Brand Bashing #27: #muellermilch

#ichtrinkdasnicht

Ein Etikettenschwindel wird gemeldet, ein dreister, der wohl dreisteste Etikettenschwindel seit den Kindergartentagen des Privatfernsehns, als in einer Sendung mit dem Tittel – pardon: Titel – ‚Tutti Frutti‘ nicht, wie jedermann angenommen hatte, Haribo Fruchtgummibonbons gezeigt wurden, sondern Damensleute, die ihre Klamotten auf den Fußboden warfen, was man nicht tut, wie mein Mütterlein mir beigebracht hat. Wenn ich beim Ausziehen meine Klamotten auf den Boden warf, Junge, dann hatte ich die Konsequenzen aber zu tragen! Was für Konsequenzen? Nun, ich mußte die Klamotten wieder aufheben und ordentlich auf den Stuhl neben meinem Bett legen. Auch eine etwas anämische magere blonde Dame mit Achtzigerjahrefußballerfrisur in der einzigen Sendung, die ich je gesehen habe, wenn ich mich recht erinnere, was ich aber nicht tue, denn wer sich der achtziger Jahre erinnert, sagt man, war nicht dabei; ich war aber dabei – wenn ich mich recht erinnere, stand diese Dame zum Schluß etwas betreten im Schlüpfer im Privatfernsehen herum und mußte die Konsequenzen tragen. Nämlich die Klamotten wieder aufsammeln und mit denselben auf dem Arm eiligen Trippelschritts und mit dem Gesicht jemandes, der sich wünscht, er hätte es sich besser überlegt, was er da tut, und zwar am besten bevor er es tat, in der Kulisse verschwinden, während der Straßenjunge oder Strolch oder Strauchdieb, oder Strizzi, der die Sendung moderierte, ihr übel hinterherredete –

– wie gesagt, Etikettenschwindel. Mogelpackung. Was ich sagen will: Es waren definitiv keine Haribo Fruchtgummibonbons.

Aber meiner Meinung nach war das Privatfernsehen als solches, eo ipso und für sich genommen bereits eine Mogelpackung. Was hatte da nicht alles drin sein sollen! Panem! Circenses! Gladiatorenkämpfe! Christenfressende Löwen! Give the people what they want! – Wenn aber das, was das Volk da kriegte, das war, was das Volk wollte, dann wäre das, was ich wollte: zusehen, wie mit dem Volk Schinkenklatschen gespielt würde. Das Volk, es kriegte die Augen verbunden und jeder, dem danach wäre, gäbe ihm eins aufs Hinterteil. Feste! Und dann müßte es raten, wer es gewesen wäre.

Nicht nur das Volk, übrigens, sofern es den Namen zurecht trägt. Sondern auch das Schwindelvolk: Jenes Untertanicht, das von sich selbst überzeugt zu sein glaubt, Volk zu sein, mit gleicher Atemluft aber den Zaren Putin nach Berlin zu zetern sucht – jawollja. Feste, gib ihm!

Aber nicht einmal das gibt es im Schwindelfernsehn.

Nun aber hat eine Schwindelfirma aus Aretsried im Fischachschen den Schwindel noch getoppt: Die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG bringt Plastikmüll auf den Markt, der mit nachlässig gekleideten Frauenspersonen und / oder Süßigkeiten bedruckt ist, so daß jeder glauben muß, in den Flaschen wären nachlässig gekleidete Frauenspersonen und / oder Schokolade. Tatsächlich ist aber in den Flaschen nichts anderes als eine ekle Plempe, die jedermann, der dem Kindergartenalter entwuchs, für den Rest seines Lebens meidet: Milch. Schlimmer noch: Müller Milch.

Man hat die Molkerei, die Teil eines internationalen Schwindelunternehmens mit Sitz in Luxemburg ist – na bitte! Ich meine, was soll aus Luxemburg denn anderes kommen als Schwindel? Wer sich in Luxemburg niederläßt, weiß, was er will: Steuern hinterziehen will er, und er kriegt, was er will – Luxemburg: Was ist Luxemburg schließlich anderes als ein Schwindel, eine Mogelnation? Eine als Zwergstaat getarnte Briefkastenfirma? – man hat also diese Molkerei wegen Sexismus und Rassismus attackiert, etwas ungeschickt, in meinen Augen, denn das erlaubte der Firma, sofort zurückzukeilen und zu sagen, es gebe Schlimmeres. Es gebe schlimmeren Sexismus als den ihren, sagt sie, zum Beispiel den Pirelli-Kalender, wobei sie aber unterschlägt, daß es sich auch beim Pirelli-Kalender um eine üble Mogelpackung handelt, die behauptet, unangezogene Frauen zu enthalten, die sich ausgerechnet an den kahlen Wänden zugiger, öliger, nach Werkzeug riechender Hinterhofschraubereien wohlfühlen – tatsächlich aber ist innen drinne nichts anderes als Zeit: öde, langweilige Tage. 365 Stück, manchmal 366, aber immer bloß Zeit, die es übrigens umsonst gibt. Niemand würde sie kaufen, weswegen Pirelli ja auch Frauen draufdruckt, denn für Frauen – das weiß Pirelli, das weiß die Alois Müller GmbH & Co. KG – sind die Leute bereit, Geld zu bezahlen.

