Wikipedia löscht SPD wg. Irrelevanz aus der Wikipedia

Zu den beliebtesten Sandkastenspielen in deutschen Sandkästen gehört das Sandburgenbauen, bei dem Sandburgenbauer mit viel Liebe und Kreativität ihr Können unter Beweis stellen und ihre Freizeit dem Sandburgengott opfern können.

Ein kleines Bißchen beliebter noch dürfte das Sandburgenzertrampeln sein, denn jedem Sandburgenbauer ist es nur recht, wenn man fremde Sandburgen zertrampelt, und wenn man seine Burg zertrampelt, ist es den anderen recht, so daß das Zertrampeln insgesamt die größere Menge Glück für die größere Zahl mit sich bringt.

Am allerbeliebtesten aber dürfte das an-den-Haaren-Ziehen und das mit-der-Schüppe-hauen sein, das sich zwanglos an das Zertrampeln anschließt, und für das erfahrungsgemäß auch Unbeteiligte gewonnen werden können, wie zum Beispiel Spiegel Online oder Der Tropfen am Eimer.

Leider ist es so, daß – obwohl wir nicht zum Kulturpessimismus neigen, diese Neigung haben wir an den VdK/VZ outgesourct – alles immer schlechter und gemeiner und billiger und häßlicher wird, und auch Manufactum ist nicht mehr das, was es mal war, schon lange nicht mehr, weswegen auch die Sandkastenprügeleien nicht mehr das Format von früher haben, als die Schäufelchen noch aus Blech und die Stiele aus Holz waren. Diese Phtalate in den Kunststoffschäufelchen heutiger Sandkästen führen nicht nur dazu, daß unser Nachwuchs schon früh Schaden an seiner Fortpflanzungsfähigkeit nimmt, sondern auch dazu, daß bei den Schlägereien kein Blut mehr fließt.

Weswegen wir die Sandkastenschlägereien weitgehend in die Wikipedia verlegt haben.

Dort tobt zur Zeit ein Kampf zwischen den Priapisten und den Kastratoren, welch letztere der Meinung sind, daß alles, was an den Seiten aus der Wikipedia rauswuchert, mit der Heckenschere abgesäbelt gehört, wohingegen erstere jedes noch so kleine Ständerchen gewürdigt haben und ihm den ihm gebührenden Platz am Korpus zuweisen wollen.

Nun hat es die Deutsche Sozialdemokratie erwischt, einst ein ausdauernder Steher im Rennen um die politische Macht, heute mehr und mehr mit Entmannung in Verbindung gebracht.

Ein gefundenes Fressen für die Kastratoren. Unter Berufung auf die 10 Gebote (#7: „Du sollst Wikipedia nicht als allgemeines Personen-, Vereins-, Organisationen- oder Firmenverzeichnis mißbrauchen“) hat ein User namens eniatnofal.rakso den Eintrag „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ wegen „erwiesener Irrelevanz“ gelöscht.

Nicht alle sind damit einverstanden. Genüßlich referiert Blogger Gero über den „affigen Enzyklopädieanspruch bei Leuten, die keinen Arsch in der Hose haben, aber mir was von Relevanz erzählen wollen. Wenn sie in der Wikipedia nichts stehen haben wollen, was nicht auch im Brockhaus stehen könnte, dann sollen sie doch verdammtnochmal sich Brockhaus taufen und einscannen lassen, und gut ist’s.“

„Wenn sie diesen Anspruch ernst nehmen würden, würde als allererstes mal der Wikipedia-Eintrag aus der Wikipedia fliegen.“

„Ich sag mal so: wenn sie im Internet nichts weiter haben wollten, als das, was es vorher auch schon als Videotext gab, warum gucken sie dann nicht Videotext?“

Weil das Zertrampeln von Sandburgen im Videotext nicht vorgesehen war, lieber Gero. Und das Rausreißen von Seiten aus dem Brockhaus ist eine einsame, traurige, rückenmarksschädigende Tätigkeit, die der emotionalen Begleitung durch den Nächsten entbehrt und die Egorelevanz nicht hinreichend bauchpinselt.

