Steinmeier Blog Cutouts IV

An dieser Stelle veröffentlichen wir in loser Reihenfolge Beiträge, die vom steinmeier:blog als inadäquat abgelehnt worden wären, wenn wir sie dort eingereicht hätten. Meist kommen wir aber nicht dazu oder sehen aus guten bzw. fadenscheinigen Gründen davon ab.

51. Tag (18.11.2009)

Sie steht! Sie steht! Die Regierungsmannschaft steht!

Lang hat es gedauert, sieben lange Wochen lang. Unter den fadenscheinigsten „Gründen“ haben die „Entscheider“ der anderen „Parteien“ Steinmeiers Avancen die kalte Schulter gezeigt, sich seinen Angeboten verweigert, ernsthaften Koalitionsverhandlungen entzogen, und das alles mit ihrer „Verantwortung“ für „das Land“ verbrämt.

Es hat ihnen nichts genutzt. Die große Koalition aus SPD und CDU unter Duldung der Linken: sie steht. Auch wenn heute Bußtag ist und Christen allerorten ihrer Sünden gedenken, wird uns ein wenig Jauchzen und Frohlocken erlaubt – und vielleicht sogar gegönnt sein.

11:30, Bundespressekonferenz: wir haben uns daran gewöhnt, daß das „Interesse“ der „Kollegen“ an den Presseerklärungen Steinmeiers mit dem Ethos eines Vertreters der Vierten Gewalt und journalistischem Selbstverständnis nicht in Übereinstimmung zu bringen ist und nicht selten die Grenze zur Unhöflichkeit streift. Wir haben uns auch daran gewöhnt, daß die wenigen erschienenen „Kollegen“ gerne die Gelegenheit zu einem Nickerchen wahrnehmen oder ihr Räuschchen ausschlafen, anstatt der Pflicht zur Information ihrer Zuschauer und Leser gerecht zu werden. An einem Tag wie diesem aber hat die Gewöhnung deutliche Aussetzer: ein bißchen größer hätte das Interesse der „Journalisten“ an der Frage, wer die Geschicke des Landes in den nächsten vier Jahren lenken wird, denn doch sein dürfen.

Auftritt FWS, begleitet – außer durch seinen Troß – von Angela Merkel für den Koalitions-Juniorpartner CDU, Oskar Lafontaine für die Partei Die Linke, sowie Roland Koch und Andrea Ypsilanti, die als Schirmherr bzw. -herrin für dieses Minderheitsregierungs- und Tolerierungsprojekt fungieren und als eine Art Maskottchenpärchen für deren gutes Gelingen stehen und einstehen. Außerdem von Parteichef Franz Müntefering und Dr. Besenstiel.

Steinmeier bedankt sich bei den „Kollegen“ für deren „zahlreiches“ Erscheinen (Ironie ist ihm nicht anzumerken), bedankt sich beim Koalitionspartner für „anstrengende, faire, in der Sache harte, im Ton sachliche und im Umgang miteinander von gegenseitiger Wertschätzung geprägten Koalitionsverhandlungen“, hofft auf ein gedeihliches Miteinander zum Wohle aller und freut sich „auf die gemeinsame Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben“. Dann stellt er sein Kabinett vor.

Ein auf den ersten Blick vertraut wirkendes Kabinett, eines, das eher für Kontinuität als für Aufbruch und Neuanfang zu stehen scheint. Und doch sind ein, zwei Neuerungen dabei, die eines näheren Hinsehens wohl wert sind:

 
Bundeskanzler: Frank-Walter Steinmeier, SPD (sic)   Da ist zunächst einmal der Wechsel an der Spitze: Darauf haben wir gewartet. All die Jahre zähneknirschender Fäuste in geballten Taschen und einletztesmal undwennichs nichtwiedertue widerbessereswissen gewählterkleinererübel waren hart, aber nicht umsonst – all die Jahre hatten wir ein Ziel vor Augen! Und wenn nicht vor Augen, so doch zuhause irgendwo, unter Matratzen, im Strumpf, im Zigarrenkistchen – es ist gar nicht mal ausgemacht, daß wir’s nicht fänden, wenn wir ernsthaft danach suchten.

