Auch die Reederei Scandlines, die die Fähren zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødbyhavn betreibt, will den Tunnel verhindern. Das Scandlines-Management hält ihn für wirtschaftlich sinnlos, fürchtet aber letztlich um sein eigenes Geschäft am Fehmarnbelt.
Um ihr Geschäft, muß es heißen, denn es ist das Geschäft der Reederei, am Fehmarnbelt Geschäfte zu machen, das Geschäft des Managements ist es, sich Sorgen um die Geschäfte der Reederei zu machen, das Geschäft der Zeitung ist es, darüber zu berichten und unser Geschäft ist es, mit dem Finger auf die Zeitung zu zeigen und dann zu sagen: Egal, ist ja bloß Zeitung.
Egal. Ist ja bloß die WELT.
Auch wir halten die Untertunnelung des Fehmarnbelts für einen Riesenblödsinn, und wenn uns das Scandlines-Management für unsere Überfahrten nach Lolland in Zukunft 5% Solidaritätsrabatt gewährt, sind wir auch gerne bereit, sie außerdem für wirtschaftlich sinnlos zu halten. Was sie ja vermutlich auch ist.
Weswegen man sie unbedingt angehen sollte. Ist doch egal, ist doch bloß Geld. Soll man etwa am Mammon kleben?
Soll man nicht. – Bitte, die Voraussetzungen könnten besser nicht sein: Schon verschiebt sich der „ursprünglich“ geplante Fertigstellungstermin des Tunnels von „ursprünglich“ 2021 über 2024 auf aktuell noch später, um später dann auf noch viel später verschoben zu werden, und die Schätzungen der Fertigstellung der Anbindung auf deutscher Seite – Aus-/Neubau der Bahnverbindung und Neubau der Fehmarnsundbrücke – befinden sich noch im Stadium der Ursprünglichkeit. Das heißt, sie haben sich noch nicht einmal verpuppt. Im Moment verpuppt sich erst gerade einmal der Termin für den Planfeststellungsbeschluß. „Ursprünglich“ war der mal für 2016 vorgesehen.
Aber egal. – „Ursprünglich“ ist ein Begriff aus der Baubetriebslehre (BBL), der Baubetriebswirtschaft (BBW) und der Baubetriebswirtschaftslehre (BBWL). Er wird auch gerne in der Bauplanung (BPL) eingesetzt. Bedeuten tut er: Nichts. Der „ursprünglich“ geplante Fertigstellungstermin eines Bauwerks hat mit dem tatsächlichen Fertigstellungstermin soviel zu tun, wie das Ei mit dem Vollinsekt, wie der Engerling mit dem ausgewachsenen Schuster, den man den Hühnern vorwirft. Wenn sie Glück haben, leben beide im selben Jahrhundert.
Egal. – Ähnlich ist es mit den Kosten. Noch nie ist ein Bauwerk zu den „ursprünglich“ geplanten Kosten fertiggestellt worden. Bauwerke werden immer nur zu den tatsächlichen Kosten fertiggestellt, wenn sie fertiggestellt werden. Das kann auch gar nicht anders sein, denn in dem Moment der Fertigstellung werden aus den geplanten Kosten automatisch die tatsächlichen Kosten. So wie beim Engerling: kommt der aus der Erde gekrabbelt, ist er bereits Maikäfer. Von denen gilt: Sie haben nur insofern mit den geplanten zu tun, als sie höher sein sollten. Also, von den Kosten gilt das, von den Käfern gilt das natürlich nicht. Die Käfer waren nur ein Beispiel. Höher = Komparativ. Bei den Vergleichsformen braucht man immer einen Maßstab: „Höher als was?“ So, wie man einen Geologenhammer mit ins Bild legt, damit man eine Idee davon hat, wie mächtig die photografierte Bodenschicht ist, so gibt man bei den tatsächlichen Kosten die „ursprünglich“ geplanten Kosten mit an. Sie sollten nicht zu hoch veranschlagt werden, damit sie nicht aus Versehen höher sind als die tatsächlichen; ansonsten aber kann man sie nach Gutdünken ansetzen. So wie es dem Geologen ja auch freisteht, nach Gutdünken etwa eine Streichholschachtel oder einen Maikäfer mit ins Bild zu legen, oder sonst etwas in angemessener Größe. Seinen Pürckhauer oder seinen alten Käfer oder wird er schon ganz von selbst nicht nehmen.
