
Der Präsident der Republik Erdoğan, Recep Tayyip Erdoğan, hat sich ein wenig besänftigt gezeigt – obschon immer noch ungehalten -, als ihm zugetragen wurde, daß die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Merkel erwägt und eventuell vorhat, den Einsatz der bewaffneten Streitkräfte im Innern Merkels künftig zu erleichtern. Zwar leuchtet ihm, wie aus seiner Umgebung berichtet wird, nicht ein, wieso man bloß „erwägt“ und „eventuell“ „vorhat“ was man stattdessen auch einfach machen könnte, seine Entourage hat denn auch alle Hände voll zu tun, ihm zu erläutern, daß in Volksrepubliken der Gottkönig nicht einfach so tun kann, was er will, sondern zuvor immer das Einverständnis des Volkes einholen muß. Beziehungsweise im Bedarfsfall auch ohne das Einverständnis des Volkes handeln muß – was soll er schließlich machen, sich zum Affen? -, aber zuvor halt die Meinung des Volkes eingeholt habend. Und das Volk gegebenenfalls bescheidend, daß es alternativlos sei.
Beziehungsweise er. Oder sie. Auch Merkel müsse das. Man müsse daher ein wenig Geduld aufbringen, ehe Merkel die bewaffneten Streitkräfte gegen das ZDF und den unverschämten Mann Böhmermann einsetzen könne.
Beim Wort „Geduld“ soll Präsident Erdoğan laut geknurrt haben, weshalb die Entourage sich beeilte, mehrfach laut und durcheinander immer wieder „Immerhin!“, „Immerhin!“ zu sagen, und zu versuchen, sich des Knotenstocks zu bemächtigen, mit dem Erdoğan die Entourage durchzuhauen pflegt, wenn er meint, daß es sein müsse, oder wenn ihm besonders staatsmännisch ist. Das Wort „Geduld“ gibt es im Erdoğanschen nicht mehr, seit Erdoğan es verboten hat, ebensowenig das Wort „Verfassung“, und alle Versuche, dem Präsidenten nahezubringen, daß es in der Demokratischen Republik Merkel ein Grundgesetz gebe, dem nicht nur die Untertanen, sondern sogar Merkel zu opfern hätten, alle diese Versuche endeten bislang im Knotenstock. Das sei doch nichts anderes als eine Verfassung, hatte Erdoğan dann getobt, den Knotenstock genommen, „Verfassung!“ gebrüllt, „Verfassung!“, „Verfassung!“, „Verfassung!“ (Erdoğan selbst darf „Verfassung“ sagen, brüllt es aber meist), mehrere Untertanenrückgrate ihrer Bestimmung zugeführt, dieselben mit Fußtritten aus dem Palais Erdoğan gejagt, ihnen „Ich geb Euch Verfassung!“ hinterhergebrüllt und ihnen die Reste des Knotenstocks nachgeworfen.
Die schlechte Laune, die das Wort „Verfassung“ bei Präsident Erdoğan auslöst, kommt nicht von ungefähr, sondern von der Bedeutung des Wortes „Verfassung“: Das Wort legt nahe, daß es sich bei der dadurch bezeichneten Sache um eine Verfassung handelt, also die Begrenzung der Macht des Gottkönigs über seine Untertanen und den Schutz derselben vor diesem. Wer aber kümmert sich um den Schutz des Gottkönigs vor vorlauten Untertanen? – Eben, eben!
Das ist das eine, das andere, nicht mindere, ist der Anschluß der Juncker-Union unter ihrem Gottkommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker an die Republik Erdoğan: die Union verlang allen Ernstes, daß die 28 Unionsmitglieder die sog. Kopenhagener oder Wienerbröd-Kriterien erfüllen, bevor sie sich als Beitrittskandidaten aufführen dürfen. 28 Verfassungen, die von 28 unverschämten Untertanereien mißbraucht werden, um ihre rechtmäßigen Herrscher mit ihrer Schutzbedürftigkeit zu terrorisieren, das sind noch mindestens 28 zerschlagene Knotenstöcke. Natürlich ist es möglich, die Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten, indem man die unabhängigen Verfassungsgerichte davor bewahrt, Dummheiten zu begehen, die, einmal begangen, auf lange Sicht die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichte nur gefährden können. Erdoğan hat es ja vorgemacht, daß es geht. Er hat den Verfassungsrichtern die Instrumente zeigen lassen, hat leichtsinnige Polizisten durch grünberockte Kasperlepuppen ersetzt und unverschämte Staatsanwälte nach England verkauft. Es geht also, aber es dauert natürlich, bei 28 „Verfassungen!“, und „Geduld!“ hat Erdoğan nicht. Vielleicht geht es schneller, wenn es nur noch 27 Unionisten sind, weil das Vereinigte Königreich Cameron die Brocken hinschmeißt und geht. Ist auch besser, wenn es geht, denn es hat nun die Staatsanwälte an der Backe, die nicht einsehen wollen, daß die Würde eines Herrschers unantastbar sein muß, daß sie zu achten und zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt sein muß, daß der Herrscher das schutzbedürftigste Wesen von allen ist. Darum heißt der Sonnenkönig Sonnenkönig, weil er der Verletzlichste unter der Sonne ist.
Schön. Über kurz oder lang wird es also den Einsatz von Truppen im Innern nicht mehr nur in der Republik Erdoğan sondern auch bei uns geben, „Immerhin!“ Immerhin, ja. Man wird Hochverrath und Landesverrath wieder mit th begehen können und im Gegenzug in Festungshaft genommen werden. Jedenfalls Herrschaften. Elemente kommen ins Zuchthaus. Es wird wieder Kaiserwetter geben. Nur Geduld.
„Geduld!!“