Transzendenz und Politik

Nachdem die Bischöfin Käßmann, die allerdings sebst schuld ist, denn wie kommt sie dazu, zu Weihnachten in einer Kirche eine Predigt zu halten? Als Bischöfin! Hat man je so etwas gehört?! Nachdem also Frau Käßmann von der Presse, mit der die Predigt nicht abgestimmt war, die verdienten Prügel bekommen hat, kriegt jetzt Gott sein Fett. Und zwar für das unbedacht dahererlassene fünfte Gebot Du sollst nicht töten.

Den Anfang machte der Vorsitzende der Heinrich Böll nahestehenden Ralf Fücks Stiftung, Ralf Fücks, mit dem die 10 Gebote nicht abgestimmt worden sind. In einem offenen Brief an Gott geht es zur Sache: „Als Mitglied der evangelischen Kirche, das ich immer noch bin“ – da wird Gott mit der unscheinbaren adverbialen Bestimmung „immer noch“ klargemacht, daß man auch anders kann. Nachdem das klar ist, wirft Fücks, der ohne Sünde ist, den ersten Stein:

„Zwar fällt die Frage, wieviele tote Afghanen und tote Isaf-Soldaten notwendig sind, um die Taliban in Schach zu halten und den zivilen Aufbau abzusichern, nicht unbedingt in die Zuständigkeit eines Schöpfergottes. Man hätte aber doch gern gewusst, wie es zu diesen Toten, wie es auch nur zu einem einzigen Toten kommen soll, wenn anders man ihn tötet?“

Und der zweite Stein: „Daß Afghanistan nicht allein durch das Töten von Afghanen zu befrieden ist, ist eine Binsenweisheit. Aber wie soll man das Ziel, den Rückfall in eine menschenverachtende Gewaltherrschaft zu verhindern, erreichen, ohne dieses Ziel mit Bomben und Gewehren zu verfolgen, auf Kosten derer, die ihre Ziele mit Bomben und Gewehren verfolgen, und nicht davor zurückschrecken, Isaf-Soldaten zu töten, die nicht davor zurückschrecken, Taliban zu töten, die nicht davor zurückschrecken, irgendjemand zu töten?“

„Mit den Taliban zu verhandeln ist ein löbliches Unterfangen, so lange dabei nicht grundlegende Menschenrechte wie der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung für Mädchen und Frauen zur Disposition gestellt werden. Es sei denn, Al Qaida signalisierte, daß sie sich eine andere Operationsbasis vorstellen könnte, sagen wir mal Jemen. In dem Falle würde sich das Engagement für afghanische Mädchen und Frauen nicht mehr rechnen, und wir müßten uns aus der Verteidigung ihrer Mädchen- und Frauenrechte zurückziehen. Und das würden wir auch.“

„Aber wollen wir mal nicht gleich das Schlimmste annehmen, sondern daß die Taliban bereit sind, mitzuspielen, sich von uns die Bedingungen, unter denen wir ihr Land besetzt halten dürfen, nicht diktieren lassen, sondern uns aus dem Land zu werfen versuchen und unsere Menschenrechte hinterdrein. Wenn das der Fall wäre, müßte man sie töten, und sei es unter Zurdispositionstellung grundlegender Menschenrechte. Allerdings dürfte die Bereitschaft der Aufständischen, sich töten zu lassen, entscheidend davon abhängen, daß sie keine Chance haben, ihre Werte und ihre Weltsicht in Verhandlungen zu behaupten. Daher ist es entscheidend, ihnen in Verhandlungen keine Chance zu lassen, ihre Werte und ihre Weltsicht zu behaupten.“

„Jeder Krieg ist furchtbar. Dennoch gibt es immer wieder Situationen, in denen das Völkerrecht gewaltsam verteidigt und Frieden erzwungen werden muß. Zur Not auch unter Bruch des Völkerrechts und durch das Führen von Angriffskriegen, wie gerade wir Grünen nur zu gut wissen.“

„Das Tötungsverbot ist gut gemeint, aber eine gutgemeinte Banalität. So wird die Abwesenheit einer religiösen Botschaft in den 10 Geboten mit praktischen Handlungsanweisungen übertüncht: Tagespolitik statt Transzendenz.“

Kriterien für einen legitimen Bundeswehreinsatz aus der Sicht Gottes zu diskutieren, könnte interessant sein, wenn es nicht mit Absolutheitsanspruch vorgetragen würde, der seinem Absolutheitsanspruch entgegenstünde. Stattdessen habe Gott es vorgezogen, ein Gebot ohne Begründung zu verkünden. Das komme aber eigentlich nur ihm, Fücks, zu.

Auch bei der Bundesregierung kommt Gott mit seinem Tötungsverbot nicht gut an. Der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmanns sagte am Montag in Berlin, es gebe Meinungsverschiedenheiten zwischen Gott und der Bundeskanzlerin über den Afghanistan-Einsatz. Die Bundesregierung sei aber mit Gott im Gespräch. Viele der Soldaten setzten auf Gottes Gnade und Vergebung, was bleibe ihnen auch übrig? Die Betonung des Verbotscharakters der Gebote sei dabei wenig hilfreich.

