Armutsbericht reloaded

Einmal, es ist lange her, da gab es Armut auf der Welt.

Dann aber, im Laufe der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, das ist das letzte Jahrhundert des vorigen Jahrtausends, so lange ist das schon her, verschwand die Armut. Die Armutsfee hat sie geholt, und sie hat den Armen im Tausch dafür eine Goldmünze unter das Kopfkissen gelegt. Das heißt denen, die ein Kopfkissen hatten. Die anderen gingen leer aus. Aber ist das vielleicht die Schuld der Armutsfee? Anderen ließ sie die Armut, nahm ihnen dafür aber alle Zähne. Ist das etwa die Schuld von Guido Kleinhubbert?

Fest steht: Armut gibt es heute nicht mehr. Wenn es sie gibt, dann deswegen, weil sie herbeidefiniert wurde. Herbeidefiniert wird sie vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, und in den Wohlfahrtsarm fällt diesem außer Krethi und Plethi, Hinz und Kunz, diesem und jenem, allerlei Volk, praktisch jedem, der sich etwas auf seinen „Wirtschaftsverstand“ einbildet, sämtlichen Neoliberalen sowieso, sowie denen, die sich auf ihren unbestechlichen Blick mächtig was zugute halten, ihre Furchtlosigkeit beim Löcken wider den Stachel, ihre Verachtung des juste milieu und ihrem „Mut“ beim „Aussprechen“ „unbequemer“ „Wahrheiten“ – namentlich zu nennen wären Martenstein und ähnliche Hähne in vergleichbaren Körben -, in den paritätischen Arm fäll dem Verband nun, da Rösler nicht mehr ist, auf den Armutsbericht aufzupassen, praktisch nur noch Kleinhubbert:

Abgesehen davon, ist der alljährliche Blues-Song sowieso ein schiefes Lied.

Schiefes Lied? Ist das ein schiefes Bild, und gemeint ist eigentlich schiefes Bild? Oder war ein mißtönend Liedlein gemeint? Ein Sägengeknarr, ein Rabengekrächz? – Ich habe vergessen, mitzuteilen, daß Kleinhubbert es für mitteilenswert hält, daß der Geschäftsführer der Paritätischen – ein Herr Schneider – einer Blueskapelle als Sänger vorsteht. Ich hielt das nicht für mitteilenswert. Aber jetzt fehlt mir die Info natürlich, ohne die unverständlich bleiben muß, warum Kleinhubbert hier die Metaphern verrutschen. Also, der alljährliche Armuts-Blues, gefallen tut er Kleinhubbert nicht, denn:

Für Schneider und seine Fans sind nämlich alle Menschen „arm“, die von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens leben müssten. Das ist zumindest heikel, denn selbst wenn in unserem Land nur millionen- und milliardenschwere Ferrari-Fahrer gemeldet wären, gäbe es hier Armut. Irgendwer fällt immer unter die Grenze.

Nämlich Werner. Werner hat kein Einkommen, außer dem, was wir ihm zustecken. Er lebt davon, daß er das Geld fürs Bier münzweise auf den Tresen legt und so tut, als kenne er deren Wert nicht. Bis Louis die Faxen dicke hat und sagt, er soll es gut sein lassen. Mal schenkt ihm einer eine Bommelmütze, mal einer ein Paar Gummistiefel. Zu essen kriegt er. Er hat, was er braucht. Wenn wir anderen alle millionenschwere und milliardenschwere Ferrarifahrer wären, würde Werner natürlich unter die Grenze fallen. Aber wäre er deswegen arm?

Antwort: Er wäre nicht arm, er ist arm. Denn erstens folgt ja aus der Tatsache, daß, wenn etwas so wäre, wie es nicht ist, etwas anderes aber anders wäre, als es ist, nicht, daß es nicht so ist, wie es nicht wäre, wenn es anders wäre. Mit anderen Worten: Was soll der Scheiß-Konjunktiv?

Schummeln soll er!

Und zweitens folgt aus der – ja ja, sie ist willkürlich gezogen, die Grenze, bei 60%. Man hätte sie bei 59% oder 61% ziehen können. Geschenkt! – willkürlich bei 60% gezogenen Grenze nicht, daß alle, die unter diese Grenze fallen, bei 59,95% mit Fallen aufhören würden. Das nämlich wäre Konjunktiv. Und Konjunktiv ist nicht! Das wäre vielleicht so, wenn es so wäre, aber das ist nicht so.

Um es an einem Beispiel zu erklären: Wenn in unserem Land nur geistige Koryphäen und Kapazitäten, nur Intelligenzbestien und Blaustrümpfe, lauter Hochbegabte und Genies, ein Einstein am anderen wohnen würden, keiner mit einem Intelligenzquotienten unter 135. Was ich sage: 136! Lauter Leute mit Intelligenzquotienten über 135 – würde das etwa bedeuten, das es in unserem Land keine geistige Armut mehr gäbe? Keine Voll-, Halb- und Viertelpfosten? – Könnte es das überhaupt heißen?

Denn es gäbe dann ja immer noch die Spiegel Online Redaktion?

Eine Redaktion, in der sich lauter unterschiedlich begabte Geister tummeln würden. Mal in der Nähe von 60% des Durchschnitts, mal etwas weiter weg. Mal etwas drüber, aber nicht viel. So welche wären längst woanders. Meist eher etwas darunter. Manche ein ganzes Stück weiter darunter. Manche auch ganz ordentlich weit.

Tja, und dann wäre da noch Klein Hubbert.

„Damit ist zu diesem Vorgang alles gesagt“

Sagt Volker Kauder. Und wenn Volker Kauder etwas sagt, dann wird Tropfen am Eimer das Gegenteil tun. Wenn Volker Kauder etwa sagt, alles sei gesagt, wird Tropfen am Eimer sich fragen, ob das wirklich alles ist, was es dazu zu sagen gäbe? Und Tropfen am Eimer wird zu dem Schluß kommen: O nein!

Und es wird eine Menge dazu zu sagen geben. Fangen wir an:

Das erste, was man dazu sagen kann, ist, daß Volker Kauder als Fraktionsvorsitzender natürlich eine vollkommen unzuverlässige Quelle ist. Fraktionsvorsitzende sind sozusagen die institutionalisierte Lügenpresse ihrer Fraktion. Oder, wie es auf Fraktionsdeutsch heißt: Fraktionsvorsitzende. In England nennt man sie Whips, Peitschen. Einpeitscher. Einpeitscher sind nicht eben unparteiisch, sondern parteiisch, und Parteieinpeitscher sind doppelt parteiisch. Parteiische Parteieinpeitscher sind der Wahrheit notorisch ungewogen.

Und das zweite, was sich noch dazu sagen läßt, das ist: Welcher Vorgang? Zu welchem wäre Vorgang alles gesagt? Beziehungsweise noch lange nicht alles?

Dazu, und das ist das dritte, was sich dazu sagen läßt, daß die Menschen@%#&§!beauftragte der CDU, eine Blondine namens Steinbach, über Twitter ein Photo verschickt hat, auf dem – laut Unterzeile: „Freundliche Biodeutsche begrüßen eine Blondine in ihrer Mitte“ – ein Gruppe freundlicher Menschen ein blondes Kind in ihrer Mitte herzlich willkommen heißt. Angeblich ist das Photo rassistisch, was es natürlich nicht ist, aber wer sind die Twitternutzer, daß sie sich über Petitessen das Köpfchen zerbrächen? Petitessen wie den Unterschied zwischen Photo und Photograph? Oder den Unterschied zwischen Photo und dem, der das Photo in die Welt entläßt? Twitternutzer halten das Photo für rassistisch, und weil sie es für rassistisch halten, retweeten sie es. Um dazu zu schreiben, daß es rassistisch sei.

Das Photo ist nicht rassistisch, aber es ist eine Fälschung. Man sieht es sofort. An einem einzigen Merkmal kann man’s erkennen. Man muß den „Biodeutschen“ auf dem Bild nur kurz ins Gesicht sehen, um sofort zu erkennen: Das können keine Biodeutschen sein. Dazu sind ihre Gesichter viel zu freundlich, ja herzlich.

Das müssen Paßdeutsche sein. Paßdeutsche dürfen freundlich sein, sogar herzlich. Freundliche Biodeutsche aber gibt es nicht. Freundliche Biodeutsche sind veganer Kutteltopf mit Speck. Biodeutsche sind Miesepeter. Was die an Herzlichkeit haben, kann man in Euro und Cent ausdrücken. Oder – was ihnen lieber ist – in Mark und Pfennig. Das stopfen sie, wenn einer von ihnen ins deutsche Biogras gebissen hat, in den Umschlag mit dem Kondolenzschreiben. Wobei sie darauf achten, sich das, was sie in den Umschlag gestopft haben, in Form von Butterkuchen wiederzuholen. Und wenn bei ihrer eigenen Beerdigung das, was ihre Hinterbiebenen an Butterkuchen raustun, nicht in Form von Herzlichkeit wieder reinkommt, dann ist was los. Dann steht der Sarg hochkant im Grab.

Der biodeutscheste aller Biodeutschen ist der Recke Siegfried, nein, Quatsch, ist Thilo Sarrazin. Schon am Namen kann man’s schmecken. Thilo Sarrazin würde niemals eine Blondine in seiner Mitte willkommen heißen, außer vielleicht Erika Bachstein. Solange die Blondine nicht größer ist als drei gestapelte Käselaiber, und Augen hat wie ein drei Tage altes Gallowaykälbchen, solange also die Blondine jeden normalen Menschen vor Brutpflegeinstinkt sabbern und Welpenschutzhormone ausschütten macht, solange löst die Blondine bei Thilo Sarrazin gesteigerte Miesepetrigkeit aus, sowie die Weigerung, Respekt vor Gemüsehändlern zu haben, beziehungsweise vor Leuten, die weniger miesepetrig sind als er. Und ständig kleine Blondinen produzieren.

