an die Pestbolzen für die Infantilisierung des Abendlandes
unter dem Galgen, Dresden
Sagt mal, Pestis,
wenn ihr Siegmar (Gabriel) mit „ie“ schreibt, wie schreib ihr denn dann „Sig Heil“?
(Sic?)
Apropos Abendland:
an die Pestbolzen für die Infantilisierung des Abendlandes
unter dem Galgen, Dresden
Sagt mal, Pestis,
wenn ihr Siegmar (Gabriel) mit „ie“ schreibt, wie schreib ihr denn dann „Sig Heil“?
(Sic?)
Während die Zahl der Deutschen zunimmt, die an die Existenz von außerirdischen, intelligenten, aufgeschlossenen, empathiefähigen, kontaktstarken, kommunikationswilligen Wesen glauben, die die Bereitschaft mitbringen, aktiv zuzuhören und auf den Gesprächspartner einzugehen, Wesen, wie sie von irdischen Frauen geschätzt werden, weil diese mit denen gerne und stundenlang über die Defizite der irdischen Männer sprechen können, was sie zwar auch mit ihren Freundinnen tun könnten – aber das ist nicht dasselbe, weil bei der Freundin immer der Aspekt der Konkurrenz mit von der Partie ist -, Wesen allerdings, die es sich bislang nicht angelegen sein ließen, etwa mal vorbeizuschauen oder anzurufen, was man, wenn man sich das eben Gesagte gründlich durch den Kopf gehen läßt, ja auch gut verstehen kann, denn Frauen, die ihnen ein Ohr abkauen, indem sie über ihre Liebhaber ablästern, ihre Gesprächspartner dabei aber als in Sachen Liebhaben und was damit zusammenhängt auf der Skala potentieller Infragekommer unterhalb der Wahrnehmungsschwelle angesiedelt betrachten, als geschlechtliche Neutra, als Wesen vom anderen Stern, sozusagen, solche Frauen haben die Außerirdischen vermutlich auch zuhause, und anstatt sich einen fruchtlosen Abend mit einer Irdischen um die Ohren zu hauen, gehen sie lieber in ein außerirdisches Kino oder lesen ein gutes außerirdisches Buch – während also die Zahl der Deutschen, die an solche Außerirdischen glauben – Männer übrigens mehr als Frauen, interessanterweise: sollte da etwa der Aspekt der Konkurrenz mit von der Partie sein? – während der Glaube an die Außerirdischen unter Deutschen also zunimmt, nimmt die Zahl der Außerirdischen, die (noch) an Deutschland glauben, stark ab.
„Ich glaube nicht,“ läßt sich einer, der nicht genannt sein will, vernehmen, „daß ich noch einmal ein Auto aus Deutschland kaufen werde. Ich hatte eigentlich gedacht, ich würde mir mal einen Diesel kaufen, trotz des höheren Anschaffungspreises. Mein Opa fuhr früher einen 200 D, jahrelang, weil der Diesel für Bauern ja weniger Steuern kostete, und außerdem nahm er Heizöl, das war noch billiger. Entsprechend stank der Wagen, und lahm war er außerdem. Deswegen wollte ich nie einen Diesel haben. Aber dann wurden die Motoren ja angeblich immer besser, nach allem, was man hört.“
„Aber nach allem, was man jetzt hört, werde ich jetzt ganz bestimmt keinen Diesel mehr kaufen.“
„Jedenfalls nicht aus Deutschland.“
Kann ja sein, daß es sie gibt, und daß sie bloß zu weit weg sind, um Kontakt mit uns aufzunehmen.
Aber sie könnten doch wenigstens mittwittern.
Wenn ich dermaleinst gefragt werden werde, ob mich mein Leben gereue, oder vielmehr das, was ich daraus gemacht habe, und ich daraufhin betreten nicken werde, und auf die Nachfrage, ob ich denn wenigstens gemacht hätte, was ich wollte -? noch ein wenig betretener dreinschauen und ein Kopfschütteln andeuten – was wird dann sein? Wird man mich einen Blödmann heißen? Werde ich mich in die Ecke stellen müssen?
Ich werde keine Entschuldigung haben, außer dem lahmen: „Es war mir dies nicht gegeben. Das habe ich nie hingekriegt.“
„Da konnt‘ ich machen, was ich wollte.“
Es sei zwar verständlich, wenn die Bundeskanzlerin in diesen Tagen Optimismus verbreite, schreibt der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU, Linnemann, in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“. Aber „verständlich“ sei nicht immer gut. In der Wirtschaft und insbesondere im Mittelstand zeige sich immer wieder, daß „unverständlich“ sehr viel besser sei. Wenn z.B. das Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge im Volke weiter verbreitet und verankert wäre, wenn jeder Eckensteher tiefe Einsicht in das Funktionieren von Wirtschaft und Kapital, von Abgreife und Ausbeutung hätte, dann wäre die Gefahr groß, daß die Wirtschaft und daß der Mittelstand an keiner Ecke mehr vorbeigehen könnten, ohne sich ein paar riesengroße Watschn einzufangen.
Und die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU, und der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU, die könnten auch an keiner Ecke mehr vorbeigehen, ohne sich ein paar riesengroße Watschn einzufangen. Das sei doch nicht gut.
Darum wolle er hier und heute im Handelsblatt sein Unverständnis über die Kanzlerin und ihren Optimismus zu Protokoll und Druck geben. Die unbequeme Wahrheit – „unbequem“ sei nämlich ebenfalls besser als „bequem“, alte Wirtschaftsweisenweisheit -, die unbequeme Wahrheit nämlich laute: das sei doch Scheiße, das mit den Flüchtlingen! Hätte nicht der deutsche Mittelstand bis in alle Ewigkeit weiterhin Waffen in den nahen Osten pumpen können und sich damit brunzdumm, stockdoof und durch und durch dusselig verdienen können, ohne daß die Idioten dort diese Waffen ihrer Bestimmung zuführten? Und hätte die deutsche Wirtschaft nicht weiterhin Steuerungsanlagen, Pumpen, Kontrollventile, Gas-Detektoren, Chemiewaschanlagen und Schwefelsäure nach Syrien liefern können, ohne daß die durch in den damit gebauten Chemiefabriken hergestelltes Gas bedrängte und damit bedrohte Bevölkerung sich erst in die Hosen und dann auf den Weg nach Deutschland mache, um dort in Mittelstand und Anlagenbau gute Jobs im Exportweltmeistergeschäft abzugreifen?
Nein?
Warum denn nicht?
Unverständlich, das!
Die unbequeme Wahrheit nämlich laute, daß sich nur ein kleiner Prozentsatz der Flüchtlinge auf diese Weise in den Arbeitsmarkt werde integrieren und der Verwertbarkeit zuführen lassen. Die – Zitat – „überragende Mehrheit“ werde sich sehr lange bis dauerhaft der Verwertbarkeit durch Mittelstand und Wirtschaft entziehen, durch kreative Krankmeldungen (sog. Kriegstraumata), Vernachlässigung der körperlichen Leistungsfähigkeit (Einbeinigkeit, Splitter im Rücken, eingeschränkte Sehfähigkeit), Medikamentenmißbrauch (PTSD), mangelnder Wille zu Konzentration und Selbstdisziplin (PTBS), kulturelle Defizite (Erstsprache Arabisch), Integrationsunfähigkeit (Ausländer) und soziale Hängematte.
