Der Executive Chairman der Firma Google, die alles daran setzt, die Ergebnisse ihrer Suchmaschine so aufzubereiten, daß man sie nicht mehr gebrauchen kann – nur ein Beispiel: wer, und er googelt das Wörtchen ‚Google‘, hätte denn wohl die Absicht, Google zu kaufen? – Ich nicht. Sie? Allenfalls doch wohl eine Minderheit, möchte man meinen. Aber Google tut so, als bestehe die Welt der Dinge nur aus Sachen, die man sich unmittelbar und ohne langes Warten in den Hals stopfen wollte. Wenn ich aber die Begriffe ‚bloch‘, ‚löwen‘, ‚tübingen‘, ‚marktplatz‘, ‚fernsehen‘ suchen lasse, dann will ich weder einen Fernseher, noch einen Löwen, noch ein Tübinger Hotelzimmer mit Blick auf den Marktplatz noch die gesammelten Werke von Ernst Bloch – doch, einen Löwen hätte ich schon gerne. Aber was geht das Google an? Deswegen habe ich nicht danach gesucht, sowenig wie ich – wenn ich frage, wer denn den Käse zum Bahnhof gerollt hat – den nächstgelegenen Bahnhof angezeigt bekommen will. Es geht mir nicht um einen konkreten Bahnhof, mehr um die abstrakte Idee, den platonischen Käse und den generischen Bahnhof.
Kruzitürken! Was ist nur aus der Kunst geworden, sich über Abwesendes auszutauschen? Sind wir alle auf dem Wege in die Regression? Da! Haben! Happa, Taita, Bubu? Wie damals, als das Fernsehen anfing, seine Aufgabe nicht mehr darin zu sehen, Löwen zu zeigen, die über den Tübinger Marktplatz schleichen, und damit Ernst Bloch eine Freude zu machen, sondern partout irgendwelchen Käse aus der unmittelbaren Nachbarschaft medial vermitteln wollte. Das kulminierte unweigerlich irgendwann darin, daß man, wenn man in Tübingen sein Hotelzimmer betritt, vom Fernseher gesagt kriegt, wie man heißt. Will ich nicht wissen! Ich weiß, wie ich heiße. Das heißt, eben wußte ich es noch. Aber wenn ich danach suche – „wie“ „heiße“ „ich“ -, wird Google (vorerst noch) ganz kleinlaut. Eine Seite namens testedich.de bietet mir an, herauszufinden, wie ich wirklich heiße. Will ich aber auch nicht wissen. So etepetete bin ich nicht. Ein einfaches Germanistenfuzzi tut’s für mich. „Kann ja nicht jeder Schmidt heißen.“ (Arno Schmidt)
Aber Schmidt kann Schmidt heißen und tut es auch, nämlich der Google-Fritze. Bzw. Google-Eric. Der war auf irgendeiner Sause – Moment, wo hab ich’s, wo hab ich’s – „wo“ „hab“ „ich’s“? – „Wirtschaftstag,“ genau, da war er, und was genau ist das, ein ‚Wirtschaftstag‘? – Den kann Google ausnahmsweise:
Mit bis zu 2.700 Teilnehmern ist der Wirtschaftstag Jahr für Jahr eines der hochkarätigsten Foren für die Begegnung und den Austausch von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen. Der Wirtschaftstag bildet seit 1963 den Höhepunkt der Arbeit des Wirtschaftsrates der CDU und ist die „Hauptversammlung der Multiplikatoren“.
Wirtschaftsrat der CDU, sapperlot! Hauptversammlung der Multiplikatoren! – Entgegen den sonstigen Gepflogenheiten der Wirtschaft und entgegen den einschlägigen Statuten sowohl der CDU als auch Googles, scheint der Wirtschaftsrat nicht käuflich zu sein, denn es gibt keine gesponserten Suchergebnisse. Merkwürdig!