Und unser Ziel war nicht gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen, garantiert durch die Grundrechte und orientiert an der Idee der solidarischen Bürgerschaft, nicht ein Leben in Freiheit, ohne Ausbeutung, frei von Gewalt und Unterdrückung für alle Bürger, nicht Verwirklichung einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft – unser Ziel war immer: Frank-Walter Steinmeier muß Kanzler werden.

Denn nichts kommt von selbst und jede Zeit verlangt ihre eigenen Antworten.

 
Stellvertreterin: Angela Merkel, CDU   Dann ist da Angela Merkels Verzicht zugunsten des Besseren – Hut ab! Lieber in Rom die zweite, als in irgendeinem Kuhdorf die erste sein zu wollen, das hat grandeur, das hat noblesse. Das würde nicht jede getan haben. Sie und ich, und man hätte uns das Außenministerium angetragen, wir würden gesagt haben: Ibah, die Brille ist ja noch warm! Schönen Dank, aber da möchte ich nicht sitzen.
 
Auswärtiges: Angela Merkel, CDU   Nicht so Angela Merkel. In christlicher Demut beide Backen herzhaft hinhaltend, nimmt sie Platz auf dem angewärmten Thron des weiland Außenministers FWS.
 

Inneres: Wolfgang Schäuble, CDU
  Ein Mann der Freiheit, ein Mann der Bürgerrechte. Ein citoyen. Weiß als protestantischer Theologe, daß die Freiheit sich nicht nur in der Freiheit von Gängelung und Bevormundung realisiert, sondern vor allem auch in der Freiheit unter Gängelung und Bevormundung entsteht, in der Bereitschaft, sich dem Polizeigesetz innerlich zu öffnen und das BKA aus freien Stücken als Herrn und Erlöser anzunehmen.
 
Justiz: Brigitte Zypries, SPD   Ihm zur Seite hat Steinmeier als Justizministerin Brigitte Zypries gestellt, die beiden sind ein bewährtes Tandem, Schäuble trampelt und Zypries bremst; so kann nichts passieren, und im Idealfall bleibt alles, wie es ist. Eine kleine Allegorie der Regierunsmannschaft selbst?
 
Finanzen: Peer Steinbrück, SPD   Spaß beiseite, denn nun geht es ums Geld: Peer Steinbrück heißt der Mann, der in den nächsten vier Jahren drauf sitzen soll. Das kann er, denn er sitzt dort schon seit vier Jahren, ist daran gewöhnt und weiß, wo es ist. Außerdem kennt er alle Steueroasen mit Namen, von Ouagadougou bis zur WestLB, sortiert gerne Münzen in Münzbretter und kann bullshit auf english sagen. Ideal.
 
Wirtschaft und Technologie: Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU   Freund des dritten Standes und von diesem geliebt. zu Guttenberg gab dem Volk die Illusion zurück, nicht alle Blaublütigen urinierten an Pavillone, schlügen Diskothekenbesitzer zusammen, peitschen das Gesinde und schwängerten Mägde. Man verzieh ihm darob die Mitgliedschaft in der Jungen Union, und freut sich, wenn man in sein frisches Gesicht schaut, von einem so hübschen Bengel in Insolvenz, Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Altersarmut getrieben zu werden. Unschätzbarer Mann für die Aufgaben der kommenden vier Jahre.
 
Arbeit und Soziales: Olaf Scholz, SPD   Der Mann, das zu fordern, was zu Guttenberg hintertreibt und Steinbrück sabotiert. Am nächsten Tag hat man vergessen, was er gefordert hat, außer, daß es was Gutes war. Mancher hätte hier lieber die kleine Hufeisennase gesehen, die aber das Amt von Kulturstaatsminister Neumann übernehmen soll.
 