Schreibt der CDU-Politiker. Noch nie, noch nie habe Optimismus irgendetwas zur Lösung irgendwelcher Probleme beigetragen. Noch nie. Nicht in Deutschland. Nicht wenn die Mittelstandsvereinigung der Union davon Wind gekriegt und das Schlimmste verhütet habe. Immer habe Deutschland vor den allerschwersten Problemen gestanden und in die abgrundtiefsten Abgründe geschaut und sich der schwärzesten Depression hingegeben. Jedenfalls wenn es Wind davon gekriegt habe, daß die Mittelstandsvereinigung der Union in der Nähe war. Immer sei es dann der Pessimismus gewesen, der ihm aus der dicksten Plempe wieder herausgeholfen habe.
Soweit die unbequeme Wahrheit.
Die bequeme Wahrheit lautet allerdings: die Mittelstandsvereinigung der Union ist ein kleiner Säuselwind, der überall dort, wo der Sturmwind des Normativ-Faktischen die Wohnwagen in die Luft reißt, Eichenstämme abdreht, keinen Stein auf dem anderen läßt und keinen Bretterverhau anerkennt, affirmativ mit dem Fingerchen auf die sich blähenden Vorhänge des offenen Fensters zeigt.
Fast ist ihm dann so, als sei dies sein Werk gewesen.
Auch die Reederei Scandlines, die die Fähren zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødbyhavn betreibt, will den Tunnel verhindern. Das Scandlines-Management hält ihn für wirtschaftlich sinnlos, fürchtet aber letztlich um sein eigenes Geschäft am Fehmarnbelt.
Um ihr Geschäft, muß es heißen, denn es ist das Geschäft der Reederei, am Fehmarnbelt Geschäfte zu machen, das Geschäft des Managements ist es, sich Sorgen um die Geschäfte der Reederei zu machen, das Geschäft der Zeitung ist es, darüber zu berichten und unser Geschäft ist es, mit dem Finger auf die Zeitung zu zeigen und dann zu sagen: Egal, ist ja bloß Zeitung.
Egal. Ist ja bloß die WELT.
Auch wir halten die Untertunnelung des Fehmarnbelts für einen Riesenblödsinn, und wenn uns das Scandlines-Management für unsere Überfahrten nach Lolland in Zukunft 5% Solidaritätsrabatt gewährt, sind wir auch gerne bereit, sie außerdem für wirtschaftlich sinnlos zu halten. Was sie ja vermutlich auch ist.
Weswegen man sie unbedingt angehen sollte. Ist doch egal, ist doch bloß Geld. Soll man etwa am Mammon kleben?
Soll man nicht. – Bitte, die Voraussetzungen könnten besser nicht sein: Schon verschiebt sich der „ursprünglich“ geplante Fertigstellungstermin des Tunnels von „ursprünglich“ 2021 über 2024 auf aktuell noch später, um später dann auf noch viel später verschoben zu werden, und die Schätzungen der Fertigstellung der Anbindung auf deutscher Seite – Aus-/Neubau der Bahnverbindung und Neubau der Fehmarnsundbrücke – befinden sich noch im Stadium der Ursprünglichkeit. Das heißt, sie haben sich noch nicht einmal verpuppt. Im Moment verpuppt sich erst gerade einmal der Termin für den Planfeststellungsbeschluß. „Ursprünglich“ war der mal für 2016 vorgesehen.
Aber egal. – „Ursprünglich“ ist ein Begriff aus der Baubetriebslehre (BBL), der Baubetriebswirtschaft (BBW) und der Baubetriebswirtschaftslehre (BBWL). Er wird auch gerne in der Bauplanung (BPL) eingesetzt. Bedeuten tut er: Nichts. Der „ursprünglich“ geplante Fertigstellungstermin eines Bauwerks hat mit dem tatsächlichen Fertigstellungstermin soviel zu tun, wie das Ei mit dem Vollinsekt, wie der Engerling mit dem ausgewachsenen Schuster, den man den Hühnern vorwirft. Wenn sie Glück haben, leben beide im selben Jahrhundert.
Egal. – Ähnlich ist es mit den Kosten. Noch nie ist ein Bauwerk zu den „ursprünglich“ geplanten Kosten fertiggestellt worden. Bauwerke werden immer nur zu den tatsächlichen Kosten fertiggestellt, wenn sie fertiggestellt werden. Das kann auch gar nicht anders sein, denn in dem Moment der Fertigstellung werden aus den geplanten Kosten automatisch die tatsächlichen Kosten. So wie beim Engerling: kommt der aus der Erde gekrabbelt, ist er bereits Maikäfer. Von denen gilt: Sie haben nur insofern mit den geplanten zu tun, als sie höher sein sollten. Also, von den Kosten gilt das, von den Käfern gilt das natürlich nicht. Die Käfer waren nur ein Beispiel. Höher = Komparativ. Bei den Vergleichsformen braucht man immer einen Maßstab: „Höher als was?“ So, wie man einen Geologenhammer mit ins Bild legt, damit man eine Idee davon hat, wie mächtig die photografierte Bodenschicht ist, so gibt man bei den tatsächlichen Kosten die „ursprünglich“ geplanten Kosten mit an. Sie sollten nicht zu hoch veranschlagt werden, damit sie nicht aus Versehen höher sind als die tatsächlichen; ansonsten aber kann man sie nach Gutdünken ansetzen. So wie es dem Geologen ja auch freisteht, nach Gutdünken etwa eine Streichholschachtel oder einen Maikäfer mit ins Bild zu legen, oder sonst etwas in angemessener Größe. Seinen Pürckhauer oder seinen alten Käfer oder wird er schon ganz von selbst nicht nehmen.
Wie auch immer. – Vor den Planfeststellungsbeschluß aber haben die Götter das Planfeststellungsverfahren gesetzt. Der Schleswig-Holsteinische Verkehrsminister hat erst kürzlich seinem dänischen Kollegen, dem dänischen Verkehrsminister, versichert, daß es Klagen gegen das Vorhaben geben werde. Die Wahrscheinlichkeit solcher Klagen liege bei 100%. Eine Wahrscheinlichkeit von 100% nennt man auch: Sicherheit. Da war der dänische Kollege sicher beruhigt. Trotzdem ist das ein bißchen unscharf: Die Wahrscheinlichkeit von was denn? Von einer Klage oder mehreren Klagen?
Die Wahrscheinlichkeit, daß unbegrenzt viele Klagen gegen das Projekt eingereicht werden, dürfte nämlich gering sein. sagen wir mal: Null Prozent. Es werden begrenzt viele Klagen sein. Tropfen am Eimer zum Beispiel wird keine Klage gegen die Versenkung sovieler schöner dänischer Kronen erheben. I wo werden wir denn? Zwar begrüßen wir jede Klage gegen das Projekt, dieweil sie hoffentlich zu Verzögerungen führen wird, aber wir wollen das Projekt ja auch nicht verhindern. Ohne Projekt keine Klagen, ohne Klagen keine weitere Verzögerung. Ohne Verzögerung keine Versenkung weiterer Kronen. Immer runter damit!