Was ja auch wirklich ein Problem ist. Kleine Blondinen werden irgendwann mal groß. Und dann werden sie Menschen@%#&§!beauftragte der CDU. So wie Erika Bachmann. Erwachsene Blondinen aber mag niemand. Es sind Witzfiguren. Die Zeiten, in denen blonde Haare den Brautpreis in die Höhe trieben, hat es wahrscheinlich nie gegeben. Es handelt sich um ein rassistisches Gerücht. Niemand würde auch nur ein Kamel für Frau Mannstein geben. Solche Gerüchte werden vielleicht auf Twitter verbreitet, möglich, aber sie sind rassistisch. Sie sind frauen- und blondinenfeindlich. Kein Wunder, daß Steinbeiß darauf dünnhäutig reagiert. Schließlich ist sie Menschen@%#&§!beauftragte der CDU. Sie kennt sich mit Menschen@%#&§%$ aus. Sollte sie jedenfalls. Vielleicht auch nicht. Schließlich ist mein Nachbar auch Gesundheitsbeauftragter hier im Blog, und der zündet eine Zigarette an der nächsten an.

Blasenstein hat das Photo vielleicht nur deshalb gepostet, weil sie als Blondine auch mal irgendwo so herzlich empfangen werden wollen würde, wie das Kind auf dem Bild. Was man ja verstehen könnte.

Aber um von Biodeutschen so herzlich empfangen zu werden, wie das blonde Kind von den Paßdeutschen auf dem Photo – geht nicht, bei Biodeutschen.

Aber um von Biodeutschen wenigsten annähernd so herzlich empfangen zu werden, wie – geht auch nicht.

Um wenigstens nicht gar so biodeutsch empfangen zu werden, wie die Bus-People in Clausnitz von der wack’ren Schaar edler Recken, kühner Kämpen und muth’ger Maulhelden, die dort vor Frauen und Kindern ihren Mann standen, wie der herrliche Hagen von Tronje einst vor dem Sechsjährigen der Blondine Kriemhild, müßte sie wahrscheinlich erst mal ihren Job aufgeben. Biodeutsche halten nichts von Menschen@%#&§%$. Deutschenrechtsbeauftragte der CDU, besser noch: Biodeutschenrechtsbeauftragte der CDU, das wäre ein ander Ding. Biodeutschenrechte stehen für die Biodeutschen über den Menschen@%#&§%$. Biodeutschenrechte haben gegenüber den Menschen@%#&§%$ den Vorteil, daß sie nicht durch Geburt erworben werden, sondern verdient. Und zwar durch Abstammung. Nicht durch Geburt. Geboren wird jeder. Abstammung aber ist eine Leistung. Abstammung muß man sich leisten können.

Und Leistung sollte belohnt werden.

Wenn diese komische Petry meine Frau wäre, würde ich ihr noch heute Nacht einen Schneidezahn aushauen (G. Oettinger)

Niemand hat die Abwicht, an der Grentfe ein Blutbad antfurichten

Niemand will daf. Aber wo fteht ef im Gewetf:

Wenn der Grentfverletfer nicht hören will und wich anphickt, den Grentftfaun tfu überklettern, ift ef die Wache jedef eintfelnen Grentfpolitfiften, den illegalen Grentfübertritt tfu verhindern, notfallf auch unter Einwatf einef Blutbadef.
Gegen Perwonen, die wich dem äuferen Eindruck nach im Kindefalter befinden, dürfen Blutbäder nicht angewandt werden.

Daf ift bedauerlich, aber Gewetf. Wir Alternative für Deutphland wetfen die Gewetfeftreue über allef. Nein, nicht über allef, nicht über Deutphland tfum Beifpiel. Deutphland über allef. Deutphland auch über Gewetfeftreue. Gewetfeftreue aber über die political correctneff. Wenn ef dem Gewetf gefällt, Blutbäder unter Gephäftfuntüchtigen tfu unterwagen, dann muf man alf Deutpher dem Gewetf willfahren, welbft dann, wenn ef alf politically correct gilt. Daf ift dann bedauerlich, aber daf ergibt wich auf dem Grundwatf der Gewetfeftreue.

Darum wäre ef beffer, die Grentfverletfer erft gar nicht bif tfur Grentfe kommen tfu laffen. Dann wind ef tfar keine Grentfverletfer im Winne def Gewetfef, aber pheif drauf! Wir wollten dafür worgen, daf wie gar nicht erft an Land gelaffen werden, die Grentfverletfer. In einem Phlauchboot auf dem Mittelmeer tfu witfen, wollte alf Grentfverletfung gelten, die ef notfallf mit Gewalt tfu verhindern gilt. Der griechiphe DLRG wollte alf ultima ratio von der Phuffwaffe Gebrauch machen. Ein Phlauchboot ist im Gegenwatf tfu Beatrikf fon Ftorch ein verftändigef Wewen. Ein Phlauchboot kann im Gegenwatf tfu Beatrikf fon Ftorch den Phuff hören. Und kann abdrehen. Und wenn ef den Phuff gehört hat, wird ef auch abdrehen. Dann gibt ef auch kein Blutbad. Und wenn ef getroffen wird, dann gibt ef immer noch kein Blutbad, dann gibt ef ein Wafferbad. Ein Wafferbad ift nicht ungewetflich. Ein Wafferbad mag politically incorrect sein, aber pheif drauf!

Denn niemand hier hat die Abwicht, ein Blutbad antfurichten.

Nicht einmal ich.

Vorschlag zur Güte

Und wenn wir es so machen?

Wenn denn schon partout jemand vom Mindestlohn ausgenommen werden muß, damit die CDU mit der Schmach fertig wird, ihn nicht verhindert zu haben, dann nehmen wir doch CDU-Mitglieder vom Mindestlohn aus.

Das müßte doch konsensfähig sein.

Davon wäre erstens niemand betroffen, und wenn zweitens doch, dann hätte der ja, was er haben wollte, und wenn drittens nicht, dann hätten immerhin wir die Gewißheit, daß es keinen Unrechten getroffen hätte. Sollte es Widerstand in der Fraktion geben, böte sich als Kompromiß an, in einer Art Großer Koalition auch SPD-Mitglieder auszunehmen. Damit wären auch diejenigen angemessen gewürdigt, die die Notwendigkeit des Mindestlohns überhaupt erst herbeiregiert haben.

Leider ist zu befürchten, daß dies dem Koalitionsfrieden förderlich wäre. Aber das sollten wir in Kauf nehmen.

Millionärsformel

Ein gewisser Maschmeyer, eine unangenehme Type, wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was ich ihm nachsage – zum Beispiel die völlig unhaltbare Behauptung, Maschmeyer bestehe zu mehr als drei Vierteln aus Haarwasser -, hat in einer gewissen „Welt“ oder dem Teil der „Welt“, der online ist, eine sogenannte ‚Millionärsformel‘ an den Mann zu bringen versucht, und der Redakteur der „Welt“ oder der Redakteur der „Welt, soweit online“ oder das, was die „Welt“ an der Stelle hat, an der bei anderen Zeitungen der Redakteur sitzt, dieser „Redakteur“ hat ihm den Stiefel abgekauft und drucken lassen.

Ich, nicht faul, beziehungsweise: ich, zu faul, mir selbst was aus den Fingern zu saugen, tue es ihm gleich:

Maschmeyer: Ich sage nicht, ich muss auf Teufel komm raus sparen. Sondern man sollte sich immer daran erinnern, welche Ziele man hat man und was man sich in Zukunft Schönes leisten will. Viele, viele Menschen geben jeden Tag etwa fünf Euro für etwas aus, von dem sie hinterher sagen, das war es nicht wert. Ich habe nichts gegen „Starbucks“, auch wenn ich keinen Kaffee trinke – aber ich würde Spar-Bucks machen.

Ich bin nicht sicher, daß ich mein hehres Lebensprinzip, noch nie bei Starbucks gesehen worden zu sein und dort auch in Zukunft nicht gesehen zu werden, werde durchhalten können, wenn mir auf meinem Weg unangenehme Typen zwischen die Füße geraten. Ksch! Aus dem Weg!

Diese fünf Euro für den Snack, den Cappuccino – ich nenne das den Geldfresser-Faktor.

Bitte sehr. Das sei ihm gegönnt. Ich nenne „das“ nicht so. Ich habe diese fünf Euro nie so genannt und werde sie voraussichtlich auch nie so nennen. Eine Gemeinsamkeit weniger, immerhin – Gott sei gelobt!

Fünf Euro täglich über 45 Jahre, zu sieben Prozent angelegt, sind am Ende eine halbe Million Euro.

Nochmal, bitte?

Fünf Euro täglich über 45 Jahre, zu sieben Prozent angelegt, sind am Ende eine halbe Million Euro.

Ähemm!

Mal abgesehen davon, daß eine halbe Million am Ende immer noch keinen Millionär aus mir macht, sind das nach 45 Jahren mit einer durchschnittlichen Inflation von drei Prozent man grade noch zweihunderttausend Euro. Dabei ist das, was sich die Quellensteuer holt, noch gar nicht mal abgerechnet, und die Tatsache, daß man die Deppenbank, die einem für seine lumpigen 150 Euro im Monat sieben Prozent Zinsen aufnötigt, noch nicht gefunden hat und aller Voraussicht nach auch nicht finden wird, ist noch nicht mit eingerechnet. Nicht mit eingerechnet ist ferner, daß die Bank, die es trotzdem täte, ein 1a Übernahmkandidat wäre, oder ein Weltwunder, denn eine Bank, die sieben Prozent Zinsen zahlte, wäre eine Bank, die nicht wüßte, wie man Geld verdient, und eine Bank, die nicht weiß, wie man Geld verdient, wovon wollte die sieben Prozent Zinsen zahlen? Eine Bank aber, die wüßte, wie man Geld verdient, warum sollte die sieben Prozent zahlen?

Eine Bank, die wüßte, wie man Geld verdient, würde sich nicht mit lumpigen sieben Prozent aufhalten, sondern Provisionszahlungen einstreichen und sich AWD nennen, aber das nur nebenbei.

Wenn den Menschen dies bewusst wäre, würden viele sagen: Verdammt noch mal, jetzt gewöhne ich mir das Kaffeetrinken ab.

Warum denn das? Ich meine: von mir aus sollen sie sich das Kaffeetrinken abgewöhnen, das stelle ich anheim. Aber warum sollten sie? Damit die Starbucks-Aktie abschmiert? Und ihr Nachbar, der seine fünf Ocken in Kaffee investiert hat, sich fragt, warum sein Fonds so low performt? Und seine Million sich auflöst wie Zucker im Milchschlabber?