Immerhin, Google hatte den Wizengamot gefunden, und Herrn Schmidt im Fleisch dorthin geschickt, damit er den Multiplikatoren das Konzept des selbstfahrenden Autos nahebringe. Auch schon was! Selbstfahrende Autos gibt es, seit ich laufen kann. Hießen sogar so, damals, wenn Viehmarkt war, und wir vom Dorf in die Kreisstadt gelaufen waren: Autoselbstfahrer. Dahinter die Raketenfahrt zum Mond. Drumherum standen die Mägde, und ließen sich auf den Beifahrersitz einladen und hatten Spaß, wenn die Autos alle aneinander bumsten. Anschließend ging es zum Knutschen in die Raupe und irgendwann ins Heu. Ja, es war nicht alles schlechter, früher! Das hat auch Schmidt gemerkt und deswegen den Oldtimer aus der Scheune geholt. Bißchen Stroh runtergefegt, bißchen aufpoliert, bißchen durchgeölt, schon fährt das Dingen. In Zukunft dann mit Android. Damals auf dem Viehmarkt nahmen sie Strom. Schön blau blitzen tat’s, wenn der Stromabnehmer über das Drahtnetz wischte.
Noch ein weiteres Fossil war auf dem Bums: Angela Merkel. Alt genug, die Freuden des Viehmarkts noch selbst kennengelernt zu haben, das Gekreisch beim Schließen des Raupenverdecks nicht nur noch im Ohr, sondern selbst mitgekreischt zu haben, hatte sie, wie viele ihrer Generation, bezüglich neuerer Entwicklungen als der des Hebdrehwählers von Tuten und Blasen keine Ahnung. Ja was denn! Ist es denn nicht so? – Wohl ist es so. Ich selbst habe ihnen schon vor zwanzig Jahren das Netz nahezubringen versucht, und sie sind mir alle davongelaufen. Spätestens wenn ich ein BTX-Terminal anschleppte, verließ der letzte das Seminar. Weil sie nichts lernen wollten! Hatten wahrscheinlich gehofft, daß ich ihnen Schmuddelseiten zeigen würde oder Ascii-Pinups, und waren an Akustik-Kopplern und Frequenzmodulation nicht interessiert, diese Ignoranten. Bleiben Sie mir mit meiner Generation vom Hals!
Eine dieser Ignorantinnen also ist die Kanzlerin, die – eigenem Eingeständnis nach eine Netznovizin – ebenfalls auf dem Konvent war, um dort coram publico das Ordensgelübde abzulegen. Was sie auch tat. – Wir kennen dieses Phänomen aus der einschlägigen Literatur: Pastorentochter, behütet, spät entjungfert, aber einen Tag später bereits beim ersten Rudelbums. Daraus sodann eine Religion gemacht, samt anschließender Beichte, da man das ganze für überaus mitteilenswert erachtet, und es ansonsten auch nicht aufgeschrieben werden würde, was es aber muß, denn sonst handelte es sich nicht um klassische erotische Literatur, was es aber tut. Sie wird in Erstausgaben gesammelt oder als Taschenbuch unter der Bettdecke geschmökert. So auch die Kanzlerin: vor Monaten noch „alles andere als ein Digital Native“, treibt sie sich nun auf dem Wirtschaftstag herum und schmeißt sich Big Data an den Hals.
Ich bezweifle allerdings, daß auch ihr Geständnis von Generation zu Generation weitergegeben werden wird, und von ungewaschenen Jünglingsfingern mit unter die Bettdecke genommen. Das bezweifle ich. Dafür fehlt ihm das gewisse Etwas. Ein die Lefzen wässernder Wuppdich. Eine die Säfte sickern lassende Sanguinik, die Schwellkörper schwellen machende Schwüle – nicht, daß es ihm an Obszönität gebräche!
Nämlich, es ist die Sprache. Das Trommelfell sei ja die empfindlichste Schleimhaut überhaupt, hat Alfred Edel im Casanova-Projekt erklärt, und wen dem so ist – und warum sollte ihm nicht? -, dann ist dieser Text in seiner Wirkung auf die Haut, wo sie am empfindlichsten ist, der Raspel, der Feile und dem Schleifpapier verwandt:
Aber ich fang mal einfach an. Es wird alles digitalisiert werden, was digitalisiert werden kann. Das heißt, man braucht ein positives Verhältnis zum Phänomen von Daten. Wer Daten als eine Bedrohung ansieht, wer bei jedem Datum überlegt, was kann man Schlechtes damit machen, der wird der Chance der Digitalisierung nicht gerecht werden.