Und immer runter mit den Tunnelelementen! Drunten nämlich schläft bis zur Stunde ein Ungeheuer tief auf dem Grunde. Jedenfalls wollen wir das hoffen. Die Schwanzflosse spielt bei Puttgardens Sand, das Haupt ruht dicht bei Rødbyhavn Strand. Ob es erfreut sein wird, wenn man ihm betonene Tunnelelemente auf den Hals schmeißt? Hoffentlich nicht. In Rødbyhavns Gewerbegebiet soll das Betonwerk stehen, in welchem ein gutes Stück Lolland zu Beton verarbeitet und dann in den Sund geworfen werden soll. Jedoch: sollte man wirklich Lolland dafür nehmen? Könnte nicht Deutschland sein Teil dazu beitragen? Wir würden die infrage kommenden Gebäudlichkeiten schon benennen. Man könnte sie schreddern, so wie sie neulich in Käsdorf ein Stück stillgelegtes Gewerbegebiet geschreddert und zu Betonzuschlagsstoff gemacht haben, in abgestufter Korngröße. Man könnte diesen mit dem Güterzug nach Puttgarden bringen und mit Scandlines nach Rødbyhavn. Dann hätte das Management wenigstens Grund, von wirtschaftlicher Sinnlosigkeit zu reden.
Würde sich das dann aber wohl verkneifen, möchten wir meinen. So macht man das. Wenn man den Gegner nicht schlagen kann, muß man ihn einbinden. Ihm was Sinnvolles zu tun geben. Wer wird da so beckmesserisch nachfragen, ob das denn wirtschaftlich sinnvoll sei? – Nicht das Scandlines-Management.
Und wir auch nicht. Wichtig ist doch, daß der zusätzliche Bahnverkehr durch die ostholsteinischen Feriengebiete die Leute auf die Kübelpalmen treiben wird. Es wird zu Klagen kommen. Zu Verzögerungen. Jaa. – Die Fehmarnsundbrücke wird man auch nicht abreißen können, solange die Züge rollen. Eine Win-Win-Win-Situation. Von 2024 war die Rede für die Bahntrasse und von 2029 für die Brücke. „Ursprünglich“. Das wird nicht das letzte Wort bleiben. Das sieht auch der dänische Kronprinz Jochen so, der hoffentlich noch rechtzeitig darauf hingewiesen hat, daß, wenn – und falls – es 2024 olympische Spiele in Hamburg geben sollte, der Tunnel auf keinen Fall fertig sein sollte, weil der sonst von Dänen dazu benutzt würde, nach Hamburg zu kommen. Niemand kann das wollen. Selbst wir, die wir niemals nach Hamburg kommen, und, wenn dort olympische Spiele wären, schon gleich doppelt nicht kommen würden, selbst wir würden das nicht wollen.
Aber egal. – Wenn im Jahr 2069 Jochens Enkel den frisch fertig gestellten Tunnel eingeweiht haben werden, werden die Dänen sowieso als erstes die Zugänge in Nord und Süd mit Stacheldraht verstopfen, um zu verhindern, das Flüchtlinge ins Land kommen.
Wieso? Ist das denn nötig?
Schade, verlesen.
Das war an dem Tag, an dem ich mich endlich entschlossen hatte, abends, wenn ich nach Hause kommen würde, mich auch endlich einmal neu zu erfinden. Bis dahin nämlich hatte ich mich immer geweigert. Einerseits sowieso, weil ich schon aus Prinzip nicht tue, was man mir nahelegt, oder etwa esse, was mir der Kellner empfiehlt, und andererseits deswegen, weil ich einen Widerwillen gegen die Redensunart „sich selbst neu erfinden“ habe. Vielleicht sollte ich besser sagen: Die Redensunart „sich selbst neu erfinden“ ist eine eklige solche. Daß ich einen Widerwillen gegen sie habe, ist zwar objektive Wahrheit, aber man könnte es mir als Ich-Botschaft auslegen – was ich zu vermeiden wünsche. So kann man an der evangelischen Akademie von Hintertutzing reden, aber nicht in einem um seinen Ruf bekümmerten Blog. Das klingt mir viel zu sehr nach Therapeuthensprech. Ich jedenfalls erlebe solchen Softie-Quatsch immer wieder als wenig hilfreich. Will sagen: Als von Würgereflexen begleitet.
Woran sich mal wieder zeigt, wie wenig hilfreich die Sprachfigur vom geringen Hilfreichtum ist: Würgereflexe mögen nicht sehr angenehm sein, aber sie sind häufig genug hilfreich. Erst heute morgen fand ich einen Socken wieder, den ich noch gar nicht vermißt hatte. Als nämlich Lena ihn mir vor die Füße würgte. Dem Aussehen nach war er längere Zeit in ihr gewesen. Wie leicht kann sowas zum Darmverschluß führen! Nun, 15-plus-tausend Jahre Haushunddomestizierung werden den Hundemagen schon gelehrt haben, mit solchen Fremdkörpern fertig zu werden. Wie ja auch unsere Sprache mit allen möglichen Fremdkörpern fertig wird. Beweis: Der Haushund, zum ersten. Er wäre nicht, wäre er bereits vor 15-plus-tausend Jahren am allerersten verschlungenen Socken verreckt. Wir wüßten gar nichts von ihm. Wir hätten ein paar Skelette von einem ausgestorbenen Verwandten des Wolfs, der sich von Socken ernährt zu haben scheint, wie ein paar ebenfalls gefundene Koprolithen nahelegen würden.
Was mit Menschen
Beweis zum anderen: Die Sprache. Sie schnappt nach allem, was man ihr hinhält, und verdaut’s. Das unsägliche 15-plus zum Beispiel, das den etwas weniger doofen Ausdruck 15 + x ersetzt hat, der noch angehen mochte, weil er immerhin aus der Algebra geklaut ist, allwo er seinen Sinn hatte; wobei man es aber verabsäumt hat, die rechte Seite mitzuklauen, die der Gleichung jetzt natürlich fehlt. Aber was will man machen? Man müßte für die Angabe des Haushundalters auf Ungleichungen zurückgreifen: 15 <= x <= 100 (in Tsd.); das versteht doch keine Socke. Die meisten jedenfalls nicht. Na, sagen wir: viele. Manche. Manche laufen schreiend davon, wenn sie das Wort Algebra nur hören. Erst neulich war ich bei einer Familie zu Gast, in der sie alle, wie sie um die Tafel herumsaßen, das Kommutativgesetz nicht mehr kannten. Sie kannten nicht einmal das Wort, geschweige denn die Fabel von den neun dummen Haushundvorfahren, die nicht wissen, wie sie 10 Socken untereinander aufteilen sollen. Lauter Sozialdemokraten. Sie verwechselten es mit dem Assoziativgesetz, das sie immerhin dem Namen nach noch kannten, mit der Begründung: Ja-a, da war mal was. Assoziativ kann man sich anscheinend besser merken als kommutativ. Es ist assoziativer.
Übrigens will ich nicht behaupten, daß es an der Parteizugehörigkeit liegt. Es ist bloß so, daß sie alle, die da saßen, Sozialdemokraten waren. Zum Teil wohl auch noch sind, denn es ist noch nicht lange her. Bei uns in der Familie sind alle Sozialdemokraten, bis auf Onkel Hans und mich. Onkel Hans kam aus Aurich und war in der CDU, ein Unding, das! Seit der Besiedlung im Jungpaläolithikum, als steinzeitliche Jäger mit ihren Deutsch-Drahthaaren und Münsterländern in den Wahlkreis Aurich-Emden einwanderten, gehört derselbe der SPD. Da ist man nicht in der CDU! Hah, mangels eines geeigneten Direktkandidaten mußte die CDU dort sogar einmal den FDP-Kandidaten unterstützen, die Brüder gibt es nämlich überall in ausreichender Menge. Einer von uns aber, der nicht von Geburt an in der SPD gewesen wäre, würde durch das schlechte Beispiel Onkel Hansens sehr bald hineingetrieben worden sein. Bis auf mich. So ein schwarzes Schaf nimmt man sich natürlich gern zum Vorbild, wenn man ich ist, und wenn man Minderheiten zugetan ist, und wenn man schon aus Prinzip nicht tut, was man soll. Allerdings ruht meine Mitgliedschaft in der CDU, jedenfalls verübergehend. Auf Wunsch derselben und gegen den meinigen. Ich würde schon gern weiter dabei mithelfen, die Welt noch etwas christlicher, noch etwas demokratischer und noch etwas unierter zu machen. Oder sagen wir mal wenigstens Käsdorf. Die CDU Niedersachsens aber scheint sich schwer zu tun mit Verwandten von Onkel Hans, der seinerzeit über deren Landesliste in den Bundestag rückte, vier Jahre lang nicht weiter auffiel, wieder abrückte und nie wieder gesehen ward. Was mag da vorgefallen sein? Was hat er angestellt? – Daß er das Kommutativgesetz nicht gekannt und ständig mit dem Distributivgesetz verwechselt hat, kann doch kein Grund sein, mir die kalte Schulter zu zeigen.