Lassen Sie uns statt dessen gemeinsam überschlagen, wie man à la Maschmeyer trotzdem auf die Million käme:

Wenn man 45 Jahre lang jeden Tag fünf Milchmädchen an Starbucks – nein, bitte! Keine Milchmädchenrechnung! Nicht noch eine Gemeinsamkeit mit Maschmeyer! Nehmen wir statt Milchmädchen Ohrfeigen:

Wenn man Maschmeyer jeden Tag fünf Ohrfeigen ins Gesicht stecken würde, bräuchte man knapp 548 Jahre, um auf eine Million zu kommen. Das dürfte die uns zugemessene Zeit hienieden weit überschreiten.

Wenn wir statt dessen Maschmeyer und dem Welt-Redakteur jeweils fünf Ohrfeigen verbreichen würden, wären es immerhin noch 274 Jahre, und bei Miteinbeziehung von Frau Ferres noch 183. Das hat alles keinen Taug. Dieser Kleinkleckerkram bringt es nicht. – Als seinerzeit die Realschüler den Kreuzkamm entführt hatten, die Diktathefte verbrannten und den Kreuzkamm im Kartoffelkeller auf den Stuhl fesselten, da hatten sie ihm sechs Ohrfeigen alle zehn Minuten in Aussicht gestellt, und als man ihn nach zweieinhalb Stunden befreite, hatte er deren 90 einstecken müssen. – Das klingt doch schon vielversprechender. Laßt sehen:

Wenn Maschmeyer alle 10 Minuten sechs Ohrfeigen bekäme, wären das am Ende des Tages, um diesen Blödmannsschnack auch einmal zu verwenden, 864, am Ende des Monats 26 000, am Ende des Jahres 315 576, Schaltjahre bereits miteingepreist. Obwohl man wahrscheinlich ohne Schaltjahre hinkäme, denn nach gut drei Jahren wäre man bereits Millionär, ganz ohne Zinsen, ohne Inflation und vor Steuern.

Da müßte es schon Zufall sein, wenn da ein Schaltjahr dabei wäre.

Obwohl es natürlich nicht ausgeschlossen wäre. Wenn wir schon morgen anfangen könnten, wäre es soweit. – Aber ich fürchte, so ein paar Vorbereitungsmaßnahmen wären unerläßlich: wer soll’s machen? Alle zehn Minuten sechs Ohrfeigen, auch nachts, die wollen auch erst einmal verabreicht werden. Das geht auf die Finger.

Vielleicht könnten sich die AWD-Opfer abwechseln?

Bedauerlich, aber nicht zu ändern

Über die Tatsache, daß der Storch hierzulande nicht zum jagdbaren Federwild gehört, und die Frau vom Storch auch nicht,

gibt es eigentlich kaum etwas zu vermelden. Es ist so. Es ist auch gut so. Denn was wäre denn die Alternative? Ein Horde Jäger, denen die Flinte ohnehin schon viel zu locker sitzt, stünde an der Balkanroute und ballerte auf alles, was ein schwarzweiß Röcklein anhat und rote Strümpfe trägt, das wäre die Alternative. Und das nur, weil es über die Grenze will, um auf unsrer Wiese zu gehen, durch unsre Sümpfe zu waten und unsere Frösche zu fangen, schnapperdischnapp. Und wenn ihr glaubt, es sei möglich, nur den Klapperstorch abzuknallen, nicht aber die Frau vom Storch, dann irrt ihr euch: das ist nämlich nicht möglich. Man kann das vom Boden aus unmöglich ausmachen, was da oben fliegt.

Der Storch und die Frau vom Storch sind ein ausgesprochen androgynes Geflügel. Vollkommen durchgegendert. Sie sehen quasi komplett gleich aus. Sie benehmen sich auch gleich. Nicht einmal am Geklapper kann man sie unterscheiden. Außer, daß das Geklapper der Frau vom Storch noch ein Ideechen nervtötender ist, als das Geklapper vom Klapperstorch. Roher. Erbarmungsloser. Von einem widerwärtigen Charakter erzählend. Aber das ist Spekulation, wie auch die Vermutung, daß die Frau vom Storch ihre Frösche möglichst lange quält, ehe sie sie verschluckt, und daß sie mit Wonne und vorzugsweise die jungen Frösche frißt und deren Mütter zwingt, dabei zuzusehen. Das kann man nicht wissen, man kann nur annehmen, daß es so ist, weil es in dem Gedicht von Rudyard Kipling ja heißt: „The female of the species is more deadly than the male“. Sechs mal steht es da, in dreizehn Strophen, geschrieben vor über hundert Jahren – das wird also schon stimmen.

Für die Praxis hat man aber nichts davon, weil man nicht so nah an die Tiere herankommt, daß man sie auf Gendermerkmale hin untersuchen könnte. Wer ihnen einmal so nah war, daß er es hätte können, wird es in Zukunft bleiben lassen, denn sie stinken fürchterlich. Nicht nur der Storch, auch die Frau vom Storch. Beide. Und beide gleich stark. Nehme ich jedenfalls an. Mir ist nichts Gegenteiliges bekannt. Ich wüßte von keinem Gedicht Kiplings in dem es etwa hieße: „The female of a species is more smelly than the male“. Darum ist es wahrscheinlich auch nicht so. Wenn es so wäre, könnte man sich daran machen, das Jagdgesetz dahingehend zu ändern, daß die Frau vom Storch ganzjährig bejagt werden darf. Weil man sie am Geruch erkennen könnte.

Kann man aber nicht. Ist auch besser so, denn es wird sowieso viel zu viel herumgeballert. Im Wald zum Beispiel, im Feld und auf der Heide. Wie leicht wird dabei nicht einmal ein Hund getroffen, der überhaupt nichts angestellt hat. Außer ein paar Rebhühner gescheucht, oder haste was kannste über den Acker gewetzt, weil er am anderen Ende den Storch gesehen zu haben glaubt. Oder die Frau vom Storch. Die würde er zu gern einmal in die roten Strümpfe kneifen wollen. Ihr solltet mal sehen, wie er sich anstellt, wenn ich ihn mit „Horch!“ necke: „Horch!“ – mehr brauche ich eigentlich gar nicht zu sagen, dann sabbert er schon. „Horch! – Wo ist der Storch?“ Wenn ich dann die Haustüre öffne, geht er über Tisch und Bänke. Oder umgekehrt, erst auf die Bank, von da aus auf den Terrassentisch, im Bestreben, von diesem irgendwie auf das Garagendach zu gelangen, von wo aus sich – weiß man’s denn, man war ja noch nie dort – Wege finden lassen würden, vielleicht durch beherztes Springen auf den First des Nachbarhauses zu kommen, wo er meistens sitzt, der Storch, und vor sich hinstinkt. Oder die Frau vom Storch.

Begreifen kann ich das. Will sagen, mir ist intellektuell nachvollziehbar, was einen Hund, dessen Lebenszweck und -ziel es ist, Haus und Hof von Eindringlingen frei zu halten, dazu bringt, die Eindringlinge, die sich nicht von seinem Gepaule abschrecken lassen, in die Beine zu beißen. Ich glaube nicht, daß er die Frau vom Storch würde fressen wollen. Nicht, weil sie besonders widerlich wäre; Widerlichkeit ist dem Hund normalerweise kein Hinderungsgrund, irgendwas zu fressen. Widerlichkeit spornt seine Freßlust wie’s scheint sogar an. Widerlich wird die Frau vom Storch schon sein, außerordentlich widerlich sogar, dem Hund also ein gefundenes Fressen. Nein, ich glaube nicht, daß er sie fressen würde, denn es heißt, der Storch – und die Frau vom Storch – hätten hierzulande außer der Hochspannungsleitung keine natürlichen Feinde. In Afrika Hyänen und Schakale, aber was nutzen Hyänen und Schakale in Afrika, wenn der degenerierte Storch, wie ich neulich las, gar nicht mehr bis Afrika kommt, sondern in Spanien bleibt und die dortigen Müllkippen leerfrißt? Und dann hierher zurückkommt und doppelt stinkt?

Mir fällt eben auf, wie unvorsichtig es doch ist, immer die Phrase „Die Frau vom Storch“ zu benutzen: wie leicht vertippt man sich nicht einmal, und dann steht da ein „von“ wo ein „vom“ stehen sollte, und das ganze sieht aus wie ein Eigenname und führt zu Verwechslungen. Das ist nicht meine Absicht. Ich werde der Frau vom Storch einen Namen geben – sagen wir Beatrix – und von nun an per Trixi von ihr reden.

Wie gesagt, begreifen kann ich den Hund, aber verstehen kann ich ihn nicht. Verstehen hieße ja: eigene Möglichkeiten sehen, sich eine Situation vorstellen zu können, in der man sich genauso verhielte, in der man selbst hinter Trixi herlaufen würde, um ihr ins Bein zu beißen. Ich würde aber nicht hinter Trixi herlaufen, um ihr ins Bein zu beißen. Nicht, daß ich etepetete wäre. Ich bin mir nicht zu schade, hinter einer Frau herzulaufen, und ich habe auch schon in das eine oder andere Bein gebissen – wenn es sich anbot, und wenn es willkommen war, bittesehr, ich bin kein Unhold! Aber ich habe immer zuvor gefragt. Und mich versichert, wenn ich da vor mir habe. Als konservativer, weißer, straighter Cisgender-Mann trete ich für ein traditionelles Familienbild ein und lehne das Beißen in gleichgeschlechtliche Beine für mich persönlich ab. Und darum würde ich Trixi nirgendwo hinbeißen, darum und wegen des Gestanks nicht. Und glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede. Einmal hat sich der Sohn vom Storch oder die Tochter vom Storch bei Flugübungen in unserem Kirschbaum verheddert und sich beim Absturz den linken Flügel gebrochen. Da stand er nun, flatterte mit rechts, kam nicht hoch, und stank. Man hätte ihn ganz leicht abknallen können. Oder sie. Aber wer schießt schon auf Kinder? Unsereiner, der – selbst noch ein Kind – mit der Erzählung vom barmherzigen Samariter indoktriniert worden ist, jedenfalls nicht. Auch ist unsere Silberbüchse aus Holz, Lauf Silberbronze, Kolben dunkle Beize und mit Polsternägeln besetzt, Abzug ein krummgeklopfter Nagel. Ein Erbstück und als solches in Ehren gehalten, aber ungeeignet, damit das Jagdgesetz zu brechen. Unsereiner ruft statt dessen auf eigene Kosten bei der Wildtierstation an, damit dieselbe kommt und Öl und Wein in die Wunden des Stinkers gießt. Oder ihn zumindest entfernt, und zwar möglichst gründlich und möglichst weit weg. Und unsereiner lernt bei der Gelegenheit, was das Gefährlichste am Storch ist, oder an der Frau vom Storch – pardon: an Trixi -: der Schnabel. Wenn man sich den Storch unter den Arm packt, um ihn zum Wildtierstationskleinbus zu tragen: Schnabel nach hinten! Trixi weiß, was Augen sind, und Trixi weiß, wo ihr Schnabel ist; und was sie damit anstellen kann, weiß sie auch.