Ich sag’s ja: Mogelpackung. Aber so übel die Mogelei im Fall des Pirelli-Kalenders auch sein mag, so öde und langweilig einzelne Tage das Kalenders auch sein mögen – und es waren üble Tage dabei: wer erinnerte sich nicht mit Grauen des Tages, an dem er zum erstenmal Reklame für Müller Milch in die Ohren gestopft kriegte, und sie mit Q-Tipps, verbogenen Büroklammern, Kugelschreiberminen u.ä. zu entfernen versuchte, sie dabei aber immer noch weiter Richtung Trommelfell trieb – ich für mein Teil nehme Pirelli diesen Tag und das beidseitige chronische Gehörgangsekzem noch heute übel, weswegen ich mich beim Kauf von Winterreifen immer versichere, daß es auch keine Pirelli-Reifen sind, die man mir da auf die Felgen zieht -, eins jedoch muß man dem Pirelli-Kalender immerhin zugute halten: Es ist keine Müller Milch drin.

Und wer mir jetzt entgegen halten wollte, daß es sich bei der Plörre in den Plastikpullen auch nicht um Milch handelte, sondern um Milkshakes, also geschüttelte, gezuckerte, aromatisierte oder sonstwie verdorbene Milch, der lasse sich seinerseits folgendes entgegnen:

A) Milkshake ist sowieso schon Mogelei, denn Milkshake behaupt, Banane zu sein, ist aber Milch. Ich weiß das, seit ich als Jüngling, äußerlich dem Kindergarten entwachsen, innerlich aber noch lange nicht, Schwimmbekleidung tragend mit einem Schwimmbekleidung tragenden Mädel, das der Meinung war, Hallenbäder seien genau zu diesem Zweck erbaut und mein Taschengeld mir zu genau diesem Zweck ausgefolgt worden, hinter der Scheibe saß, durch die man auf die Schwimmenden hinabschauen konnte, und Bananenshake trank. Er schmeckte, der Shake, nach künstlichem Bananenaroma, war aber Milch. Ich schmeckte das, denn mein zum Manne reifender Organismus vertrug die Plempe schon nicht mehr. Seither assoziiere ich Mädchenkörper in zweiteiligen Schwimmanzügen mit dem faden, pelzigen Geschmack von Bananenshakes, den dünnen Schweißfäden, die, ihren Ausgang in den Achselhöhlen nehmend, rechts und links der Brust zu Tal rannen und sich weder von der überheizten Milchbar-Luft, der sie sich vielleicht überhaupt erst verdankten, noch den in der Panik drohender Entdeckung an den mageren Jungenkörper gepreßten Oberarmen stoppen ließen, sowie Mother’s Little Helper von den Rolling Stones. Wie die da reinkommen, ist mir völlig unklar. Vielleicht liefen sie damals in der Jukebox, aber wenn, dann war es nicht meine Schuld. Nach einer Mark sechzig Investition in den Versuch, das Mädchem dem Klassenkameraden gewogen zu stimmen, war ich der Mittel für die Jukebox bar. Ja, wenn es noch A Whiter Shade of Pale gewesen wäre, da kommt ja immerhin ein Müller drin vor, aber eine Jukebox, bei der ich schon einmal die Kombination für Mother’s Little Helper gedrückt hätte, muß die Erde bis heute entbehren. Trotzdem assoziiere ich sie – mach einer was!

Und B) habe ich nicht behauptet, in den Müllflaschen sei Milch, sondern Müller Milch. Wenn da kein Unterschied wäre, warum ritte der Hersteller dann so darauf herum, daß es sich bei seinem Gesöff um Müller Milch handelt, und nicht um etwas, was man bei der Molkerei um die Ecke in gleicher Garstigkeit bekommt? Eben drum? – Mag sein. Aber ich habe nicht vor, ihn damit durchkommen zu lassen.