Selbst die Tochter von neulich, die das Zeugs aus der Schule mit nach Hause gebracht und gesagt gekriegt hatte, sie möge bei Tisch solcher Wörter bitte entraten, war schon Sozialdemokratin. Oder wird es eines Tages werden. Sie freute sich sichtlich auf den Tag, an dem sie den Krempel offiziell wieder vergessen darf (Abitur). Danach will sie zwei Jahre nach London. Oder Johannesburg, ich höre da nie so genau hin. Etwas mit Menschen machen. Oder mit Medien. Jedenfalls nichts mit Brille, Dutt und Klemmbrett. (Sie machte vor, wie sie sich mit Brille, Dutt und Klemmbrett machen würde, und zwar ohne Brille, Dutt und Klemmbrett, nur mit Mimik. Sie machte das sehr gut. Selbst das Stöckeln machte sie überzeugend, mit ihren bloßen Füßen. – Sie sollte was draus machen. Von mir aus auch „mit Menschen“.)
Was gegen Menschen
Ich persönlich habe immer was gegen Menschen machen wollen. Allerdings ist das nicht der Grund, warum ich in der CDU bin, bitte mich nicht mißverstehen zu wollen. Ich würde auf jeden Fall was gegen Menschen machen wollen, auch wenn ich in der SPD wäre. Jedenfalls gegen Menschen, die von „sich selbst neu erfinden“ reden. Erfinden tut man Dinge, nicht Leute. Zwar fragt man zurecht, wer „sich den bloß ausgedacht“ habe, wenn man es mit jemandem zu tun hat, bei dem man sich das in der Tat fragt, aber es bleibt immer bei der Frage, beantwortet wird sie nie. So oft sie sich auch stellt, die Frage. Zum Beispiel angesichts des Typen, der mir einmal erzählen wollte, der Erfinder des Neunnadeldruckers sei für ihn ein großer Mann. Meiner Meinung nach gehört der Erfinder des Neunnadeldruckers gehängt; es gibt genug Elend auf der Welt. Da braucht man nicht auch noch diesen Lärmdrescher. Man hänge ihn irgendwo unfern des Erfinders der Dampframme, von dem ich annehme, daß er irgendwo hängt. Denn es muß der Lärm zwar in die Welt kommen, aber wehe dem, durch den er kommt! Wobei ich der Dampframme selbst meinen Respekt nicht versage, hat sie doch für viele schöne und sehenswerte Spundwände gesorgt. Und für viele schöne und kontemplative Stunden meines Knabenlebens. Hoch soll sie leben!
Wer hat sie sich nur ausgedacht? „Sicher ein Engel oder sonst eine trübe Nuß,“ sagte Robert Walser einst, bezüglich der Sehnsucht allerdings, weniger bezüglich der Dampframme, obwohl er das wahrscheinlich fertig gekriegt haben würde. Vielleicht hat er es auch. Vielleicht sind ihm auf seinen Spaziergängen aber auch weniger Dampframmen begegnet als mir in meiner Jugend. Vielleicht bedurfte es in der Schweiz weniger Spundwände als im ostfriesischen Schlick, obwohl ich das nicht glauben mag. Man vertut sich da. Man denkt: Die Schweiz, das ist doch das Land der eleganten Eisenbahnviadukte und gewagten Straßenbrücken, aber die Niederlande haben weitaus mehr Brücken als die Schweiz. Bei gleicher Fläche; was daran liegt, daß die Schweizer ihre Brücken nur aus Faulheit bauen, weil sie nicht ständig hüben ins Tal runter- und drüben wieder raufkraxeln wollen, die Holländer aber müßten waten, wo keine Brücke wäre. Wenn nicht bis zum Bauch ins Wasser. Schon Großefehn hat – was wenig bekannt ist, aber möglicherweise stimmt – mehr Brücken als Venedig. Im Umkehrschluß darf man vermuten, daß die Schweiz mehr Spundwände hat. Es gibt sogar eine Spundwand-Schweiz AG, deren Bonitätsampel man sich im Internet ansehen könnte, wenn man so bekloppt wäre, sich für so einen Quatsch zu registrieren und womöglich Geld dafür zu bezahlen. Aber ich bin nicht so bekloppt. Robert Walser dagegen darf man lesen ohne sich zu registrieren und ohne Geld dafür zu bezahlen. Es wird empfohlen. Vielleicht prüfen Sie noch einmal, ob Sie wirklich eine Spundwand brauchen, oder ob Sie mit seinen Mikrogrammen nicht ebenso weit kommen. Seine Bonitätsampel jedenfalls ist tiefdunkelgrün.
Bei aller berechtigten Kritik, die ein mit einem Trommelfell geschlagener Mensch an der Dampframme üben darf, sie war doch eine schöne, prototypische, phallische, sehr männliche Erfindung. Es war alles dran: Das rüpelhafte Auftreten, der Krakeel, der Unwille, irgendwas außer sich selbst gelten zu lassen, und dann natürlich der rhythmische Stoß, das gewaltsame Eindringen, die Schändung, der Zwang, die Unterwerfung. Kein Wunder, daß wir Knaben (Jungspunde!) staunend davor, daneben und darum herumstanden. Leider nahm man uns mit Bretterwänden die Sicht aufs Spektakel. Jugendschutz? Nun, das ist vorbei, das mit dem Jugendschutz. Alles, vor dem die Jugend nicht geschützt zu werden wünscht, gibt es im Netz. Auf youtube kann man, was Wunder, die Dampframme bei der Arbeit betrachten, wenn man bekloppt genug ist. Kein Wunder auch, daß das Nachfolgegerät eine Vibrationsramme ist, die nicht halb so viel Krach macht. Und in der Hälfte der Zeit fertig ist. Natürlich, der Vibrator! Wer sonst! Dieser Simulator! Dieser Pfahl im Fleische männlicher Unersetzbarkeitsflausen.