Also, wenn ihr mal wo eine Störchin hinauszuwerfen habt, irgendsoeine Radaubraut, deren unausstehliches Geklapper euch auf den Rappel geht – nicht gleich am Abzug fummeln! Jagd ist nicht. Das Jagdgesetz ist da ganz eindeutig. Das heißt aber nicht, daß keine Hilfe wäre. Unter den Arm genommen, Schnabel nach hinten! Luft anhalten. Und die Storchenstation angerufen.

Dort hat man Schutzkleidung und ist an den Gestank gewöhnt.

R.O.T.S.P.O.N. – Il canale piccolissimo

Jan Däumling war, ihr wißt es ja,
so groß grad wie mein Daumen da
Arpad Schmidhammer

Die Freundschaft zwischen dem Riesen Broder und dem Zwerg Fleischhauer – Riese ist vielleicht zuviel gesagt, es handelt sich um einen normalgroßen Mitteleuropäer mit etwas unkonturiertem Gesäß, polnischer Abkunft – womit natürlich nichts gesagt sein soll, außer, daß beide – Mann und Gesäß – allerdings polnischer Abkunft sind, was immer daraus folgen mag, ich weiß es nicht, ich gebe nur selbstlos weiter, was mir zur Kenntnis gelangt, damit sich der Leser ein unvoreingenommenes Urteil bilden kann – falls er so dämlich ist, auf unvoreingenommene Urteile Wert zu legen – ich habe ihm das nicht nahegelegt, ich bin nicht der Meinung, daß eine Suppe besser wird, wenn man das Salz wegläßt – jedenfalls datiert die Freundschaft zwischen den beiden ungleichen Freaks aus der Zeit, als Broder sich einmal so unglücklich – oder glücklich – auf den Winzling Fleischhauer setzte, daß letzterer restlos in ersterem verschwand – seitdem mögen die beiden nicht mehr voneinander lassen. „Great minds smell alike“, soll Broder gesagt haben, nachdem der Zwerg wieder ans Licht gekommen war, und er ihn hatte beschnuppern können.

Soweit erstmal. Bis hierhin vielen Dank. Es stellt sich nunmehr, und soll beantwortet werden, die Frage, ob es statthaft sei, zwei Journalistenkollegen, deren einer mit vollen Pranken auszuteilen beliebt, während der Kleine danebensteht und offenen Mundes – wobei ihm ein Speichelfaden aufs Jäckchen läuft – zu verstehen gibt: Das würde er auch gern einmal können – Lehm auf die Hemdbrust zu schmeißen, und sie soll beantwortet werden mit einem empörten: Ja selbstverständlich ist das statthaft! Es ist geradezu vonnöten! Man würde sich an ihnen versündigen, wenn man es unterließe! Beziehungsweise nicht an ihnen, aber am Lehm, an der Hemdbrust, und an der Idee des mit demselben auf dieselbe Schmeißens.

Es hat der Winzling, der immer mal wieder den Drang verspürt, dem großen Freund – wie sag ich’s? Wie sag ich’s so, daß es recht despektierlich klingt? – wieder einmal sehr, sehr nahe zu sein, eine Eloge auf dessen Ungezogenheiten fabriziert, und hineingeschrieben:

Darf man über eine TV-Moderatorin sagen, dass sie ihren Kopf zur Seite lege, damit sich der Verstand in einer Ecke sammelt?

Ich würde sagen, das ist weitgehend davon abhängig, ob die Moderatorin den Kopf tatsächlich schieflegt. Wenn sie das nämlich nicht tut, wäre die Behauptung genausowenig zulässig wie die Behauptung, Jan Fleischhauer stelle sich zu dem gleichen Zweck immer auf den Kopf und strampele mit den Beinen, während er sich in Wahrheit weder auf den Kopf stellt noch mit den Beinen strampelt, weil er tierischen Schiß davor hat, daß man bei den infolge Strampelns hirnschalenwärts rutschenden Hosensäumen seine Sockenhalter sähe. Oder dürfte man das doch sagen?

Man muss sogar. Denn Freiheit fängt erst an, wo sie zu weit geht.

Eine meschuggene Maxime! Nach der Logik finge die Liebe etwa erst dort an, wo möglichst viele Leute um das Bett herumstehen und „Hauruck!“ rufen.

Aber das wollen wir dem Zwerg nicht ankreiden; wenn ein Achtjähriger, der eben den Freischwimmer an die Badehose genäht gekriegt hat und nun in Vorbereitung auf die zwei Wellen des Fahrtenschwimmers mit Respekt und feuchter Hose unter dem Dreimeterturm steht, wenn der ein Buch über „Die Kunst des Turmspringens“ komponiert, dann muß man in dem Buch nicht eitel Altersweisheit erwarten. Daß Liebe und Freiheit dort beginnen, wo man sich ihrer und seiner selbst gewiß ist, muß einem, der sich den Fahrtenschwimmer an die Buxe nähen lassen will, um sich selbst davon zu überzeugen, daß er nicht untergehen wird, nicht heute schon einleuchten. Wird ihm auch nicht einleuchten. Ein paar Badehosen später vielleicht.

Vielleicht. Gar mancher wird es nie begreifen.

Henryk M. Broder hat vor Längerem über eine Fernsehmoderatorin geschrieben, sie lege ihr Köpfchen zur Seite, damit der Verstand sich in einer Ecke konzentrieren kann. Ein wunderbarer Satz, wie ich fand, dessen Wahrhaftigkeit unmittelbar einleuchtete, auch wenn man die Frau nie gesehen hatte. Es geht hier nicht um die Person, sondern um die Kunst der Beleidigung.

Es muß wohl wahre Freundschaft sein, ein mageres Späßchen einen wunderbaren Satz zu nennen. Es sei denn, es hätte das mit Freundschaft nichts zu tun, sondern wir müßten vielmehr mitansehen, wie sich da einer von Kopf bis Fuß einspeichelt, damit er besser flutscht. Da hebt sie sich, die Gesäßbacke des großen Freundes, es ist die linke, die er kurz lupft, damit das bißchen Tinte, das er noch auf dem Füller hat, im rechten Zeugen seiner Mannheit zusammenlaufen kann, bevor sie lustlos aufs selbst ihm gegenüber erstaunlich geduldige Papier pladdert.

Wo aber eben noch der Zwerg zu sehen war, ist nun Leere, und das Gesäß, es senkt sich wieder.

Die Moderatorin hingegen sah sich in ihrer Ehre verletzt und zog wegen dieser und noch ein paar anderer echter Gemeinheiten vor das Landgericht Düsseldorf, das ihr 10.000 Euro Schmerzensgeld zusprach.

Nicht, daß die Leere gähnen würde. Dazu ist die Abwesenheit zu klein, zu unbedeutend. Man muß bedenken, daß der Däumling den Kampf mit Spinnen aufnahm – und gewann, so ist es nicht. Er hatte einen Hagedorn bei sich und wußte ihn zu führen.

Das Oberlandesgericht, vor dem der Fall landete, kassierte die Entscheidung der Vorinstanz. Was hätte man über Fernsehmoderatoren noch sagen dürfen, wenn es bei dem Urteil geblieben wäre: Dass ihr Witz und ihre Intelligenz leider nicht bei allen Sendungen gleichermaßen zum Einsatz komme? Am Ende musste Broder 40 Prozent der Gerichtskosten tragen, was immer noch ziemlich happig ist.

„Pack,“ pflegte mein Vater zu sagen, der Amtsrichter war und sich mit Pack auskannte, wenn ich ihn zur Begrüßung fragte, wie es denn gehe, wie es stehe, und was die Unterwelt mache. „Pack,“ sagte er dann, „schlägt sich, Pack verträgt sich.“ Und wenn sich eine der Parteien über die happigen Gerichtskosten beschwerte, sagte er dieser: „Wer keinen Krieg verlieren will, der fange keinen an. Und wer kein Blut sehen will, der meide den Paukboden. Will er mit dem Degen bloß fuchteln, stelle er sich vor den Ganzkörperspiegel.“

Wie man es von Broder kennt, lässt er sich von juristischen Widrigkeiten nicht lange von der Arbeit abhalten.

Wenn ich mich recht erinnere, hatte auch mein Vater ein paar Stammkunden, die das, was sie zwischen zwei Prozessen taten, Arbeit nannten. Meist handelte es sich dabei um die Grundlage für einen neuen Prozeß. Einer zum Beispiel ließ es sich angelegen sein, das Schwein des Nachbarn mit roter Farbe anzustreichen. Der rieb sich die Hände, ließ das Schwein verrecken und verklagte den Nachbarn auf Schadensersatz. Anstatt etwa das Schwein abzuschrubben. Immer wenn mir einer dieser „furchtlosen Feldzüge“ von des Däumlings großem Freund zur Kenntnis gelangt, muß ich an die rot angemalte Sau denken. Es gibt ja diese ein Leben lang haltenden mentalen Verknüpfungen, die auf den ersten Blick willkürlich zu sein scheinen, aber völlig rational zustande gekommen sind. Einer der Welpen meines Freundes Germanistenfuzzi hat einst, als er freudig dem Toggenburger Bock hinter dem Garten Guten Tag sagen wollte, Bekanntschaft mit dem Elektrozaun gemacht. Zwei Stunden später hatten wir ihn endlich wieder; er war zum Fluß hinunter, unter dem Stachedrahtverhau hindurch, über die marode Brücke und im Nachtigallengrund verschwunden. Er ließ sich locken und fangen, aber an der Weide mit dem grinsenden Bock vorbei mußten wir ihn zu zweit schleifen. Nichts im Leben verbellt er seitdem mit solch grimmigem Ingrimm wie Ziegenböcke.