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ilse Aigner, CSU   Verbraucherschutz wird es auch in den nächsten vier Jahren nicht geben, sondern mit der Ministerin Aigner der Doppelquote (Frau / CSU) geopfert. Sorry, Folks, auch ein Steinmeier kann keine Wunder wirken. „Bringt der SPD die absolute Mehrheit! Dann, Genossen, können wir manches anders sehen“ (H. Wehner).
 
Krieg: Ursula von der Leyen, CDU   Das bedarf ein wenig der Kommentierung. Die Umbenennung des Verteidigungsministeriums in Kriegsministerium war überfällig, aber nicht unumstritten. Insbesondere Verteidigungsminister Jung stand für diesen Eingriff nicht zur Verfügung. Es gebe, so argumentierte Jung, das Wort       nicht, nicht im Duden, nicht im Brockhaus, nicht bei den Grimms. Daher könne man auch kein Ministerium      ministerium nennen.

Für Kompromißvorschläge wie „Verteidigung der Freiheit am Hindukuschministerium“, „Ministerium für besondere ‚Aufgaben'“, „Humanitärer Einsatzministerium“ oder „Afghanistanministerium“ wiederum steht ein so aufrechter Kerl wie Frank-Walter Steinmeier nicht zur Verfügung. So kam es zur Umbenennung und kleinen Rochade.

Ursula von der Leyen kennt als Mutter von sieben Kindern hingegen keine Scheu, sich die Hände schmutzig zu machen, „wenn Krieg ist, ist Krieg. Der geht auch wieder vorbei. Da holt man das Heftpflaster herbei, flickt die Verwundeten so gut es geht zusammen und schickt sie wieder nach draußen.“ Auch bringt sie frische Ideen für den Afghanistankrieg mit: die Unterkünfte deutscher Soldaten sollen mit Stoppschildern, auf denen die Angreifer vor Angriffen gewarnt werden, vor Angriffen durch die Angreifer geschützt werden.

 
Familien, Senioren, Frauen und Tugend: Ulla Schmidt, SPD   Ulla Schmidt, der Pechvogel aus Alicante, darf weiter mittun, soll aber ein bißchen aus der Schußlinie genommen werden. Sie wird das Ministerium für Gedöns übernehmen. Die Umbenennung ist ein freundschaftlicher Rippenstoß für die neue Ressortchefin, mit einem kleinen erhobenen Zeigefinger, es nicht wieder so dolle zu treiben, hinten dran.
 
Gesundheit: Franz-Josef Jung, CDU   Franz Josef-Jung wird das Gesundheitsministerium übernehmen, und auch er plant, dem Ressort seinen Stempel aufzudrücken: Wallfahrten nach Lourdes sollen künftig auf Antrag von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschußt werden können, auch wird eine Liste von Wörtern erstellt werden, Wörtern wie    ,        ,       , die Jung im Zusammenhang mit Patienten und deren finalem Kostendämpfungsbeitrag nicht hören möchte. Stattdessen soll von ‚Übergang in das jenseitige Gesundheitssystem‘ gesprochen werden.
 
Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung: Wolfgang Tiefensee, SPD   Wolfgang Tiefensee war der einzige Posten im Kabinett, der von Anfang an gesetzt war. Seine ist eine einzigartige Erfolgsstory, als unumstrittenster Minister, den es in einem deutschen Kabinett je gab, ist er gleichermaßen beliebt bei Kabinettskollegen, Verkehrspolitikern in Bund und Ländern, Opposition, Verbänden, Gewerkschaften und Unternehmen, sowie jedermann.
 
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sigmar Gabriel, SPD   Wer sonst. Einer der Aktivposten im Kabinett, pure Energie. Ersetzt zwei konventionelle Kraftwerke. Er und Vattenfall sind die Garanten dafür, daß es in Deutschland mit der Kernkraft zuende geht. Der Jockel, den der Herr ausgesandt hat, den Hafer zu schneiden. Zukunft, wem ist da noch bange vor dir!
 
