu bemerkbar, der in diesem Augenblick ebenfalls in der Nähe war und jetzt mit gemessenen, majestätischen Schritten auf den Sprecher zutrat. Aber die wahnsinnige Vermessenheit des Vermummten flößte der ganzen Gesellschaft ein so namenloses Entsetzen ein, daß niemand es wagte, Hand an ihn zu legen. Ohne daß ihn jemand aufgehalten hätte, trat er bis auf zwei Schritte an den Prinzen heran, und während die Höflinge wie von einem Gefühl der Angst getrieben von den Rändern der Bühne in deren Zentrum zurückwichen, durchschritt er ungehindert, mit demselben feierlichen, gemessenen Schritt, mit dem er gekommen, den Mehrzweckbereich hinter der Bühne. Niemand machte eine Bewegung, bis plötzlich Prinz Müntefering, rasend vor Wut und Scham über seine eigene, unerklärliche Feigheit auf den Eindringling zustürzte. Er schwang das Hamburger Programm und war der vor ihm herschreitenden Gestalt schon auf drei oder vier Fuß nahegekommen, als diese gerade den für die Presse reservierten Bereich erreichte, sich plötzlich umwandte und den Verfolger anblickte.

Ein gellender Schrei erscholl, das Hamburger Programm fiel raschelnd auf den roten Teppich nieder, auf den einen Augenblick später Prinz Müntefering tot hinsank. Nun raffte sich endlich eine Schar der Genossen auf! Sie drangen in den Pressebereich vor, ergriffen den Vermummten, dessen hohe Gestalt aufrecht und bewegungslos im Schatten der Ebenholzuhr stand – aber! in wahnsinnigem Entsetzen schrien sie auf, als sie fühlten, daß die Designerlumpen und die leichenstarre Maske, die sie mit so rauher Gewalt gepackt, keine Gestalt eingehüllt hatten, die greifbar war!

Und nun erkannten sie die Gegenwart des Frank-Walter Steinmeier. Er war gekommen wie ein Dieb in der Nacht, um das Werk Gerhard Schröders zu vollenden. Und einer nach dem anderen sanken die Gäste des Prinzen Müntefering in den blutbedeckten Mehrzweckwandelgängen ihrer Lustbarkeit dahin und starben in der verzweifelten Stellung, in der sie niedergesunken waren.

Die Ebenholzuhr stand mit dem Tode des letzten der Fröhlichen still.

Die Flammen der Dreifüße verloschen.

Und Finsternis und Verwesung legten sich über die Sozialdemokratie.

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