Ist nicht recht eigentlich der Name Müller für einen Molkereibesitzer schon Etikettenschwindel? Molkereibesitzer können von mir aus Meier heißen, aber nicht Müller. Das ist Irreführung. Ein Müller soll Korn zu Mehl vermahlen, und dabei den Bauern übers Ohr hauen. Das Geschäftsmodell des Müllers sieht vor, das Korn, das der Bauer ihm bringt, zu mahlen, und sich bezahlt zu machen, indem er einen zu vereinbarenden Teil des Mehls und der Kleie für sich behält. Die Geschäftspraxis hingegen sieht es vor, das Mehl zu behalten und die Kleie zurückzugeben. Oder: Mehr Mehl zu behalten, als abgemacht. Oder: Gips unter das Mehl zu mischen. Die ganze Unehrlichkeit des Müllerhandwerks erhellt aus dem Volkslied „The Miller’s Will“, in welchem ein Müller, der nicht sterben kann, ehe er gewiß ist, daß seine Söhne das Geschäft fortführen, wie solch ein Geschäft nun mal geführt werden muß, seine Söhne ans Sterbebett ruft, und sie fragt, wieviel von dem Korn, daß der Bauer ihnen bringt, sie für sich behalten würden. Der erste Sohn, Bill („Gill“), erklärt, aus jedem Bushel ein Gill für sich zu behalten, was in etwa drei Promille entspricht. Folgerichtig erklärt der Vater seinen Erstgeborenen für komplett Banane. Das ist ja oft so, bei Erstgeborenen; als Zweitgeborener kenne ich mich da aus. Der zweite Bruder – Ralph („Half“) – erklärt, immerhin die Hälfte für sich behalten zu wollen – was ich für den lebenspraktischen Entwurf und einen fairen Kompromiß zwischen den Interessen des Bauern und den Interessen des Müllers halte, aber natürlich setzt sich der jüngste Sohn Paul („All“) und damit der Extremismus durch, und der Müller klappt begeistert die Zehennägel nach oben und stirbt in Frieden. Das ist zwar keine nachhaltige Geschäftspolitik, die Sohn Paul da propagiert, aber es zeigt sehr schön, wes Geistes Kind dieser Müller ist, oder vielmehr diese Müller sind. Ich habe auch dazu Kenntnisse aus erster Hand, entstamme ich doch in direkter Linie einer Müllersfamilie. Allerdings hatte der letzte Vorfahr dieser Sorte den Anstand, die Mühle zu versaufen, so daß die Familie mählich wieder ehrlich werden konnte. Des Säufers Söhne waren noch voller Scham nach Amerika ausgewandert und hatten dort die Volksliedkultur mit Schmähgesängen über das Müllerhandwerk bereichert.

Das aber läßt die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG nicht gelten: Es gebe Schlimmeres. Schlimmeres als Müller, Schneider zum Beispiel, die mit falscher Elle Maß nähmen, mit heißer Nadel nähten und die Goldstücke, die der Kunde brachte, in die Privatschatulle legten und statt dessen Messingknöpfe ans Wams nähten, weswegen sie dann zur Strafe auf einem Ziegenbock reiten müßten. Müller würden bekanntlich immerhin auf Eseln reiten. – Zugegeben, diese Welt ist auf dem Prinzip errichtet, daß es immer noch was Schlimmeres gibt, als das, was es gibt, aber das heißt ja nicht, daß das, was es gibt, nicht schlimm genug wäre. Ich habe mich immer gewundert, daß während der Mediendebatte im Vorfeld der Bundestagsabstimmung darüber, ob man siechen Menschen ein Sterben in Würde erlauben soll, oder ob es gute Ausreden gibt, es ihnen vorzuenthalten, niemals das Argument der Milchsuppe aufkam, beziehungsweise das hat mich natürlich überhaupt nicht gewundert. Eine Gesellschaft, die seit den Römischen Verträgen ihre nicht geringe politische Macht auf Agrarsubventionen, Milchseen und Butterbergen errichtet hat, die seit jeher die Absatzstabilisierung bei Molkereiprodukten über die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder stellt (Schulmilchprogramm) und mit sexistischen Werbeslogans („Milch macht müde Männer munter“) sogar die natürliche Abscheu des Mannes vor dem elenden Geplörre zu brechen sucht, die wird natürlich in Zeiten ausbleibender Nachfrage auf den südostasiatischen Märkten nicht auf die Möglichkeit verzichten, die Überproduktion wenigstens zum Teil in den Mägen wehrloser Alter zu verklappen. Natülich gibt es ein Schicksal schlimmer als der unvermeidliche Tod, und das ist, vor dem Tod noch mit Milchsuppe gedemütigt worden zu sein. Schlimmer noch: mit Müller Milch Suppe.

Und, ja, vielleicht gibt es ja sogar noch viel, viel Schlimmeres. Die Plastikflaschen zum Beispiel, in denen die Molkerei ihren Schlabberjucks vertreibt. Oder die Twitteraner, die sich über diese Pullen nicht wieder einkriegen wollen.

Aber das heißt ja nicht, daß es nicht schlimm genug wäre.

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