Bildung und Forschung: Annette Schavan, CDU   Doppelquote (Frauen / Frauen, die nicht Andrea Nahles heißen).
 
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Heidemarie Wiezcorek-Zeul, SPD   Tripelquote (Frau / Linker Flügel / Jusos). Ältestes lebendes SPD-Mitglied. Hat Willy Brandt noch persönlich gekannt. Hat Rudi Dutschke noch persönlich gekannt (rote Heidi)! Hat Friedrich Ebert und wahrscheinlich August Bebel auch noch persönlich gekannt. Dienstälteste amtierende Ministerin. War schon Ministerin, als Frank-Walter Steinmeier noch Staatssekretär war und kurze Hosen trug.
 
Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts: Dr. Beesenstil, SPD (angefragt)   Auch diese Personalie mag der Erläuterung bedürfen: Wie John McCain Sarah Palin zauberte hier FWS diesen Dr. rer. pol. Besen-Stiel aus dem Hut, und entfachte so, zum Ende der Vorstellung seines Teams, deren große Überraschung bis dahin in ihrer weitgehenden Überraschungsfreiheit gelegen hatte, noch ein kleines Strohfeuer echter Überraschung. Sogar die totgeglaubten „Kollegen“ wachten auf, jedenfalls der Kollege vom Käsdorfer Metropolitan (KM), der neben mir saß, als ich ihn in die Rippen boxte.
 

„Keine Ahnung,“ sagte er, nach einem flüchtigen Blick auf Beesen-Stil, und schlief wieder ein, noch ehe Franz Müntefering die Vorstellung des neuen (noch-nicht-)Parteimitgliedes übernahm.

Dr. rer. pol. Beesenstil ist ein bis dato unerhörter und so noch nicht dagewesener Karrierearsch, wie man ihn nicht für möglich halten würde, liefe einem dieser Typ nicht in jedem besseren Unternehmen, jedem Fernsehrat, jeder Zeitungsredaktion, jedem Proseminar und jeder Transnet-Gewerkschaft über die Füße. Er sei sich nicht sicher, ob er direkt zu Gazprom gehen oder den Umweg über die SPD nehmen werde, sagte Beseen-Stil, der nach Müntefering das Wort ergriff, das sei ihm aber auch Powidl, da es ihm nicht um Inhalte gehe, sondern darum, möglichst weit vorne möglichst viel Krakeel zu machen und die größtmögliche Zahl von Mitmenschen mehr als nach den Umständen unvermeidbar zu behindern oder jedenfalls zu belästigen. Das schließe die Leitung des Bundeskanzleramtes mit dem Ziel, es in einer, längstens zwei Legislaturperioden an die Börse zu bringen, aber auf jeden Fall ein. Für dieses Ziel werde er natürlich auch SPD-Mitglied, logisch. Allerdings bitte er darum, daß man seinen Namen korrekt buchstabiere, der schreibe sich nämlich mit ‚h‘: Sonofabitch.

Danach sprach noch einmal Müntefering: Wenn es der SPD gelingen sollte, einen high potential wie Besen-Stihl zu einem der ihren zu machen, und ihm ein so wichtiges Machtzentrum wie das Bundeskanzleramt zum Spielen zu geben, dann sei das genau das, was die gebeutelte Partei in schweren Zeiten brauche. Das brauche niemandem Angst zu machen, und niemand brauche zu befürchten, daß die Sozialdemokratie damit ihre Seele verkaufe. Es gebe aber auch keinen Grund für Snobismus gegenüber Außenseitern.

„Wir Sozialdemokraten sind bekannt dafür, daß wir alles wählen, was der Hund in einer Stallecke findet, vorausgesetzt, es hat lange genug da gelegen und den Geruch angenommen. Wie zum Beispiel Frank-Walter hier. Aber nicht nur Frank-Walter.“

„Das ist es, was wir Sozialdemokraten unter Inhalt verstehen. So gesehen wird auch Dr. Behsen-Stil hervorragend zu uns passen.“

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