Dagegen ist der Neunnadeldrucker doch nur ein Haufen Sondermüll. Außerdem ist mir mein Neunnadeldrucker mal auf den Fuß gefallen, was für sich spricht, aber gegen ihn. Daß der Erfinder des Neunnadeldruckers aber kein großer Mann ist, ergibt sich schon daraus, daß er ansonsten von den Göttern an einen Felsen geschmiedet worden wäre. Große Männer müssen leiden. Der Erfinder des Rades steht irgendwo im Stau. Der Erfinder der Autobahn mußte sich Kraftwerks Schlager gefallen lassen. Was haben wir noch für Große Erfindungen, außer Feuer und Rad? Faustkeil? Schmelzofen? Knochennadel? Pflug, Schwert, Galgen? Für die Jäger und Sammler des Jungpaläolithikums war wahrscheinlich der Sack eine wichtige Erfindung. Für den Haushunddomestizierer die Zeckenzange. Gute Sache, Zeckenzange. Aber zu den Großen Erfindungen möchte ich sie nicht rechnen. Ich sehe sie in einem Rang etwa mit Klemmbrett und Dutt. Brille – Brille ist was anderes, Brille ist wichtig. Dutt und Klemmbrett kann man durch Mimik ersetzen, Stöckelschuh auch, Brille nicht. Aber ich bewundere sie nicht, die Brille. Entweder sie ist weg oder einem im Weg. Sie beschlägt, wenn man in den Backofen schaut. Sie fällt runter. Der Hund zerkaut den Bügel. Sie geht mir auf den Sack! – Was ich aber bewundere, ist die Erfindung des Sacks! Da muß einer drauf kommen. Wahrscheinlich hat einer gesehen, wie sich eine Zecke auf dem Rücken seines Deutsch-Drahthaars vollsog und immer dicker wurde. Da dachte er bei sich: So einen Sack auf dem Puckel müßte man auch haben! Da ginge ganz schön was rein. Da könnte man ganz schön was drin sammeln. Dann ging er nach Hause und erfand seinen Sack.
Beinahe hätte ich geschrieben „und erfand sich neu“. Denn was höre ich da eben im „Echo des Tages“? Die CDU will „sich neu erfinden“. Sie ist sich selbst zu drög. Ach was nicht gar! Sie will „jünger, weiblicher und bunter sein“. So will es der mittelalte, männliche, monochrome Peter Tauber, der Generalsekretär. Soso. Dann sollte sie sich aber auch umbenennen in JWB, nicht in CDU zwei Punkt null. Zwei Punkt null – von wann ist das denn? Sind wir nicht längst bei 4.0? Jung! Weiblich!! Balla-balla!!! – Bunt vielmehr? – Sag ich ja. Wenn ich balla-balla sage, dann meine ich auch balla-balla.
Ich will die CDU nämlich nicht bunter haben. Mir ist es heutzutage sowieso überall zu bunt und benetton. Aus grauer Städte Mauern wollte ich, so war es mein Wunsch, hinaus nach Käsdorf ziehn. Hab ich auch gemacht. Mit mir aber, das hatte ich so nicht antizipiert, zog die neue Zeit. Beziehungsweise diese mir entgegen. Denn wenn man zwischendurch die Stadt wiederbetritt, horcht man vergebens auf Hammerschlag und schwerer Loren Rollen. Auch sitzt er länger nicht, der Gott der Stadt, schwarz auf grauem Häuserquader, sondern breitärschig irgendwo herum, im Park, vorm Bahnhof, und sieht aus wie Jürgen Höhne in Der Sommer der Liebe. So möchte ich nicht, daß meine CDU aussieht! Meine CDU möge so bleiben, wie ich sie kenne, vorwiegend bestehend aus übelgelaunten, leicht angegangenen weißen Männern in schlecht sitzenden, miserabel geschneiderten Anzügen in Farbtönen zwischen yrgh und uäks. Mein Ideal in der Hinsicht war Norbert Blüm – ah, les neiges d’antan! Gefolgt von Gröhe. Respektive dem infernalischsten aller infernalischen Trios, Gröhe, Dobrindt und Döring. Aber Angela Merkel ist auch nicht schlecht schlecht angezogen. Und wem Merkel nicht weiblich genug sein sollte, für den kann sich Peter Tauber ja in Petra Taube umbenennen. Problem gelöst.
Was für Menschen
Wenn es nach mir ginge, stünde das „U“ in CDU ab sofort für unurban. – Apropos unurban: Einen gewissen Krause sticht der Hafer. Ihm ist es in Berlin nicht mehr urban genug. Richtiger, es wird ihm nicht mehr urban genug sein, wenn sich von ihm so genannte „Neuberliner“ und „Landeier“ zwischen Nollendorfplatz und Winterfeldtplatz eine lauschige „Begegnungszone“ angelegt haben werde. Krause! („Krause!“ hieß es einmal bei Erwin Grosche, „Wir haben Ihren Friseur! Und wollen sofort 100 Mark in kleinen Scheinen für ihn haben.“) Was ist los, Krause? Sagen Sie jetzt bitte nicht, daß sie keinen Friseur mehr haben, dem Sie das erzählen können! Was interessiert das uns? Dann ist es bei Ihnen eben unurban. Dann leben Sie eben damit, daß es dort unurban ist. Wenn Sie das ärgert, dann ärgert Sie das eben. Was aber nicht angeht, ist, daß Sie den Betreffenden nahelegen, doch in die Lüneburger Heide auszuwandern, ohne vorher uns zu fragen. Veto! Vetamus!! Wir wollen die nicht haben. Was sollen wir mit den Brüdern? Warum haben wir die wohl rausgeekelt? Wir wollen keine Begegnungszonen, wir wollen Ausdemweggehzonen. Wir sind Ausdemweggehzone und wünschen, es zu bleiben. Großstadt aber „bedeutet nicht nur miteinander, sonder auch nebeneinander her.“ Ihre Worte, Krause, nicht meine. Also leben Sie gefälligst nach ihrer Spruchweisheit und dulden Ihre Landeier neben sich wie ein braver Bub. Und wenn Ihnen das Magengeschwüre macht, weil Sie zwar einerseits angeblich Vielfalt wollen, die Vielfalt aber andererseits sich vorher bei Ihnen vorstellen soll, und gar nicht daran denkt, dann kriegen Sie eben Magengeschwüre. Besser Sie als wir. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß jemand, der den Ausdruck <SpitzeFinger>“Hingucker“</SpitzeFinger> benutzt, gar nicht genug Magengeschwüre kriegen kann.
Bah! Was für Menschen!
Wer denkt sich so einen aus? Apropos ausdenken, um noch einmal auf den Erfinder des Sacks zu kommen: Zum Ende des 18. Jahrhunderts soll ein Weber in Schmiedeberg denselben neu erfunden haben, den Sack, nicht den Erfinder, und zwar als unnähtigen solchen. Als Geldsack, Magazinsack und Getreidesack. Der Müllsack soll in den 1950er Jahren erfunden worden sein. Der Lachsack datiert auf das Jahr 1968. Aber der Sack als solcher muß älter sein. Wo ich einmal dabei bin: Auch das Faß ist in seiner Art nicht schlecht. Erfunden hat es, glaube ich, der Zwerg Perkeo. Oder der Weinschlauch. Der hat es nicht erfunden, aber er gehört dazu. Wie der Bocksbeutel. Lauter <SpitzeFinger>“Basics“</SpitzeFinger>.
Aber guck, gerammt wird schon seit der Eisenzeit, welche datiert auf – na, ziemlich lange her. Wahrscheinlich hätte ich mich damals schon möglichst rausgehalten, denn ich hatte immer Bedenken, irgendetwas in die Hand zu nehmen, das schwerer ist als ein Bleistift, für den Fall, daß es mir auf den Fuß fällt. Ich habe ein großes Talent dafür, mir Sachen auf den Fuß fallen zu lassen. Einmal hatte ich mir einen Preßlufthammer geliehen, um meine Nachbarn zu ärgern – sie sind dann nach Berlin gezogen und priesen die Stille dort -, und prompt fiel mir der auf den Fuß. Bloß weil ich ihn losgelassen hatte. Seitdem habe ich einen Heidenrespekt vor der Schwerkraft. Vor den anderen Grundkräften auch. Ich glaube, Grundkräfte sind zu allem fähig. Als Kind habe ich manchmal mit einem Nagel in der Steckdose nach der elektromagnetischen Wechselwirkung gesucht. Ich habe sie auch gefunden. Noch heute lauert sie mir manchmal auf, bloß weil ich irgendeinen öden Stecker nicht gezogen habe. Deswegen habe ich mich auch immer aus der Erfinderei herausgehalten, und wollte lieber was mit Computern machen. Prompt fällt mir so ein Lochkartenkasten auf den Fuß. Woraufhin ich ihn aus dem Fenster des Rechenzentrums auf den Parkplatz kippte. Der Grund dafür ist mir nicht mehr erinnerlich. Möglicherweise war ich ungehalten.