Mir geht es ähnlich mit Fleischhauer. Als ich zum erstenmal was von der Type las, war ich so verdattert, daß ich meinen Arm samt Kaffee in der Luft vergaß. Und mich ordentlich verjagte, als ich endlich einen gedankenverlorenen Schluck aus der Tasse in den Mund bekam. – Seitdem kann der Mann schreiben, was er will; für mich ist das alles Kalter Kaffee.

Gerade erst hat er ein neues Buch herausgebracht („Das ist ja irre“),

Neinnein, nicht Fleischhauer, der andere.

in dem er wieder furchtlos gegen alle zu Felde zu zieht, von denen er annimmt, dass sie Unsinn reden oder dass es sich bei ihnen um einen ausgemachten „Knallkopf“ handelt, wie Eckhard Henscheid einst dem armen Heinrich Böll hinterherrief.

Henscheid? Eckhard Henscheid? Der Henscheid, der ‚den armen Böll‘ nicht nur einen ‚Knallkopf‘, sondern einen „z.T. pathologischen, z.T. ganz harmlosen Knallkopf“ nannte, einen „der verlogensten, ja korruptesten“ Autoren, der in seiner Jugend bereits „steindumm“, „kenntnislos“ und „talentfrei“ gewesen sei? Der das Böllsche Publikum als „lebenslang katholisch belämmerte und verheuchelte Idioten“ schmähte?

Dieser Henscheid?

Die Frage ist natürlich, ob sich dieser Henscheid so gut zum Eideshelfer eignet, und die Antwort auf die Frage muß ebenso natürlich lauten: Aber unbedingt! Und die Frage, ob das gleiche auch für Henryk Böll gilt, diese Frage muß ja überhaupt erstmal einer stellen. Nachdem ich sie nun aber implizit gestellt habe, kann ich sie auch gleich beantworten: Nicht so gut. Denn Henscheids Hinterherruf stellte sich im Nachhinein als Nachruf heraus, da Böll im Jahr 1991 schon längere Zeit tot war, was praktisch alle wieder vergessen hatten, so sehr war Böll als Institution im kollektiven Bewußtsein noch lebendig.

Wollen wir also festhalten, daß

  • erstens jedermann wußte, wer Heinrich Böll gewesen war, als Henscheid rief, und
  • zweitens jedermann einleuchtete, was dieser gerufen hatte.

Denn jedermann hatte noch im Ohr, was und wie Böll geschrieben hatte. Beides wird sehr anders sein, wenn der Däumling eines Tages im Mon-Cherie-Schächtelchen neben der Sandkiste beigesetzt werden wird.

Die wahre Kunst ist die Beleidigung nach oben

Wer sagt denn sowas? „Der berühmte Kolumnist Jan Fleischhauer,“ den besagter Henscheid „unseren momentan flexibel-kompatibelsten Sprücheklopfer“ und „sowieso gedankenlos“ nannte, der „wie immer unrecht“ habe? (Ich zitiere nach dem Gedächtnis, weil ich das Buch verschlampt habe. Das einzige Buch, das ich auf die Schnelle finde, ist Welche Tiere und warum das Himmelreich erlangen können, und darin kommt der Zwerg natürlich nicht vor.)

Der also sagt das? Na, dann wird es wohl Unfug sein.

Ich bin ein großer Freund der Beleidigung. Manche Menschen verdienen, dass man ihnen den Kopf zurechtrückt, oder, wie im Fall der Moderatorin, das Köpfchen.

Und ich sag’s noch: Unfug, undurchdachter. – Wer sollte denn wohl darüber befinden, wessen Kopf gerade gerückt gehört, bei wessem Kopf sich das erübrigt, und bei wessen Kopf oder Köpfchen alle Mühe von vornherein für die Katz wäre? Ein Amtsrichter? Oder ein Scharfrichter, wg. dessen Zuständigkeit für Köpfe?

Alles ungeklärte Fragen. Neinnein, die wahre Kunst ist die Beleidigung um ihrer selbst willen. Es kann nicht darum gehen, um wessen Kopf es da geht, und ob der Kopf bekommt, was er verdient, oder verdient, was er bekommt; das ist alles nebensächlich. Der Kopf ist Nebensache. Man braucht einen Kopf, weil man ein direktes Objekt braucht. Intransitives Beleidigen ist nicht möglich. Kriterium für eine gelungene Beleidigung aber sollte nicht sein, ob der Kopf es verdient, sondern ob das Opfer sich ärgert. Und wenn alles gut geht, wird es sich wesentlich stärker mit dem Bauch ärgern, als mit dem Kopf. Ist ja schließlich auch mehr drin.

Es gilt in Deutschland als unfein, über andere in herabwürdigender und hinabsetzender Absicht zu schreiben.

So, tut es das? Und, ist das ein Argument? Was für eine Sorte Argument? Ist das Ei bekloppt, weil es von einer deutschen Henne gelegt wurde, oder hat die Henne sie nicht alle, weil sie so bekloppte Eier legt? Es gilt in Deutschland schließlich auch als unfein, bei offiziellen Empfängen im Schloß Bellevue im hohen Bogen auf die damastene Weißwäsche zu urinieren. Sollte Deutschland diesbezüglich etwa noch einmal mit sich zu Rate gehen?

Mein Votum: nein, das soll es nicht. Meine Begründung: es ist nicht Deutschland, es ist der Zwerg, der sie nicht alle hat. Es gilt in Deutschland als dies, es gilt in Deutschland als das! Wichtigkeit! Ich kann das Genöle über Deutschland nicht mehr hören! Nie kann Deutschland irgendwas richtig machen! Ich, wenn ich Deutschland bin, ich weiß, was ich dem Nölkopp empfehle; es fängt mit „G“ an und hört mit „dochnachdrüben!“ auf.

Ist es eines Künstlers wohl würdig, danach zu fragen, was Deutschland wozu sagt, noch dazu eines wahren Künstlers? Nein, das ist eines wahren Künstlers nicht würdig! Fragt ein Picasso danach, ob es in für chic gilt, die Augen auf der einen Seite des Gesichts anzubringen, die Nase auf der anderen, und die beiden Münder irgendwo? Frage ich viel danach, ob es für herabwürdigend und hinabsetzend gilt, das Konterfei eines „berühmten Kolumnisten“, wie es Woche für Woche auf SpOn zu betrachten ist, der grinsenden Visage eines Toggenburger Ziegenbocks zu vergleichen, der eben einen arglosen Welpen in seinen Elektrodraht gelockt hat, was in etwa das ist, was er mit seinen Möglichkeiten zu gestalten vermag, und was sein Verständnis von Humor erschöpfend beschreibt, und der ob des ängstlichen Jaulens des Kleinen vor Schadenfreude das Wasser nicht mehr halten kann?

Das könne man doch nicht sagen, heißt es dann, das gehe zu weit.

O doch, das kann man sagen. Das geht auch nicht zu weit. Das geht genausoweit, wie es gehen muß, und es geht in genau die richtige Richtung.

Da wo’s zu weit geht, fängt die Freiheit erst an, hat der Kabarettist Werner Finck einmal erwidert.

Ja, aber Finck war ein Spaßmacher, ein Sprachspieler, das muß man doch nicht wörtlich nehmen. Finck hat auch gesagt: „Entschuldigen Sie tausendmal, daß ich mein Glas auf Ihre Beinkleider geleert habe. Ich wollte es auf Ihre Gesundheit tun.“

Auch ein Satz, den man sich merken kann.

Ja, aber keiner, den ich wörtlich nehmen würde. Zum ersten würde ich niemals mein Glas auf des Fleischhauer Gesundheit leeren, meine Einstellung seiner Gesundheit gegenüber ist in etwa die, die der Erzähler in Damon Runyons Geschichte „Earthquake“ der Gesundheit des Polizisten Johnny Brannigan gegenüber hegt, aber nicht äußert, jedenfalls nicht dem Polizisten ins Gesicht, denn er weiß, daß Johnny Brannigan stets einen Gummiknüppel in der Tasche hat und nicht zögern wird, diesen anzuwenden, wenn man ihm dumm kommt, und, so der Erzähler zum Leser, so wie er Johnny Brannigan kenne, könnte dieser geneigt sein, seine, des Erzählers, Einstellung gegenüber seiner, Johnny Brannigans, Gesundheit als „dumm Kommen“ zu qualifizieren.

Da bin ich in einer besseren Situation. Der Däumling trägt keinen Gummiknüppel bei sich, und wenn doch, dann wäre der höchstens vom Hagedornkaliber und kann mir keinen großen Schaden tun. Vieles ist in Deutschland besser als in Amerika, zum Beispiel die Qualität des Publikums.

Die Erbärmlichkeit des deutschen „Kleinkunst“-Publikums, das ist in Wahrheit das Thema.
Eckhard Henscheid

Still! Nicht jetzt. – Leute, die in Ländern mit Humor Hungers sterben müßten, können in Deutschland immer noch eine große Anhängerschaft aus steindummen, kenntnisfreien, belemmertern und verheuchelten Idioten finden, das hat der Henscheid/Böll-Prozeß bewiesen. Und das dürfte auch der Grund sein, warum die beiden Nölköppe wieder zurückgekommen sind, Däumling aus Amerika und sein dicker Freund aus Israel. Zugeben werden sie es nicht, aus Angst, ihr Publikum könnte eine solche Einstellung ihm gegenüber als „dumm Kommen“ qualifizieren.

Und zum zweiten würde ich immer erst einmal probieren, ihm das Glas über die Hose zu gießen. Probieren, wohlgemerkt, denn das wird ja nicht so ganz einfach sein, die kleinen Beinchen zu treffen. Wie ich aus Henry Winterfelds wunderbarem Roman weiß, ist das Thema Wasser für Liliputaner eine ernste Angelegenheit. Zum Beispiel Regen: Große Tropfen, heißt es da,

Große Tropfen können einen glatt erschlagen.
Henry Winterfeld, Telegramm aus Liliput

Ähmm, ja. Danke. – Wollte ich auch gerade sagen. – Man muß ja befürchten, den Winzling mit einem einzigen Glas Rotspon zu ersäufen.