Wie auch immer. – Vor den Planfeststellungsbeschluß aber haben die Götter das Planfeststellungsverfahren gesetzt. Der Schleswig-Holsteinische Verkehrsminister hat erst kürzlich seinem dänischen Kollegen, dem dänischen Verkehrsminister, versichert, daß es Klagen gegen das Vorhaben geben werde. Die Wahrscheinlichkeit solcher Klagen liege bei 100%. Eine Wahrscheinlichkeit von 100% nennt man auch: Sicherheit. Da war der dänische Kollege sicher beruhigt. Trotzdem ist das ein bißchen unscharf: Die Wahrscheinlichkeit von was denn? Von einer Klage oder mehreren Klagen?
Die Wahrscheinlichkeit, daß unbegrenzt viele Klagen gegen das Projekt eingereicht werden, dürfte nämlich gering sein. sagen wir mal: Null Prozent. Es werden begrenzt viele Klagen sein. Tropfen am Eimer zum Beispiel wird keine Klage gegen die Versenkung sovieler schöner dänischer Kronen erheben. I wo werden wir denn? Zwar begrüßen wir jede Klage gegen das Projekt, dieweil sie hoffentlich zu Verzögerungen führen wird, aber wir wollen das Projekt ja auch nicht verhindern. Ohne Projekt keine Klagen, ohne Klagen keine weitere Verzögerung. Ohne Verzögerung keine Versenkung weiterer Kronen. Immer runter damit!
Und immer runter mit den Tunnelelementen! Drunten nämlich schläft bis zur Stunde ein Ungeheuer tief auf dem Grunde. Jedenfalls wollen wir das hoffen. Die Schwanzflosse spielt bei Puttgardens Sand, das Haupt ruht dicht bei Rødbyhavn Strand. Ob es erfreut sein wird, wenn man ihm betonene Tunnelelemente auf den Hals schmeißt? Hoffentlich nicht. In Rødbyhavns Gewerbegebiet soll das Betonwerk stehen, in welchem ein gutes Stück Lolland zu Beton verarbeitet und dann in den Sund geworfen werden soll. Jedoch: sollte man wirklich Lolland dafür nehmen? Könnte nicht Deutschland sein Teil dazu beitragen? Wir würden die infrage kommenden Gebäudlichkeiten schon benennen. Man könnte sie schreddern, so wie sie neulich in Käsdorf ein Stück stillgelegtes Gewerbegebiet geschreddert und zu Betonzuschlagsstoff gemacht haben, in abgestufter Korngröße. Man könnte diesen mit dem Güterzug nach Puttgarden bringen und mit Scandlines nach Rødbyhavn. Dann hätte das Management wenigstens Grund, von wirtschaftlicher Sinnlosigkeit zu reden.
Würde sich das dann aber wohl verkneifen, möchten wir meinen. So macht man das. Wenn man den Gegner nicht schlagen kann, muß man ihn einbinden. Ihm was Sinnvolles zu tun geben. Wer wird da so beckmesserisch nachfragen, ob das denn wirtschaftlich sinnvoll sei? – Nicht das Scandlines-Management.
Und wir auch nicht. Wichtig ist doch, daß der zusätzliche Bahnverkehr durch die ostholsteinischen Feriengebiete die Leute auf die Kübelpalmen treiben wird. Es wird zu Klagen kommen. Zu Verzögerungen. Jaa. – Die Fehmarnsundbrücke wird man auch nicht abreißen können, solange die Züge rollen. Eine Win-Win-Win-Situation. Von 2024 war die Rede für die Bahntrasse und von 2029 für die Brücke. „Ursprünglich“. Das wird nicht das letzte Wort bleiben. Das sieht auch der dänische Kronprinz Jochen so, der hoffentlich noch rechtzeitig darauf hingewiesen hat, daß, wenn – und falls – es 2024 olympische Spiele in Hamburg geben sollte, der Tunnel auf keinen Fall fertig sein sollte, weil der sonst von Dänen dazu benutzt würde, nach Hamburg zu kommen. Niemand kann das wollen. Selbst wir, die wir niemals nach Hamburg kommen, und, wenn dort olympische Spiele wären, schon gleich doppelt nicht kommen würden, selbst wir würden das nicht wollen.
Aber egal. – Wenn im Jahr 2069 Jochens Enkel den frisch fertig gestellten Tunnel eingeweiht haben werden, werden die Dänen sowieso als erstes die Zugänge in Nord und Süd mit Stacheldraht verstopfen, um zu verhindern, das Flüchtlinge ins Land kommen.