Steegmanns betonte, die Bundesregierung sei für eine Debatte über das Töten am Hindukusch, sofern sie in einem angemessenen und ernsthaften Ton geführt werde. Die Regierung respektiere Gottes Meinung, erwarte aber ihrerseits auch Respekt für ihre Auffassung, daß das Töten in Afghanistan notwendig sei, sagte Steegmanns.

Der Deutsche Bundeswehrverband erklärte: „Es wäre besser gewesen, wenn Gott vor dem Erlaß das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte.“ Gottes Nein zum Töten schaffe nur neue Frustrationen für deutsche Soldaten. Gott sei von den Positionen seiner Vorgänger Zeus, Wotan, Huitzilopochtli und Immerfestedruff abgerückt. Diese hätten sich immer zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr bekannt, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch dem Käsdorfer Metropolitan (KM) versonnen. Das seien noch Zeiten gewesen. Ja, früher! Da hätte man als Soldat noch in vollem Wichs am Sonntagmorgen zur Kirche gehen können, Helm vor die Fresse, stilles Gebet bis 10, und die Mädels hätten feuchte Schlüpfer gekriegt und der Pfarrer einen Knicks gemacht.“

Der frühere Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, Robert Leicht, riet Gott dazu, sich vor der Veröffentlichung von Geboten eingehender mit dem Rat von erfahrenen Historikern, Außenpolitikern und Militärs zu versehen. „Wer ein moralisches Vorbild sein möchte, muß zuvor eines an Urteilskraft sein“, heißt es in einem Beitrag des Publizisten und früheren Chefredakteurs der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ im Berliner „Tagesspiegel“. Das sei zwar in dreierlei Hinsicht Humbug, denn erstens wisse er nicht, ob Gott ihm moralisches Vorbild sein wolle, zweitens wisse er nicht, ob an dieser Maxime auch nur für fünf Pfennig was dran sei, und drittens wisse er nicht, ob der Rat von Historikern, Außenpolitikern und Militärs auf irgendjemandes Urteilsvermögen von Einfluß sei, sein könne und sein solle.

Klinge aber gut, oder?

Nicht vertretbar jedenfalls, sei die Simplizität, mit der sich Gott zum Thema Töten äußere.

Der SPD Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose betonte, er halte es für „problematisch“, daß Gott die Gebote nicht als Privatmann erlassen habe, sondern als Gott. Und als Gott die Position der Linkspartei vertrete. Daß Gott eine eigene Meinung haben könnte, die sich zufällig mit der von irgendjemandem, und sei es die Linkspartei, deckte, schloß Klose aus. Das anzunehmen sei seinem Hirn nicht mehr möglich. Die zwanghafte Ablehnung und Abwertung von Positionen der Linkspartei in der SPD habe sich mittlerweile so verselbständigt, daß er vorne von der Straßenbahn springe, wenn Lafontaine hinten einsteige. Das erwarte er auch von Gott.

Ähnlich argumentierte der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Philipp Mißfelder (CDU): „Daß Gott sich auf eine Stufe mit Oskar Lafontaine stellt, erschreckt mich sehr.“ Gott kann bloß von Glück sagen, daß er mit dem vierten Gebot – Vater und Mutter zu ehren – eine radikalfundamentalistische Position vertritt, die sich Krücke Mißfelder niemals zu eigen machen würde, mit dem auf einer Stufe sich wiederzufinden wahrhaftig Grund zu erschrecken wäre.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), meinte: „Gott macht es sich zu einfach, wenn er die Botschaft vermittelt, man könne sich kurzfristig aus Afghanistan zurückziehen, ohne sich schuldig zu machen.“ Auf die Frage Gottes, ob er, Polenz, schon mal davon habe läuten hören, daß man als Geschöpf Gottes in dem Dilemma stecke, in gewissen Situationen schuldig werden zu müssen, und zwar so oder so, und das man in Christenkreisen dieses Dilemma gerne auch als Zustand der Sünde bezeichne, der durch die Geschöpfe Gottes selbst nicht revidiert werden könne, sondern lediglich durch ihn, Gott, antwortete Pohlenz, daß sei ja wohl der größte Blödsinn, denn er je in seinem Leben gehört habe. Und er habe schon viel Blödsinn gehört, er sei nämlich in der CDU.

Unterstützung erhält Gott immerhin von Guido Westerwelle. Gott habe lediglich den Fokus auf die Möglichkeiten ziviler Konfliktlösungsstrategien setzen wollen.

„Das entspricht genau auch meinem politischen Ansatz“, sagte Westerwelle. „Die Debatte über die Afghanistan-Politik zu reduzieren auf Opferzahlen und militärische Strategien, das ist ein entscheidender Fehler, den wir nicht machen werden“, sagte der Außenminister.

„Wir sollten es zunächst mit Steuersenkungen probieren. Gott mit uns!“

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