Drum würde ich mich auch nicht entschuldigen, wenn es mir gelänge. Soll es froh sein, das Männlein, einmal mehr mit feuchten Hosen davongekommen zu sein.

Die ungestrafte Spottlust steht am Anfang der Aufklärung.

Mein Gott, was für ein steindummer, kenntnisloser, belemmerter und verheuchelter Kolumnist! Was für ein Kanllkopf! Um Vergebung, was für ein Knallköpfchen. Was für eine Knallerbse! Wie sagte Henscheid: Hat „immer unrecht“? In der Tat. Vielleicht sollte er es doch einmal mit Kopfstand probieren, Sockenhalterchen hin, Sockenhalterchen her.

Nicht die ungestrafte Spottlust steht am Anfang der Aufklärung, sondern die Spottlust. Der Aufklärer, dem es ernst ist, nimmt die Strafe in Kauf. Die Typen, die für die Wahrnehmung ihrer Redefreiheit Orden, für ihre Ungezogenheiten eine Leibrente und für ihre Späßchen drei Wellen an der Badehose haben wollen, sind neueren Datums, aber es handelt sich nicht mehr um Aufklärer, sondern um Nebelwerfer. Und nicht die Straffreiheit der Spottlust steht am Anfang der Aufklärung, sondern die Straffreiheit des Spotts. Und sie steht auch nicht am Anfang der Aufklärung, sondern ist allenfalls ihr Ziel. Na sagen wir: Ein Etappenziel.

Der Freiheitsgrad einer Gesellschaft lässt sich ziemlich verlässlich daran bemessen, wie die Obrigkeit mit Leuten umspringen darf, die nach ihrem Geschmack zu frech und zu aufsässig sind. Nicht mehr im Gefängnis schmoren zu müssen, wenn sich einer auf den Schlips getreten fühlt (oder schlimmer: mit einem Mühlstein um den Hals am Grund eines Sees zu enden), ist eine der großen Errungenschaften der Moderne. Alles, was wir an Meinungsfreiheit schätzen, folgt von dort.

Kalter Kaffee ist das doch. Und es ist nicht nur deswegen kalter Kaffee, weil ich bei allem, was er schreibt, kalten Kaffee assoziiere, sondern es ist dies kalter Kaffee aus eigenem Recht. Daß einem nicht mehr jeder Johnny Brannigan den Totschläger übers Haupt ziehen kann, bloß weil man unschmeichelhafte Hoffnungen hinsichtlich seiner Gesundheit hegt, mag eine Errungenschaft der Moderne sein und ist es auch. Was sie aber nicht ist, diese Errungenschaft der Moderne, das ist: In Gefahr. Und wenn sie doch in Gefahr wäre, dann gewißlich nicht deshalb, weil ein notorischer Prozeßhansel vierzig Prozent der Gerichtskosten tragen muß. Prozeßkosten für den Angeklagten in einem Strafverfahren sind nämlich nicht vorgesehen, falls dem Zwerg das im Staatsbürgerkundeunterricht nicht beigebracht worden sein sollte, was ich mir nicht so recht vorstellen kann. Ich nehme eher an, daß seine Hirnkapazität nicht ausreicht, um es sich zu merken und bei Bedarf zur Anwendung zu bringen, bzw. sie würde vielleicht ausreichen, die Kapazität, wenn er sich nur hin und wieder auf den Kopf stellen wollte, und nicht so eitel wäre, seine Sockenhalterchen nicht blitzen lassen zu wollen. Die Tatsache, daß einer Gerichtskosten übernehmen muß, ist nämlich im Gegenteil Beweis für ein funktionierendes, modernes Rechtssystem, in dem die Obrigkeit sich aus den Händeln des Packs heraushält und Zivilrichter dafür bezahlt, daß die sich die Ohren schmutzig machen.

Es ist noch nicht so lange her, da reichte ein falscher Satz, um sich Karriere und Gesundheit zu zerstören. Dem Rechtsanwalt William Prynne ließ der englische König Karl I. wegen einer Theaterkritik beide Ohren vom Kopf säbeln. Die angebliche Beleidigung waren vier Worte, die Königin Henrietta Maria als Anspielung verstanden hatte: „Schauspielerinnen sind gewohnheitsmäßige Huren“. Die Königin hatte kurz nach Erscheinen der Schrift eine Rolle in einer dramatischen Darstellung am Hof übernommen. Ein dummer Zufall, wie man so schön sagt.

Dummer Zufall? Oder kluge Fügung? – Wie auch immer, es war nicht alles schlechter unter König Karl I. Die Welt damals mag uns Modernen fremd erscheinen, unwirklich und bedrohlich, düsterer und strahlender zugleich. Und die Vorstellung, daß ein Dickwanst, dem es etwa eingefallen wäre, eine Fernsehmoderatorin, die nicht seinen Ansprüchen genügte, furchtlos wie die sieben Schwaben als Luder vom Nachtigallengrund oder so ähnlich zu schmähen, unter Karl I. dafür nicht mit vierzig Prozent der Gerichtskosten sondern mit hundert Prozent seiner Ohren hätte zahlen müssen, diese Vorstellung mag uns schrecken. Aber ist sie nicht auch schön? Ist nicht das Schreckliche nichts als der Schönheit Fortsetzung, die wir nicht mehr zu ertragen glauben? Wahrlich, ich sehe eine Achse des Guten geradenwegs von hier aus mittenmang durch Karls Regentschaft gehen.

Wie überall im Leben gilt auch bei der Schmähkritik, dass Dummheit jede Freiheit verhunzt. Menschen herabzusetzen, die ohnehin schon klein sind, ist billig.

Was? Was?? Was??? – Wie bitte? – Spricht er jetzt noch für seinen dicken Freund, oder schon pro domo? Respektive domuncula? Dieser Homunculus? Was hat die Größe womit zu tun? Size täte mattern? Size tut nicht mattern! Ich sehe ja ein, daß es für einen normalgroßen Mitteleuropäer, sagen wir für Gulliver, nicht ganz leicht ist, einem Liliputaner gezielt ans Bein zu pinkeln. Als er es einmal probierte, soff gleich der ganze Kaiserpalast ab. – Aber bitte, dann sollte es auch als Kunst gelten, und zwar als Große Kunst! Nicht als Kleinkunst, bitteschön!

Die Erbärmlichkeit des deutschen „Kleinkunst“-Publikums, das ist in Wahrheit das Thema.
Eckhard Henscheid

Schon recht, schon recht.

Das schönste Spottwort ist nichts wert, wenn das Urteil über denjenigen, dem man es verpasst, längst gefallen ist.

Ah! – Aber ein Urteil ist immer schon „längst gefallen“. Durchs Fallen erst wird es zum Urteil. Staatsbürgerkunde, Mittelstufe. Regelmäßige Kopfstände wären nicht verkehrt, ich sag’s ja. – Außerdem ist Urteil nicht gleich Urteil. Es kann einer vierzig Prozent der Kosten aufgebrummt kriegen oder beide Ohren verlieren. Dürfte man nun seiner spotten, indem man ihn ins Gesicht hinein Sans-Ear riefe?

Ich erinnere mich an ein Buch von Arno Schmidt, in dem diese Frage erschöpfend, aber nicht in meinem Sinne, beantwortet wird: Nein.

Doch.

Henryk „Sans-Ear“ Broder würde mir gut gefallen.

Zum Jahresausklang eine kleine Auswahl an vorbildlichen Beleidigungen, zusammengelesen aus dem Sammelband „Kollegenschelte: Nichts verächtlicher, als wenn Literaten Literaten Literaten nennen – oder doch, eins: wenn Quotenhuren Quotenhuren Quotenhuren nennen“, einem Kompendium der literarischen Verbalinjurie:

„Er hat eine neue Mätresse? Unmöglich – bei dem steht doch nur der Verstand.“
Jean Cocteau über Jan Fleischhauer
„Der Kopf von Fleischhauer gleicht einem Gasthof, wo manchmal gute Gedanken einkehren, die sich dort aber nicht länger als eine Nacht aufhalten; die Gäste fürchten das Knistern der Plastikeinlage in den Betten, mit denen sich der Wirt vor etwaigen Spuren seiner Gäste zu schützen sucht.“
Heinrich Heine über Jan Fleischhauer
„Jan Fleischhauer oder: Mein Urschreitherapeut hat gesagt, laß es raus, Mann, laß es raus!“
Hans Wollschläger über Jan Fleischhauer
„Es ist ein Jammer, dass viele Bücher gegen Ende abfallen. Manche Bücher allerdings warten damit nicht bis gegen Ende: Unter Linken fängt bereits tief unten an, verharrt dort, und macht in der Folge seinem Titel alle Ehre, alle Ehre.“
Jorge Luis Borges über Jan Fleischhauer
„Es gibt diesen Jan Fleischhauer, welcher den Sockenhalter zum Kunstprinzip Prinzip erhob – und mehr braucht man von ihm nicht zu wissen.“
Alfred Döblin über Jan Fleischhauer
„Mit größerem Lärm ist wohl noch nie ein Verstand leisegetreten.“
Georg Christoph Lichtenberg über Jan Fleischhauer
„Wenn Sie zehn Minuten lang laut Jan Fleischhauer lesen, haben Sie entweder eine sehr leise Stimme, wohnen fernab menschlicher Siedlung, oder man hat Sie unterdessen zum Dorf hinaus geprügelt, und Sie haben es bloß nicht bemerkt.“
Francis Picabia über Jan Fleischhauer
„Immer wenn ich eine Schnecke eine Schleimspur legen sehe, dann denke ich, nicht schlecht für einen Invertebraten! Aber kein Vergleich mit uns Chordatieren. Sie sollten mal unseren Herrn Schleimhauer sehen, wie er durchs Feuilleton bricht. Wie war das noch? Chordatiere sind zum einen wir, die mit den Wirbeln, und dann die anderen, die zweiseitig unsymmetrischen, na!, symmetrischen. Bei denen man Mund und Anus nicht auseinanderhalten kann. Denen fehlte irgendwas. Der Kopf. Bzw. der Schädel. Darum weiß man auch nicht, wo vorne ist. Deswegen symmetrisch. Symmetrie ist die Ästhetik der dummen Kerls. Genau, und sie haben kein funktionierendes Gehirn, die dummen Kerls. Darum. Darum sind sie auch unsere nächsten Verwandten. Der Herr Schleifhauer zum Beispiel, der ist der nächste Verwandte des Wirbelmenschen. Ich nehme noch eine Scheurebe.“
Gottfried Benn zum Kellner des Weinhauses Wolf
„Die Erbärmlichkeit des deutschen „Kleinkunst“-Publikums, das ist in Wahrheit das Thema.“
Eckhard Henscheid über das deutsche „Kleinkunst“-Publikum

Angstkulturwandel

Dieselgate

Zwingend für dieses unethische Verhalten und für diese Trickserei und die Illegalität, die man dort gezeigt hat, ist einzig und allein die Angstkultur, […] ein Spezifikum von Volkswagen, und dieses Spezifikum hat man jetzt aufgehoben.
Ein gewisser Helmut Becker, ehemaliger Chefvolkswirt von irgendwo, im Deutschlandfunk

Dieses Spezifikum hat man jetzt aufgehoben, und zwar mit Karacho.