Wie sich in der Folge zeigen sollte, waren Vorteile und Nachteile der fortschreitenden Miniaturisierung in- und miteinander verknotigt. Zwar konnte man unter Windows sehr viel mehr Codezeilen und damit die Arbeit einer viel größeren Zahl von Tagen mit einem Fingerschnips vernichten und tat dies auch, aber die sinnliche Komponente, das Öffnen des klemmenden Fensters, die sich in die Oberschenkel pressenden heißen Heizkörperrippen, wenn man sich aus dem Fenster beugte, um den auf unvorhersagbaren Bahnen flatternden, trieselnden, schaukelnden oder plan abstürzenden wohlidentifizierten Flugobjekten in kontemplativer Verzückung hinterdreinzusehen – die Befriedigung hatte man beim Desktop nicht mehr. Außerdem war der Code ja nicht sofort »weg«, er war ja noch »da«. Zwar auf Autodächer, Regenpfützen, Hundekot und Cotoneasterbeete verteilt, aber man hätte ihn schon noch wieder einsammeln und sortieren können, wenngleich nicht wollen. Etwas sinnlicher wurde es erst wieder zu Laptops Zeiten. Der konnte einem wenigstens auf den Fuß fallen.
Und tat das auch. – Aber der Bleistift! Schon als Kind hatte ich ihn gern gegessen. Wie angenehm splitterte nicht bei manchen der gesundheitsabträgliche Lack, wenn man beherzt zubiß. Die Mine hingegen soll, mit Enttäuschung las ich es in der Wikipedia, gesundheitlich völlig unbedenklich sein. Geschmacklich gibt sie auch nicht viel her, wie man bald gewahr wird, wenn man in einen beidseitig angespitzten Stift beißt, also früher oder später, denn wenn einem das zerkaute Ende zu peinlich zu werden beginnt, spitzt man ihn eben auch von hinten her an. Kurioserweise ist mir im ganzen Leben kein Bleistift auf den Fuß gefallen. Mein Zirkel schon, hat allerdings keinen Schaden angerichtet, was er zweiffellos gekonnt haben würde; eingerichtet ist er dafür. Statt dessen habe ich ihn mir in den Daumen gerammt, und zwar nicht die dafür vorgesehene Nadel, sondern die Mine. Sie war nicht einmal angespitzt, sie kriegte statt dessen auf einem mit Sandpapier betackertem Hölzchen einen hübschen Kegelschnitt appliziert. Wie der in den Daumen hineinkam, weiß ich nicht. Ich darf auch nicht zu tief darüber nachdenken, weil ich sonst graphitgrau im Gesicht werde. Die Obszönität des Anblicks dieses unorganischen Fremdkörpers in meinem Fleisch ist meinem inneren Auge, das in der Magenkuhle beheimatet sein muß, unfern der für Mulmigkeit zuständigen Gegend, auf die Netzhaut gebrannt. An dem Tag, als unser Hausmeister aus der Klinik kam, dem man ein Exoskelett auf seinen gesplitterten Unterarm praktiziert hatte, das mit Edelstahlschrauben im Handrücken verankert war, wurde mir ähnlich flau. Er war einige Wochen zuvor von der Trittleiter gefallen und mir auf den Fuß.
Was ohne Menschen
Ich hatte sie festhalten sollen, die Leiter. Hatte ich auch gemacht.
Nun kann man den Menschen nicht vorsichtshalber komplett aus dem Weg gehen, nur um zu vermeiden, daß einem einer auf den Fuß fällt. Oder sagen wir tritt. Nicht einmal in Käsdorf geht das. Man kann nicht einmal allen gepiercten Menschen aus dem Weg gehen, obwohl ich das gerne täte. Man kann vielen gepiercten Menschen aus dem Weg gehen, indem man nach Käsdorf zieht, aber nicht allen. Das Restrisiko ist, wenn auch klein, ungleich null. 0 < R << 1. Wenn ich nur an die Bäckereifachverkäuferin denke, die wir hier hatten, als wir noch eine Bäckerei hatten. Die war praktisch rundum gepierct. Das heißt, nehme ich an. Ich kann nur für den sichtbaren Teil sprechen. Ich kannte sie schon, als der noch nicht gepierct war. Statt dessen hatte sie zwei Möpse, und wir waren auf ganz natürlichem Wege miteinander bekannt geworden. Es stellte sich dann heraus, daß es French Bulldogs waren, keine Möpse. Aber als ich sie kennenlernte, waren alle drei noch Welpen, und der Unterschied war gering. French Bulldogs werden ein bißchen größer als Möpse, wenn sie groß werden, aber es gibt ja auch große Möpse. Ich finde sogar, French Bulldogs sehen eher aus wie Möpse als Möpse, wenn sie noch klein sind. Aber egal. Als die Hunde groß waren, ließ sie sich piercen und wurde Bäckereifachverkäuferin. Ab da sahen wir uns immer samstags beim Brötchenholen, und jedesmal hatte sie ein neues Piercing. Einmal auch am Samstagabend, da hatte sie mich auf einer Lehrerfete erwischt, wo ich zu Gast war, und ich sie hinterm Tresen, wo sie aushilfskellnerte. Danach redete sie mich mit „Herr Lehrer“ an. Ich finde, das geht zu weit. Niemand sollte sich als Lehrer bezeichnen lassen müssen, egal, in welcher Kaschemme man ihn antrifft. Auch abends war sie gepierct. Und als die Bäckerei dichtmachte, wurde sie arbeitslos, blieb aber gepierct. – Dann verlor ich sie aus den Augen.