Auch dieses Phänomen von Text ist bereits digitalisiert worden, und zwar nur deswegen – einen anderen Grund dafür kann es nicht geben -, weil er digitalisiert werden konnte; wo Frau M. recht hat, hat sie also recht. Wo sie allerdings unrecht hat, hat sie unrecht:
Daten werden der Rohstoff der Zukunft sein in der digitalen Welt.
Und wenn wir das akzeptieren, dann dürfen wir eben nicht als erstes nur über den Schutz nachdenken, sondern wir müssen auch überlegen, welche Chancen bestehen darin.
Was ist denn das für ein Unfug? Wer denkt denn wohl zuerst an den Datenschutz? Mal nur für mich gesprochen: ich nicht. Wie alle Männer, denke ich zuerst ans Heu. Erst ans Heu, dann an den Autoselbstfahrer, dann an die Raupe, und schließlich wieder ans Heu. Weil man als Mann praktisch ununterbrochen ans Heu denkt. – Also: nicht ununterbrochen. Wenn einem solch ein Text zwischen die Beine gerät, dann kann einem der Gedanke ans Heu schon mal für längere Zeit flöten gehen. Das ist nicht schön, aber irgendwann ist es ja auch wieder vorbei. Und dann denkt man schon wieder ans Heu. Aber doch nicht an den Datenschutz!
Irgendwann im Lauf der Dinge, denkt man dann auch an den Datenschutz. Was, so denkt man, wenn Tausendschönchen einem drauf kommt? Was dann? – So denkt man irgendwann. Aber doch nicht sofort. Zunächst einmal denkt man doch: was für Chancen liegen da, im Heu! Denn bevor man die Daten schützen kann, muß man ja erstmal welche produzieren, und solange man nicht im Heu war, sind doch praktisch überhaupt keine Daten angefallen.
Soviel dazu. Man sieht, Frau M. redet Blech. Vom Blasen hat sie anscheinend immer noch keine Ahnung.
Aber tuten tut sie, und nicht zu knapp:
Das ist im Grunde ein großes, sozusagen Stärkungswerk, die Digitalisierung für die Wünsche des Kunden. Und vom Kunden her muss gedacht werden. Das heißt, Industrie 4.0 ist gut, aber es wird eine Vernetzung aller Dinge geben. Die Industrie 4.0 muss auf die gesamte Gesellschaft ausgerollt werden.
Schockschwerenot, das erträgt ja kein Mensch! Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß es sich bei dem Text nicht um eine geschmiedete, sorgfältig gehämmerte und ausgetriebene Rede handelt, sondern um das Transkript des gesprochenen Wortes, das ungefiltert wie gedacht, so gesprochen wurde, so muß man doch auch annehmen, daß in dem zugehörigen Kopf genauso gedacht wird, wie hier gesprochen. Das ist ja schrecklich! Leicht beieinander sollen die Gedanken wohnen, aber doch nicht hart im Hauptspeicher aneinanderrumpeln. Das geht ja zu wie im Autoselbstfahrer am Donnerstagmorgen, wenn alle frei haben, damit sie zum Viehmarkt gehen können! – Ich will darum aus Autoselbstschutzgründen aufhören, diese – nunja: Rede – hier zu quoten; ich muß an meine körperliche Unversehrtheit denken. Ich will meine Fähigkeit, meinen Verpflichtungen im Heu nachzukommen, nicht mutwillig gefährden. Darum werde ich den Rest des Blechs beiseite räumen und in eigenen Worten wiedergeben, auf die Gefahr hin, daß sie nicht alles akkurat so gesagt hat, wie ich es hier aufschreibe. Gedacht war es aber schon so. Denk ich mal:
Die Novizin von neulich weiß auf einmal Bescheid, was was ist, und deswegen weiß sie auch, was zu tun ist. Zunächst einmal muß man den Eigentümern der Daten diese Daten wegnehmen, damit entfällt die Notwendigkeit, sich permanent den Kopf über den Schutz dieser Daten zu zerbrechen. Man soll sie aber, die Daten, auch nicht achtlos überall herumliegen lassen, daß sie etwa Gemeingut würden, bewahre! Das wäre! Da kann man doch noch was draus machen. Deswegen soll man sie, die Daten, denen geben, die daraus Werte schöpfen. Denn wir lassen ja auch das Land, von dem wir sagen wir ugandische Kleinbauern verjagen lassen, nicht einfach so in der Gegend herumliegen, daß Hinz oder Kunz dort anbaut, was er will, sondern wir geben es denen, die daraus Kaffee schöpfen. Zu unser aller Nutzen! Je mehr Daten es gibt, desto mehr Leute arbeiten mit Daten. Je mehr Leute mit Daten arbeiten, desto mehr Kaffee wird getrunken. Was soll man da mit diesen fisseligen kleinen Parzellen? So eine reicht nicht einmal für einen Espresso. So wie der einzelne Datensatz, der einzelne Bürger, völlig wertlos ist. Erst in der Masse wird die Bohne zu Kaffee, wird der Kaffeetrinker zum Wirtschaftsfaktor. Erst in der Masse wird der Kaffeesatz zu Big Data. Wenn man Wert schöpfen will, muß man aus dem Vollen schöpfen, sonst hat das keinen Wert.