Dem Vernehmen nach ist der neue Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, Müller, dermaßen sauer auf die Scheiß-Angstkultur im Konzern, die denselben beinahe an den Rand des Ruins gebracht haben würde, wenn es denn so gekommen wäre, daß er dieselbe mit sofortiger Wirkung verboten hat. Seine Sekretärin hat die anderen Vorstände angewiesen, die Bereichsleiter anweisen zu lassen, den Abteilungsleitern mitteilen zu lassen, das sie umgehend ihre UAs davon in Kenntnis zu setzen hätten, daß auch noch dem hinterletzten Mitarbeiter ganz klar zu machen sei, daß, wer nach wie vor darauf bestehe, Schiß vor einem Vorgesetzten zu haben, sich gleich die Papiere abholen könne. Der Personalvorstand solle persönlich dafür sorgen, daß da nicht lange gefackelt werde, und daß nicht falsch verstandene Sentimentalität und Solidarität und Sozialgedöns verhinderten, die giftige Liane der Angst abzureißen und auszuroden und zum Werkstor hinauszuwerfen, so daß sich niemand mehr darin verheddern könne. Da dürfe man keine Angst haben, da müsse man furchtlos zupacken und die Furchtsamen und Timiden, die Angsthasen und Hasenfüße, die Abscheißer und Memmen, die Krummbuckel und Bangebüxen zusammenfalten, sie zusammenstauchen und -scheißen, daß ihnen das Steißwasser in der Kimme siede, so leid es ihm für die auch tue.

Beziehungsweise es tue ihm überhaupt nicht leid. In keiner Weise. Nie wieder dürfe die Angstkultur ihr häßliches Haupt im Konzern erheben, und wenn er ihr ein Rollkommando schicken müsse, da habe er überhaupt keine Scheu. Und danach solle sie mal versuchen, auch nur soviel wie ein verkrustetes Auge zu öffnen, es solle ihr nicht gelingen. Und wer das nicht einsehe oder nicht einsehen wolle und nicht spure und nicht an seinem Platz dafür sorge, daß alle die, für die er Verantwortung trage, ebenfalls spurten und Einsicht zeigten, der habe seine Zukunft im Konzern hinter sich! Der brauche sich nicht einzubilden, daß es für ihn noch so etwas wie Karriere geben könne. Der solle sich mal umdrehen: was er da um die Ecke verschwinden sehe, daß seien seine Chancen im Unternehmen gewesen. Da gingen sie hin! Und, wo er sich jetzt schon einmal umgedreht habe, solle er sich nur darauf gefaßt machen, daß er sich nicht zu wundern brauche, wenn er eine gewaltige Stiefelspitze im Hintern gewahr werde.

Um zu zeigen, wie ernst es ihm damit ist, den Kulturwandel im Hause voranzutreiben, und zwar mit der Reitgerte in der Hand vor sich her durchs Haus zu treiben, damit der Kulturwandel gar nicht erst auf die Idee kommt, sein alter Kumpel, der Schlendrian, und er, sie könnten über kurz oder lang die alte Fettlebe wieder aufnehmen, und zwar dort, wo sie sie hatten fallen lassen müssen, hat Müller in einer Email an alle sechshunderttausend Mitarbeiter darauf hingewiesen, daß es im Haus nicht gern gesehen werde, respektive gehört werde, wenn in der internen Kommunikation von Dieselgate gesprochen wird. Es sei zwar nicht explizit verboten, es zu tun, aber es werde nicht gern gesehen. Respektive gehört. Er hoffe, er brauche nicht mehr zu sagen.

Das Wort, das nicht genannt werden solle, sei ein Wort aus alter Kultur, alle Wörter mit -gate darin seien dies, sie legten nahe, daß Fehler gemacht worden seien, Fehler gemacht und Verbrechen begangen. Fehler und Verbrechen aber entsprängen der Angstkultur, die es nun nicht mehr gebe. Zwar dürften Fehler begangen werden, aber nur, wenn aus ihnen gelernt werde. Aus Fehlern nicht zu lernen, sei ein Fehler. Fehler um ihrer selbst willen zu feiern, sei ebenfalls ein Fehler, und zwar einer, den man nicht begehen sollte; und die Verwendung des Wortes, an dessen Stelle man besser das vom Vorstand bevorzugte Wörtchen Krise verwenden sollte, wenn man wisse, was gut für einen sei – wenn man verstehe, was er meine -, die Verwendung dieses Wörtchens sei so ein Fehler. Es sei leicht mißzuverstehen, das Wörtchen. So, als freute man sich anwenderseits an den Fehlern, zu denen es gekommen sei. Was aber ein Fehler wäre!

Und um zu vermeiden, daß dieser Fehler begangen werde, werde er sich sporadisch den Emailverkehr seiner Schutzbefohlenen vorlegen lassen, und gnade Gott demjenigen, der sich nicht an die neue Fehlerkultur halte! Wer nicht aus seinen Fehlern lernen wolle, dem werde man es eben auf die harte Tour klarmachen müssen, das es aber besser wäre, aus seinen Fehlern zu lernen, und zwar beizeiten!

Das sei schließlich die Kultur, die Volkswagen groß gemacht habe!

„Wir werden es nicht zulassen, daß uns Dieselgate lähmt“, rief Müller am Donnerstag in Wolfsburg. „Beziehungsweise Dieselgate.“

„Oder besser: diese Krise.“

„Wenn sie es trotzdem versuchen sollte, dann kann sie sich schon mal auf was gefaßt machen!“

Brand Bashing #27: #muellermilch

#ichtrinkdasnicht

Ein Etikettenschwindel wird gemeldet, ein dreister, der wohl dreisteste Etikettenschwindel seit den Kindergartentagen des Privatfernsehns, als in einer Sendung mit dem Tittel – pardon: Titel – ‚Tutti Frutti‘ nicht, wie jedermann angenommen hatte, Haribo Fruchtgummibonbons gezeigt wurden, sondern Damensleute, die ihre Klamotten auf den Fußboden warfen, was man nicht tut, wie mein Mütterlein mir beigebracht hat. Wenn ich beim Ausziehen meine Klamotten auf den Boden warf, Junge, dann hatte ich die Konsequenzen aber zu tragen! Was für Konsequenzen? Nun, ich mußte die Klamotten wieder aufheben und ordentlich auf den Stuhl neben meinem Bett legen. Auch eine etwas anämische magere blonde Dame mit Achtzigerjahrefußballerfrisur in der einzigen Sendung, die ich je gesehen habe, wenn ich mich recht erinnere, was ich aber nicht tue, denn wer sich der achtziger Jahre erinnert, sagt man, war nicht dabei; ich war aber dabei – wenn ich mich recht erinnere, stand diese Dame zum Schluß etwas betreten im Schlüpfer im Privatfernsehen herum und mußte die Konsequenzen tragen. Nämlich die Klamotten wieder aufsammeln und mit denselben auf dem Arm eiligen Trippelschritts und mit dem Gesicht jemandes, der sich wünscht, er hätte es sich besser überlegt, was er da tut, und zwar am besten bevor er es tat, in der Kulisse verschwinden, während der Straßenjunge oder Strolch oder Strauchdieb, oder Strizzi, der die Sendung moderierte, ihr übel hinterherredete –

– wie gesagt, Etikettenschwindel. Mogelpackung. Was ich sagen will: Es waren definitiv keine Haribo Fruchtgummibonbons.

Aber meiner Meinung nach war das Privatfernsehen als solches, eo ipso und für sich genommen bereits eine Mogelpackung. Was hatte da nicht alles drin sein sollen! Panem! Circenses! Gladiatorenkämpfe! Christenfressende Löwen! Give the people what they want! – Wenn aber das, was das Volk da kriegte, das war, was das Volk wollte, dann wäre das, was ich wollte: zusehen, wie mit dem Volk Schinkenklatschen gespielt würde. Das Volk, es kriegte die Augen verbunden und jeder, dem danach wäre, gäbe ihm eins aufs Hinterteil. Feste! Und dann müßte es raten, wer es gewesen wäre.

Nicht nur das Volk, übrigens, sofern es den Namen zurecht trägt. Sondern auch das Schwindelvolk: Jenes Untertanicht, das von sich selbst überzeugt zu sein glaubt, Volk zu sein, mit gleicher Atemluft aber den Zaren Putin nach Berlin zu zetern sucht – jawollja. Feste, gib ihm!

Aber nicht einmal das gibt es im Schwindelfernsehn.

Nun aber hat eine Schwindelfirma aus Aretsried im Fischachschen den Schwindel noch getoppt: Die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG bringt Plastikmüll auf den Markt, der mit nachlässig gekleideten Frauenspersonen und / oder Süßigkeiten bedruckt ist, so daß jeder glauben muß, in den Flaschen wären nachlässig gekleidete Frauenspersonen und / oder Schokolade. Tatsächlich ist aber in den Flaschen nichts anderes als eine ekle Plempe, die jedermann, der dem Kindergartenalter entwuchs, für den Rest seines Lebens meidet: Milch. Schlimmer noch: Müller Milch.