Aber noch gibt es hier junge Leute. Die sind natürlich nicht alle gepierct. Sie wollen nicht einmal alle nach Berlin. Manche wollen auch nach Toronto. Oder nach Auckland. Ich merke mir das nicht so genau. Manche wollen aber tatsächlich hierbleiben. Erst neulich ist es gelungen, ein Ehepaar wegzugraulen, ganz ohne Preßlufthammereinsatz. Sie gingen freiwillig. Anstatt sich scheiden zu lassen, wie es üblich ist, zogen sie gemeinsam nach Berlin, um sich dort als Familie neu zu erfinden. In Krauses Kontakthof. Neue Begegnungsprozesse erfahren. – Nur der älteste Sohn tippte sich an die Stirn, als er hörte, was sie vorhatten. Der junge Mann, der ganz vernünftig zu sein scheint, sehr reif für sein Alter, bleibt nun allein hier. Er hatte die Wahl zwischen sieben leerstehenden Häusern und ein paar Dutzend freier Wohnungen. Es wären schon noch mehr leerstehende Häuser gewesen, aber wo früher die Häuser einfach verfielen, wenn die alten Leute starben oder ins Seniorenheim gesperrt wurden, da haben die Erben heutzutage anscheinend Geld genug, die Häuser abreißen zu lassen. Das ist zum einen zu begrüßten, schafft es doch Begegnungszonen für unsere Hunde. Die Kacke bleibt im Dorf, und das Dorf wird lichter. Schon kann ich vom Pfaffenacker aus mit bloßem Auge den Friedhof sehen. Zum anderen aber wäre es noch schöner, wenn mal das eine oder andere leerstehende Mietobjekt abgerissen werden würde, und nicht immer nur Privathäuser, aber unsereiner hat natürlich leicht reden. Unsereiner erbt, wenn er Pech hat, vielleicht ein Haus, oder zwei Häuser, als Einzelkind zweier Einzelkinder auch schon mal vier, als Einzelkind einer unfruchtbaren Patchworkfamilie möglicherweise Stücker sieben oder acht. Als Erbe eines Investors aber erbt man hunderte von Häusern. Die kann man nicht alle abreißen lassen, da würde man ja arm. Für das Geld kann man besser Windräder bauen. Da polemisieren die Leute immer gegen die Verspargelung der Landschaft, aber die Verschandelung unserer Dörfer durch leerstehende Mietobjekte ist niemandem eine Polemik wert. Dabei sind Windräder, wenn sie in der Hauptwindrichtung stehen, sehr viel geruchsneutraler als Biogasanlagen, wenn diese in der Hauptwindrichtung stehen. Leerstehende Mietobjekte allerdings auch, das will ich zugeben. Solange der Kammerjäger nicht mit Karbid arbeitet, heißt das. Ja, früher! Da standen die Mietobjekte noch nicht leer. Im kalten Krieg. Als wir noch Soldaten hatten. Die hatten’s, die konnten’s. Die konnten sich eine moderne Sozialwohnung mit Kachelbad und Badeofen wohl leisten. Man müßte mal den Satz „Soldaten sind Mörder“ einer Revision unterziehen zugunsten der Wahrheit: Soldaten sind ein Wirtschaftsfaktor. Denn als bei uns noch Soldaten stationiert waren, da blühte hier das Leben. Wir hatten allein sieben Gastwirte, und Bäckereifachverkäuferinnen sonder Zahl. Sie trafen sich donnerstags mit den Mördern im Brennenden Dornbusch, was hier die angesagte Location war, unser ehemaliges Kino, was jetzt nach und nach, Stein für Stein und Ziegel für Ziegel auf den Behelfsparkplatz fällt. Auf dem Behelfsparkplatz selbst hat eine Großfamilie gewohnt, als er noch kein Behelfsparkplatz, sondern ein Fachwerkhaus war. Niemand hatte geahnt, daß sich unter dem Fachwerkhaus ein Behelfsparkplatz befand; man fand ihn beim Abriß. Nun wohnt dort niemand mehr, was auch besser ist, denn früher oder später würde ihm ein Stück Kino auf den Fuß fallen.
Dann wurden sie erst schwanger, danach Mütter, und dann wiegten sie jene Enkel auf den Knien, die heute ihre Häuser abreißen lassen und in Berlin den Krause ärgern. Die Bäckereifachverkäuferinnen. Sie selbst wohnen im Seniorenheim. Verhärmten Gesichts rollatorn sie durchs Dorf und starren stundenlang die Behelfsparkplätze an. Wie ein dementer Deutsch-Drahthaar seinen leeren Napf. – Der junge Mann hingegen wohnt bei Quastel zur Untermiete, mit Familienanschluß. Netter Kerl. Ißt auch nicht alles, was der Ober ihm empfiehlt. Ich empfahl ihm die CDU, aber sie ist ihm nicht jung, nicht weiblich und nicht balla-balla genug. Nach dem Abitur will er für ein Jahr nach Israel. Vielleicht auch nach Tansania. Von beidem war die Rede, als Quastel ihn mit zum Stammtisch brachte. Ich habe nicht so genau hingehört. Mir sind diese jungen Leute zu unentschlossen. Ich selbst war ja nicht anders. Ich erinnere mich noch, daß ich mich nach dem Abitur nicht entscheiden konnte, ob ich nach Indien wollte oder lieber in den Harz. Ich hatte schon immer einmal in den Harz gewollt. Eigentlich ins Riesengebirge, nach Schmiedeberg, was aber damals nicht ging, ohne daß man zuvor Krieg führte. Und gewann. Der Harz dünkte mich das Riesengebirgsähnlichste was unter den Gegebenheiten der Zeit zu realisieren war, und war, das möchte ich zu meiner Entlastung sagen, damals nahezu menschenleer, jedenfalls wenn man an der Grenze entlangwanderte. Nur ein paar Soldaten blickten starr herüber und machten Gesichter wie einer, dem man gerade das Elternhaus abgerissen hat. Indien wäre auch damals schon vergleichsweise übervölkert gewesen, sowieso und ohnehin, auch ohne unsereinen, aber es kam dazu, daß praktisch jeder zweite, den man kannte, in Indien war.
Oder in Südamerika. – Aber ich hatte irgendwas erzählen wollen: an jenem Abend, da ich nachhause kam in der Absicht, mich neu zu erfinden, weil ich dachte: Probier’s doch wenigstens mal, don’t knock what you haven’t tried, da kam mir igendwas dazwischen. Ich hab vergessen was. War wohl nicht wichtig. Auf jeden Fall habe ich es sein lassen. – Nach dem Abitur aber war ich in Schottland. Äußere Hebriden. Ich hatte noch keine Ahnung davon, was ich einmal werden wollte, sowenig wie ich heute eine Idee davon habe, was ich statt dessen gerne gewesen wäre. Noch war mir keine meiner falschen Entscheidungen auf den Fuß gefallen. Das sollte sich aber ändern. – Sehr schön dort, sehr unurban. Sehr monochrom. Die Bonitätsampel tieftorffarben. Graphithimmel. Kein Mensch da, damals. Nur ein paar verlassene Erdhütten aus dem Mesolithikum. Und jede Menge Wetter. Auf Uist mehr Brücken als in Spetzerfehn. Hervorragende Fish’n Chips am Hafen von Stornoway. – Als ich den Laden verließ, die Pappe in der Hand, zerrte der Wind gewaltig an meinem schlampig verzurrten Seesack und versuchte, ihn vom Fahrrad zu reißen. Ich eilte ihm mit Tänzelschritt, gestrecktem Bein und entschlossen entgegengestemmtem Hinterteil zu Hilfe – dem Sack, nicht dem Wind -, woraufhin er – der Wind, nicht der Sack -, mir die Mahlzeit aus der Hand stieß und die essignassen Chips auf den Fuß warf.
Gut so. Ich mag keinen Essig.
Parkplatzprobleme
Rund eine halbe Million junge Menschen in London sind ohne Parkplatz. Nun hat die Regierung ein umstrittenes Trainingsprogramm gestartet – um ihnen beizubringen, Parkbuchten zu treffen oder ein Parkhaus zu erkennen, wenn sie daran vorbeifahren.
Britische Medien sprechen von einem „Erziehungslager“ („Boot Camps“) für parkplatzlose Jugendliche: Mit obligatorischen Kursen für junge Leute, die weder einen Stellplatz haben noch die nötigen Kenntnisse für das Auffinden freier Plätze, will die Regierung in London die Jugendparkplatzlosigkeit entschlossener bekämpfen als bisher.