Wie relevant nicht nur die Löschung des Eintrags sondern vor allen Dingen die anschließende Cyberklopperei für die Egorelevanz der Beteiligten sei, erhellt ein simpler Vergleich der Zahlen: der Originaleintrag zur SPD enthielt 6200 bytes, die Seite mit der Diskussion der Löschung zwei Stunden nach der Löschung 1 knappes Terabyte.

Auch wenn die SPD heute nur noch ein Zipfelchen ihrer selbst sei, so daß Hauptargument der Gegner der Löschung, so sei sie doch viel zu stark vernetzt, sprich passiv verlinkt, als daß man sie abschalten dürfte; ein Argument, daß von den Befürwortern als „irrelevant“ beiseitegewischt wird.

Wo es in guter Gesellschaft wäre. Neben der SPD träfe das Argument in der Irrelevanz auch 99% aller Deutschen, die allesamt irrelevant sind, von den Ausländern, die für uns Deutsche schon überhaupt keine Relevanz haben, mal gar nicht zu reden. Er vermute, sagt Gero, daß von den Inhalten im Internet nicht nur 99,99%, sondern „mindestens das doppelte und dreifache“ ebenso irrelevant ist, „wie die SPD.“

„Wenn nicht irrelevanter.“

Daß die SPD überhaupt der Irrelevanz anheim fallen mußte, begründen die Kastratoren mit dem „Wildwuchs in der deutschen Parteienlandschaft: 2009 sind 27 Parteien zur Bundestagswahl angetreten, 2005 25, 2004 24. Erkennen Sie den Trend? Soll das immer so weitergehen? Da muß mal etwas gegen getan, da muß mal eine Bresche in die Schneise gehauen, da muß der Wildwuchs mal beschnitten werden.“

So spricht User mit Löschbefugnis relege.hciredor. Man habe die 5% irrelevantesten Parteien identifiziert, „Die Partei, irgendwelche Rentner, diese eine da mit den Handschuhen bis zum Ellenbogen, und die SPD“, und deren Seiten aus der Wikipedia gelöscht. Inhaltliche Kriterien habe man dabei nicht angewandt, sondern ausschließlich Schema F, es gehe schließlich nicht um Zensur. Außerdem blieben immer noch genug Parteien über, niemand sei also in seinen Rechten beschnitten.

Blogger pavel im Blog Aggregat7 bestätigt das Gesagte, kritisiert es aber zugleich:

In der deutschen Wikipedia ist nur das relevant, wovon nachgewiesen werden kann, dass es auch außerhalb des Internets irgendwie berühmt oder wichtig ist oder irgendwann einmal bedeutend war, alles andere muss damit rechnen, jederzeit gelöscht zu werden, unabhängig von der Qualität des Artikels, oder ob es Millionen Menschen außerhalb der Wikipedia für relevant halten.

Gero zitiert ihn zustimmend. Natürlich sei die SPD schon lange nicht mehr berühmt und wichtig, und daran, „daß sie irgendwann einmal bedeutend gewesen ist, daran kann sich kein Lebender erinnern.“

„Aber muß man sie deshalb zertrampeln? Wieviel Herzblut steckt nicht in einer solchen Partei. All diese kleinen Zinnen und Erkerchen und Pechluken und Scharten und Wehrgänge, diese niedlichen Zugbrückchen, diese Gräben und Wälle, die Ringmäuerchen, Schildmäuerchen und Mantelmäuerchen. Dieser mächtig erigierte Bergfried!“ (? – Vielleicht F. Steinmeier, Anm. d. Red.)

„Sie sollten mal unseren Jakob sehen, wenn der mit seinen Playmobilmänneken, im Sand spielt. Einen hat er, den nennt er Herbert, und der andere heißt Willy, und dann steckt er sich seine Lakritzpfeife in den Mundwinkel und spricht mit verstellter Stimme: Der Herr badet gern lau! – Sie schmeißen sich weg!“

„Sowas schmeißt man doch nicht weg!“

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