Man hat die Molkerei, die Teil eines internationalen Schwindelunternehmens mit Sitz in Luxemburg ist – na bitte! Ich meine, was soll aus Luxemburg denn anderes kommen als Schwindel? Wer sich in Luxemburg niederläßt, weiß, was er will: Steuern hinterziehen will er, und er kriegt, was er will – Luxemburg: Was ist Luxemburg schließlich anderes als ein Schwindel, eine Mogelnation? Eine als Zwergstaat getarnte Briefkastenfirma? – man hat also diese Molkerei wegen Sexismus und Rassismus attackiert, etwas ungeschickt, in meinen Augen, denn das erlaubte der Firma, sofort zurückzukeilen und zu sagen, es gebe Schlimmeres. Es gebe schlimmeren Sexismus als den ihren, sagt sie, zum Beispiel den Pirelli-Kalender, wobei sie aber unterschlägt, daß es sich auch beim Pirelli-Kalender um eine üble Mogelpackung handelt, die behauptet, unangezogene Frauen zu enthalten, die sich ausgerechnet an den kahlen Wänden zugiger, öliger, nach Werkzeug riechender Hinterhofschraubereien wohlfühlen – tatsächlich aber ist innen drinne nichts anderes als Zeit: öde, langweilige Tage. 365 Stück, manchmal 366, aber immer bloß Zeit, die es übrigens umsonst gibt. Niemand würde sie kaufen, weswegen Pirelli ja auch Frauen draufdruckt, denn für Frauen – das weiß Pirelli, das weiß die Alois Müller GmbH & Co. KG – sind die Leute bereit, Geld zu bezahlen.

Ich sag’s ja: Mogelpackung. Aber so übel die Mogelei im Fall des Pirelli-Kalenders auch sein mag, so öde und langweilig einzelne Tage das Kalenders auch sein mögen – und es waren üble Tage dabei: wer erinnerte sich nicht mit Grauen des Tages, an dem er zum erstenmal Reklame für Müller Milch in die Ohren gestopft kriegte, und sie mit Q-Tipps, verbogenen Büroklammern, Kugelschreiberminen u.ä. zu entfernen versuchte, sie dabei aber immer noch weiter Richtung Trommelfell trieb – ich für mein Teil nehme Pirelli diesen Tag und das beidseitige chronische Gehörgangsekzem noch heute übel, weswegen ich mich beim Kauf von Winterreifen immer versichere, daß es auch keine Pirelli-Reifen sind, die man mir da auf die Felgen zieht -, eins jedoch muß man dem Pirelli-Kalender immerhin zugute halten: Es ist keine Müller Milch drin.

Und wer mir jetzt entgegen halten wollte, daß es sich bei der Plörre in den Plastikpullen auch nicht um Milch handelte, sondern um Milkshakes, also geschüttelte, gezuckerte, aromatisierte oder sonstwie verdorbene Milch, der lasse sich seinerseits folgendes entgegnen:

A) Milkshake ist sowieso schon Mogelei, denn Milkshake behaupt, Banane zu sein, ist aber Milch. Ich weiß das, seit ich als Jüngling, äußerlich dem Kindergarten entwachsen, innerlich aber noch lange nicht, Schwimmbekleidung tragend mit einem Schwimmbekleidung tragenden Mädel, das der Meinung war, Hallenbäder seien genau zu diesem Zweck erbaut und mein Taschengeld mir zu genau diesem Zweck ausgefolgt worden, hinter der Scheibe saß, durch die man auf die Schwimmenden hinabschauen konnte, und Bananenshake trank. Er schmeckte, der Shake, nach künstlichem Bananenaroma, war aber Milch. Ich schmeckte das, denn mein zum Manne reifender Organismus vertrug die Plempe schon nicht mehr. Seither assoziiere ich Mädchenkörper in zweiteiligen Schwimmanzügen mit dem faden, pelzigen Geschmack von Bananenshakes, den dünnen Schweißfäden, die, ihren Ausgang in den Achselhöhlen nehmend, rechts und links der Brust zu Tal rannen und sich weder von der überheizten Milchbar-Luft, der sie sich vielleicht überhaupt erst verdankten, noch den in der Panik drohender Entdeckung an den mageren Jungenkörper gepreßten Oberarmen stoppen ließen, sowie Mother’s Little Helper von den Rolling Stones. Wie die da reinkommen, ist mir völlig unklar. Vielleicht liefen sie damals in der Jukebox, aber wenn, dann war es nicht meine Schuld. Nach einer Mark sechzig Investition in den Versuch, das Mädchem dem Klassenkameraden gewogen zu stimmen, war ich der Mittel für die Jukebox bar. Ja, wenn es noch A Whiter Shade of Pale gewesen wäre, da kommt ja immerhin ein Müller drin vor, aber eine Jukebox, bei der ich schon einmal die Kombination für Mother’s Little Helper gedrückt hätte, muß die Erde bis heute entbehren. Trotzdem assoziiere ich sie – mach einer was!

Und B) habe ich nicht behauptet, in den Müllflaschen sei Milch, sondern Müller Milch. Wenn da kein Unterschied wäre, warum ritte der Hersteller dann so darauf herum, daß es sich bei seinem Gesöff um Müller Milch handelt, und nicht um etwas, was man bei der Molkerei um die Ecke in gleicher Garstigkeit bekommt? Eben drum? – Mag sein. Aber ich habe nicht vor, ihn damit durchkommen zu lassen.

Ist nicht recht eigentlich der Name Müller für einen Molkereibesitzer schon Etikettenschwindel? Molkereibesitzer können von mir aus Meier heißen, aber nicht Müller. Das ist Irreführung. Ein Müller soll Korn zu Mehl vermahlen, und dabei den Bauern übers Ohr hauen. Das Geschäftsmodell des Müllers sieht vor, das Korn, das der Bauer ihm bringt, zu mahlen, und sich bezahlt zu machen, indem er einen zu vereinbarenden Teil des Mehls und der Kleie für sich behält. Die Geschäftspraxis hingegen sieht es vor, das Mehl zu behalten und die Kleie zurückzugeben. Oder: Mehr Mehl zu behalten, als abgemacht. Oder: Gips unter das Mehl zu mischen. Die ganze Unehrlichkeit des Müllerhandwerks erhellt aus dem Volkslied „The Miller’s Will“, in welchem ein Müller, der nicht sterben kann, ehe er gewiß ist, daß seine Söhne das Geschäft fortführen, wie solch ein Geschäft nun mal geführt werden muß, seine Söhne ans Sterbebett ruft, und sie fragt, wieviel von dem Korn, daß der Bauer ihnen bringt, sie für sich behalten würden. Der erste Sohn, Bill („Gill“), erklärt, aus jedem Bushel ein Gill für sich zu behalten, was in etwa drei Promille entspricht. Folgerichtig erklärt der Vater seinen Erstgeborenen für komplett Banane. Das ist ja oft so, bei Erstgeborenen; als Zweitgeborener kenne ich mich da aus. Der zweite Bruder – Ralph („Half“) – erklärt, immerhin die Hälfte für sich behalten zu wollen – was ich für den lebenspraktischen Entwurf und einen fairen Kompromiß zwischen den Interessen des Bauern und den Interessen des Müllers halte, aber natürlich setzt sich der jüngste Sohn Paul („All“) und damit der Extremismus durch, und der Müller klappt begeistert die Zehennägel nach oben und stirbt in Frieden. Das ist zwar keine nachhaltige Geschäftspolitik, die Sohn Paul da propagiert, aber es zeigt sehr schön, wes Geistes Kind dieser Müller ist, oder vielmehr diese Müller sind. Ich habe auch dazu Kenntnisse aus erster Hand, entstamme ich doch in direkter Linie einer Müllersfamilie. Allerdings hatte der letzte Vorfahr dieser Sorte den Anstand, die Mühle zu versaufen, so daß die Familie mählich wieder ehrlich werden konnte. Des Säufers Söhne waren noch voller Scham nach Amerika ausgewandert und hatten dort die Volksliedkultur mit Schmähgesängen über das Müllerhandwerk bereichert.

Das aber läßt die Molkerei Alois Müller GmbH & Co. KG nicht gelten: Es gebe Schlimmeres. Schlimmeres als Müller, Schneider zum Beispiel, die mit falscher Elle Maß nähmen, mit heißer Nadel nähten und die Goldstücke, die der Kunde brachte, in die Privatschatulle legten und statt dessen Messingknöpfe ans Wams nähten, weswegen sie dann zur Strafe auf einem Ziegenbock reiten müßten. Müller würden bekanntlich immerhin auf Eseln reiten. – Zugegeben, diese Welt ist auf dem Prinzip errichtet, daß es immer noch was Schlimmeres gibt, als das, was es gibt, aber das heißt ja nicht, daß das, was es gibt, nicht schlimm genug wäre. Ich habe mich immer gewundert, daß während der Mediendebatte im Vorfeld der Bundestagsabstimmung darüber, ob man siechen Menschen ein Sterben in Würde erlauben soll, oder ob es gute Ausreden gibt, es ihnen vorzuenthalten, niemals das Argument der Milchsuppe aufkam, beziehungsweise das hat mich natürlich überhaupt nicht gewundert. Eine Gesellschaft, die seit den Römischen Verträgen ihre nicht geringe politische Macht auf Agrarsubventionen, Milchseen und Butterbergen errichtet hat, die seit jeher die Absatzstabilisierung bei Molkereiprodukten über die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder stellt (Schulmilchprogramm) und mit sexistischen Werbeslogans („Milch macht müde Männer munter“) sogar die natürliche Abscheu des Mannes vor dem elenden Geplörre zu brechen sucht, die wird natürlich in Zeiten ausbleibender Nachfrage auf den südostasiatischen Märkten nicht auf die Möglichkeit verzichten, die Überproduktion wenigstens zum Teil in den Mägen wehrloser Alter zu verklappen. Natülich gibt es ein Schicksal schlimmer als der unvermeidliche Tod, und das ist, vor dem Tod noch mit Milchsuppe gedemütigt worden zu sein. Schlimmer noch: mit Müller Milch Suppe.

Und, ja, vielleicht gibt es ja sogar noch viel, viel Schlimmeres. Die Plastikflaschen zum Beispiel, in denen die Molkerei ihren Schlabberjucks vertreibt. Oder die Twitteraner, die sich über diese Pullen nicht wieder einkriegen wollen.

Aber das heißt ja nicht, daß es nicht schlimm genug wäre.

Playboy will keine Nacktbilder mehr zeigen

Ist das jetzt endlich der Untergang des Abendlandes, den man uns schon so oft versprochen hat?

Oder ist das auch wieder nur Silikon?