In London gibt es zur Zeit – und nicht erst seit vorhin – deutlich mehr Autos als freie Parkplätze. Im Schnitt sind es 5,6% mehr Parkplatzsuchende als Parkplätze. Ganz besonders schlimm aber steht es mit Autos von Führerscheinneulingen, hier sind es rund 14 Prozent, für die einfach kein Parkplatz da ist. Dagegen will die Regierung nun mit Rezepten aus der neoliberalen Mottenkiste vorgehen, da sie den Rezepten aus der sozialliberalen Mottenkiste mißtraut. Die Rezepte aus der sozialliberalen Mottenkiste, sintemalen solche, die nahelegen, die Bereitstellung ausreichenden Parkraums sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, haben das vereinigte Königreich, weiß man ja, in den siebziger Jahren an den Rand des Abgrunds gebracht. Durch die Rezepte aus der neoliberalen Mottenkiste, weiß man auch, zumal solche, die dagegenhalten, so etwas wie Gesellschaft gebe es gar nicht, geben tue es bloß Individuen und Familien und Parkplätze, beziehungsweise Parkplätze gebe es eben nicht, jedenfalls nicht in den „inner cities„, durch solche Rezepte ist es der Margarete Thatcher dann aber gelungen, Großbritannien einen gewaltigen Schritt nach vorne zu bringen. Heute kann man den Rand des Abgrunds nurmehr aus der Ferne sehen, und zwar von unten. Um noch einmal in seine Nähe zu gelangen, müßte man den ganzen steilen Abhang wieder hinauf. Das wird so schnell nicht passieren.
Die Pläne sehen vor, daß alle Kursteilnehmer ein Trainingsprogramm von 70 Stunden in der inner city Londons durchlaufen, indem sie zusammen mit ihrem Coach im Stau stehen und lernen, was zu tun wäre, damit man einen Parkplatz ergattern könnte, wenn es denn einen gäbe. Den parkplatzlosen Jugendlichen soll dabei unter anderem beigebracht werden, als erster in der Lücke zu sein und der Konkurrenz eine Nase zu drehen, täte sich denn mal eine auftun, und sie wären grad in der Nähe. Und zwar nah genug.
Eine halbe Million junge Leute ohne Parkplatz
Weiterhin wird man, wie von Gretchen Thatcher gelehrt, noch vorhandene Parkplätze Pflasterstein um Pflasterstein abbauen, und auf den so freiwerdenden Plätzen Banken bauen. Wer wirklich parken wolle, so die Überzeugung der konservativen Regierung, der werde auch einen Parkplatz finden.
„Wir sind wild entschlossen, der Jugendparkplatzlosigkeit ein Ende zu bereiten“, sagte der Staatssekretär Matthew Hancock wild entschlossen. Es sei nicht länger hinnehmbar, daß die Unart, 24 Stunden am Tag die ohnehin verstopften Straßen noch dichter zu stopfen, von Generation zu Generation weiter gegeben werde, nur weil man nicht wisse, wohin mit seinem Blechhaufen, und mal wieder nach der Regierung schreie. Deshalb will die Regierung den Druck auf junge Menschen, einen Einstieg in den Parkplatzmarkt zu finden, erhöhen.
Weg auch mit den Wohnzuschüssen. Und überhaupt!
Die neuen Trainingskurse sind Teil eines Regierungsprogramms, das für junge Leute den Zugang zu staatlichen Leistungen erschwert. Ab April 2017 werden parkplatzlose Londoner im Alter von bis zu 21 Jahren nur noch dann Anspruch auf staatliche Leistungen haben, wenn sie entweder einen festen Stellplatz im Parkhaus nachweisen können, einen eigenen Parkplatz mitbringen, oder gemeinnützige Arbeit leisten, indem sie etwa als Parkplatzcoach anderen jungen Londonern im Rahmen des Trainingsprogramms das Parkplatzsuchen als Kulturtechnik nahebringen.
Premierminister David Cameron hat zudem bereits angekündigt, staatliche Wohnzuschüsse für junge Leute generell zu streichen. Die jungen Leute sollen die Kosten ihrer Wohnungen gefälligst aus ihrem Privatvermögen berappen, oder, wenn ihnen das nicht paßt, von Camerons wegen in ihren Autos wohnen. Die Maßnahmen sind Teil der Anstrengungen der Regierung, die Kosten des Sozialstaats zu senken. Mit den gesparten Kosten soll der Ellbogenstaat finanziert werden, der immer teurer wird. Die Herrschaften im oberen Drittel heischen zu wissen, ob sie ihren Profit etwa aus eigener Tasche finanzieren sollen, oder ob das bald mal was wird, da unten?
Fachleute (cf. FAZ.NET, gemeint sind Leute vom Fach – Anm. d. Red.) begrüßten an diesem Montag die Initiative der Regierung. Sie wiesen aber auch darauf hin, daß die große Herausforderung in der Umsetzung der Ankündigungen liegen werde. „Das große Problem bei solchen Programmen ist immer die Umsetzung. Die ist in vielen Fällen sehr schlecht“, sagte Gita Subrahmanyam, Expertin für Ruhenden Verkehr an der London School of Economics, gegenüber FAZ.NET. Es werde nicht einfach für die Regierung, genügend qualifiziertes Personal zu finden, fürchtet sie.
„Wenn sie die jungen Leute wirklich von der Straße bringen wollen, dauerhaft, ohne zusätzliches Geld für zusätzliche Parkplätze in die Hand zu nehmen, dann werden sie sehr, sehr gute Coaches brauchen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sehr gute Coaches. Sehr, sehr, sehr, sehr gute Coaches. Die wachsen nicht auf Bäumen. Die kosten ein bißchen was. Wenn Sie diese Kurse statt von so welchen aber von Bürokraten durchführen lassen, von solchen, die noch aus der sozialliberalen Mottenkiste stammen, solche, die solch sich überlebt habenden Maximen anhängen, wie, daß wo nichts sei, auch nichts zu holen wäre – hah! -, Leute, die noch nie einen Kreis quadriert haben, weil sie zu Harold Wilsons Zeiten mal gelernt haben, das sowas nicht geht, Leute, die nicht glauben, daß man mit fünf Gerstenbroten und zwei Fischen für fünftausend Leute ein gescheites Catering hinkriegt, Leute, die zu unflexibel sind, um auch nur mal auszuprobieren, ob Wasser nicht doch den Berg hinauffließt, wenn man ihm ordentlich Beine macht, Leute, die darüberhinaus einem ausgesprochenen Versorgungsdenken anhängen, bzw. Leute, die an äußerst eingeschränktem Versorgungsdenken herumlaborieren, denn sonst wüßten sie ja, daß man mit der Entwicklung hirnrissiger Konzepte und wohlfeiler Kommentare zu diesen mehr Geld verdienen kann – wenn man den Auftraggebern ordentlich einen vom Pferd erzählt, heißt das – als mit Stadtteilarbeit -: dann werden die Kurse auch nicht effektiv sein“, warnt Subrahmanyam.
„Mal unter uns: daß das Konzept nicht funktionieren kann, wissen wir alle. Warum irgendeiner glauben sollte, daß es doch geht, weiß keiner. Das einzige, was die Regierung tun kann, ist, dafür sorgen, daß die Verwaltung des Mangels billiger wird. Es bleibt abzuwarten, ob ihr Programm ein in dieser Hinsicht wirkungsvolles Programm sein wird, oder ob es ihr nur darum geht, den Ampelbericht an ihre Auftraggeber zu schönen.“
Rückschlag für alle Verschwörungstheoristen
Aber mal ganz was anderes: der „Fall“ netzpolitik.org sei komplett erledigt, heißt es.
Uns geht es nicht anders. Die Hitze, die Hitze!