Deswegen darf man nicht immer zuerst an den Schutz des Eigentums denken, sondern man muß fragen, welche Chancen liegen darin, den Leuten ihr Eigentum wegzunehmen? Wer Kaffee für eine Bedrohung hält, wer bei jeder Tasse Kaffee überlegt, wer denn dafür nun wieder der Grundlage seiner bisherigen Existenz beraubt wurde, der wird der Chance, die in der Konzentration des Produktivvermögens in den Händen einiger weniger liegt, nicht gerecht. Natürlich braucht der Kaffee einen Rahmen, oder sagen wir eine Tasse, wie alles in der sozialen Marktwirtschaft eine Tasse braucht. Oder einen Rahmen.
Und dieser Rahmen – oder sagen wir: diese trübe Tasse – hat hierzulande die Richtlinienkompetenz.
So in etwa. Ich muß Ihnen sagen, ich halte diese Frau für eine große Gefahr, und das nicht nur für die Satzgrammatik. Sapristi! Wir sollten sie unter Beobachtung stellen. Wie sollten allermindestens ihr Handy abhören lassen! Und einer, der mit dem Leben abgeschlossen hat, soll den ganzen Brassel anhören und uns monatlich – bitte in eigenen Worten! – einen Rapport schreiben.
Nun, das ist meine Sicht. Die Sicht dessen, der immer erst die Gefahren sieht. Ganz anders Eric Schmidt, der immer zuerst danach fragt: „Welche Chancen liegen für Google in einer solchen Kanzlerin?“ Und das brachte ihn auf die Idee mit der autonom redenden Kanzlerin auf der Basis von Android. Kontextsensitivität wird ihr erlauben, zu bestimmen, wo sie gerade ist (Hotel InterContinental, Budapester Straße 2, 10787 Berlin) und zu wem sie gerade redet: CDU Wirtschaftsrat plus geladene Gäste. Wer diese sind, kriegt man raus, weil sie alle ihre Handys in der Tasche haben, und was die hören wollen durch Auswertung ihrer Facebook-Pages, Twitter-Tweets und Search-Histories. Parbleu! Man möchte nicht sehen müssen, was Google alles sieht.
Mit diesen Daten kann jedoch die Google-Kanzlerin dann aus dem digitalisierten Wort-Schatz von Frau M. eine Rede zusammenstellen, wie diese selbst sie nicht besser hätte halten können. Ja, ich weiß. Die passive Sprachbeherrschung – Hörverstehen, Leseverstehen – ist das eine, das haben Siri und Co. schon ganz gut drauf. Die aktive Sprachbeherrschung – Schreibvermögen, Redevermögen – ist was ganz anderes. Damit tun sich die Spracherwerber meistens schwerer. Das, was die Google-Übersetzungsautomaten ausspucken, ist in aller Regel – Big Data hin, Big Data her – unlesbar. Weiß ich ja.
Diesbezüglich wird die Google-Kanzlerin sich von der echten also nicht unterscheiden.